Heißer Schlagabtausch im Halbrund
Auf dem Höhepunkt des Wahlkampfes treten die sieben Spitzenkandidaten der im Bundestag vertretenen Parteien gegeneinander an.
BERLIN Es geht ums Klima. Doch in diesem Fall kann man seinen Zustand nicht am ansteigenden Meeresspiegel oder an abschmelzenden Polkappen beobachten, sondern in einem Fernsehstudio. Zwischen wem funkt es? Zwischen wem ist das Verhältnis unterkühlt? Im Halbrund sitzen an diesem Donnerstagabend die sieben Spitzenwahlkämpfer aller im Bundestag vertretenen Parteien: Annalena Baerbock (Grüne), Armin Laschet (CDU), Christian Lindner (FDP), Olaf Scholz (SPD), Markus Söder (CSU), Alice Weidel (AfD) und Janine Wissler (Linke). Drei Tage vor der Bundestagswahl treten sie in dieser Schlussrunde gegeneinander an. Die Moderatoren Tina Hassel (ARD) und Theo Koll (ZDF) durchpflügen in den 90 Minuten große Themenfelder von Sicherheit bis Corona, von sozialem Wohnungsbau bis Außenpolitik.
Der Kampf gegen die Klimakrise kommt erst am Ende des Schlagabtauschs zur Sprache – doch schon von Beginn an geht es heiß her.
Laschet markiert gleich zu Beginn eine harte Linie. Es geht um den tödlichen Schuss von Idar-Oberstein, wo ein Maskenverweigerer einen jungen Tankstellenverkäufer erschossen hat. Laschet kommt direkt auf die Radikalisierung im Netz zu sprechen – aus seiner Sicht die Wurzel allen Übels. „Immer aggressiver, immer lauter“werde der Ton. „Und irgendwann ist einer da und vollendet diese Tat“, sagt Laschet Man müsse den Hass schon im Ansatz ersticken, Hass-Posts im Netz nicht nur löschen, sondern auch strafrechtlich verfolgen – so werde es auch in seinem Bundesland NRW praktiziert.
Scholz schmunzelt und antwortet in staatsmännischer Manier, wie man es von ihm in diesem Wahlkampf schon gewohnt ist. Von Laschets
Regierungshandeln in NRW lässt er sich nicht beeindruckend, kehrt die eigene Erfahrung auf Bundesebene heraus. Man habe „eine ganze Reihe an Gesetzen“beschlossen, und das sei „auch richtig so“. Scholz nutzt die erstbeste Gelegenheit, um einen Haken gegen die Union zu setzen mit der das Wehrhafte-Demokratie-Gesetz in dieser Legislaturperiode nicht zu machen gewesen sei. Es klingt nicht so, als wolle Scholz es nach der Wahl mit der Union aufs Neue versuchen.
Doch deutlich größer sind die Differenzen zu den Parteien, die im Halbrund außen sitzen: Linkspartei und AfD. Die Linke will den Verfassungsschutz abschaffen, denn der sei „Teil des Problems, nicht Teil der Lösung“, sagt Wissler unter Verweis auf die Lehren aus dem NSU-Komplex. Söder hält dagegen: „Ohne Verfassungsschutz wird es nicht gehen.“Härter fällt die Abgrenzung zur AfD aus. Denn gerade hatte Weidel die Querdenken-Bewegung verteidigt, der sich Rechtextreme angeschlossen haben. Sie halte nicht von der „Stigmatisierung“dieser Protestbewegung, sagt die AfD-Spitzenfrau. An Wissler und Weidel gerichtet sagt Söder, es brauche eine klare Kante „gegen solche Querdenker“.
Auch bei der Frage nach sozialem Wohnungsbau werden die Differenzen greifbar. Laschet setzt auf „Bauen, bauen, bauen“, um mehr Sozialwohnungen zu schaffen, und erteilt der rot-rot-grünen Wohnungspolitik in Berlin eine klare Absage. Das es zwischen Union und Linke keinerlei Anknüpfungspunkte gibt, wird auch hier deutlich: „Bauen, bauen, bauen ist nicht die Antwort“, sagt Wissler. Interessanter wird es, als Baerbock ausgerechnet in sozialen Fragen gegen die SPD wettert. Die große Koalition habe mit dem Mangel an bezahlbaren Wohnungen die „zentralste
soziale Frage“der Zeit nicht gelöst. „Ich frage mich, wo die Sozialdemokratie war, als man sie eigentlich brauchte“, sagt Baerbock mit Blick auf die Auflösung der Sozialbindung vieler Wohnungen.
Bei der Frage nach Regierungsoptionen überrascht es wenig, dass sowohl Scholz als auch Laschet auf den eigenen Wahlsieg setzt, um die künftige Regierung bilden zu können. Zur Linken und zur AfD markiert Laschet eine klare Abgrenzung. Lindner und Söder liebäugeln dagegen beide mit einem Jamaika-Bündnis aus Union, Grünen und FDP – auch wenn Lindner der Union attestiert, ihre „innere Mitte“nicht gefunden haben. Und Baerbock kommt am Ende wieder auf das Klima zu sprechen. Eine Regierung ohne Grüne an der Spitze sei „Klima ohne Schutz“. Doch um dieses Ziel zu verwirklichen, dürften die verbleibenden drei Tage bis zur Wahl zu knapp sein.