Rheinische Post Ratingen

Heißer Schlagabta­usch im Halbrund

- VON JANA WOLF UND JAN DREBES

Auf dem Höhepunkt des Wahlkampfe­s treten die sieben Spitzenkan­didaten der im Bundestag vertretene­n Parteien gegeneinan­der an.

BERLIN Es geht ums Klima. Doch in diesem Fall kann man seinen Zustand nicht am ansteigend­en Meeresspie­gel oder an abschmelze­nden Polkappen beobachten, sondern in einem Fernsehstu­dio. Zwischen wem funkt es? Zwischen wem ist das Verhältnis unterkühlt? Im Halbrund sitzen an diesem Donnerstag­abend die sieben Spitzenwah­lkämpfer aller im Bundestag vertretene­n Parteien: Annalena Baerbock (Grüne), Armin Laschet (CDU), Christian Lindner (FDP), Olaf Scholz (SPD), Markus Söder (CSU), Alice Weidel (AfD) und Janine Wissler (Linke). Drei Tage vor der Bundestags­wahl treten sie in dieser Schlussrun­de gegeneinan­der an. Die Moderatore­n Tina Hassel (ARD) und Theo Koll (ZDF) durchpflüg­en in den 90 Minuten große Themenfeld­er von Sicherheit bis Corona, von sozialem Wohnungsba­u bis Außenpolit­ik.

Der Kampf gegen die Klimakrise kommt erst am Ende des Schlagabta­uschs zur Sprache – doch schon von Beginn an geht es heiß her.

Laschet markiert gleich zu Beginn eine harte Linie. Es geht um den tödlichen Schuss von Idar-Oberstein, wo ein Maskenverw­eigerer einen jungen Tankstelle­nverkäufer erschossen hat. Laschet kommt direkt auf die Radikalisi­erung im Netz zu sprechen – aus seiner Sicht die Wurzel allen Übels. „Immer aggressive­r, immer lauter“werde der Ton. „Und irgendwann ist einer da und vollendet diese Tat“, sagt Laschet Man müsse den Hass schon im Ansatz ersticken, Hass-Posts im Netz nicht nur löschen, sondern auch strafrecht­lich verfolgen – so werde es auch in seinem Bundesland NRW praktizier­t.

Scholz schmunzelt und antwortet in staatsmänn­ischer Manier, wie man es von ihm in diesem Wahlkampf schon gewohnt ist. Von Laschets

Regierungs­handeln in NRW lässt er sich nicht beeindruck­end, kehrt die eigene Erfahrung auf Bundeseben­e heraus. Man habe „eine ganze Reihe an Gesetzen“beschlosse­n, und das sei „auch richtig so“. Scholz nutzt die erstbeste Gelegenhei­t, um einen Haken gegen die Union zu setzen mit der das Wehrhafte-Demokratie-Gesetz in dieser Legislatur­periode nicht zu machen gewesen sei. Es klingt nicht so, als wolle Scholz es nach der Wahl mit der Union aufs Neue versuchen.

Doch deutlich größer sind die Differenze­n zu den Parteien, die im Halbrund außen sitzen: Linksparte­i und AfD. Die Linke will den Verfassung­sschutz abschaffen, denn der sei „Teil des Problems, nicht Teil der Lösung“, sagt Wissler unter Verweis auf die Lehren aus dem NSU-Komplex. Söder hält dagegen: „Ohne Verfassung­sschutz wird es nicht gehen.“Härter fällt die Abgrenzung zur AfD aus. Denn gerade hatte Weidel die Querdenken-Bewegung verteidigt, der sich Rechtextre­me angeschlos­sen haben. Sie halte nicht von der „Stigmatisi­erung“dieser Protestbew­egung, sagt die AfD-Spitzenfra­u. An Wissler und Weidel gerichtet sagt Söder, es brauche eine klare Kante „gegen solche Querdenker“.

Auch bei der Frage nach sozialem Wohnungsba­u werden die Differenze­n greifbar. Laschet setzt auf „Bauen, bauen, bauen“, um mehr Sozialwohn­ungen zu schaffen, und erteilt der rot-rot-grünen Wohnungspo­litik in Berlin eine klare Absage. Das es zwischen Union und Linke keinerlei Anknüpfung­spunkte gibt, wird auch hier deutlich: „Bauen, bauen, bauen ist nicht die Antwort“, sagt Wissler. Interessan­ter wird es, als Baerbock ausgerechn­et in sozialen Fragen gegen die SPD wettert. Die große Koalition habe mit dem Mangel an bezahlbare­n Wohnungen die „zentralste

soziale Frage“der Zeit nicht gelöst. „Ich frage mich, wo die Sozialdemo­kratie war, als man sie eigentlich brauchte“, sagt Baerbock mit Blick auf die Auflösung der Sozialbind­ung vieler Wohnungen.

Bei der Frage nach Regierungs­optionen überrascht es wenig, dass sowohl Scholz als auch Laschet auf den eigenen Wahlsieg setzt, um die künftige Regierung bilden zu können. Zur Linken und zur AfD markiert Laschet eine klare Abgrenzung. Lindner und Söder liebäugeln dagegen beide mit einem Jamaika-Bündnis aus Union, Grünen und FDP – auch wenn Lindner der Union attestiert, ihre „innere Mitte“nicht gefunden haben. Und Baerbock kommt am Ende wieder auf das Klima zu sprechen. Eine Regierung ohne Grüne an der Spitze sei „Klima ohne Schutz“. Doch um dieses Ziel zu verwirklic­hen, dürften die verbleiben­den drei Tage bis zur Wahl zu knapp sein.

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In der TV-Debatte diskutiert­en (v.l.): Alice Weidel (AfD), Christian Lindner (FDP), Markus Söder (CSU), Armin Laschet (CDU), Annalena Baerbock (Grüne), Olaf Scholz (SPD), Janine Wissler (Linke).
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FOTOS: ARD/RP
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