Rheinische Post Ratingen

Berlusconi will Staatspräs­ident werden

Italiens Ex-Premier ist wegen Zeugenbest­echung angeklagt, wird 85 und hat immer noch nicht genug.

- VON JULIUS MÜLLER-MEINIGEN

ROM Am Donnerstag in einer Woche feiert Silvio Berlusconi seinen 85. Geburtstag. Man sollte meinen, der viermalige italienisc­he Ministerpr­äsident, Medien-Mogul und ehemalige Eigentümer des AC Mailand könnte irgendwann genug bekommen vom Rampenlich­t.

Aber nein, Narziss Silvio hat ein neues Ziel. Er will Staatspräs­ident werden und arbeitet nach übereinsti­mmenden Angaben der italienisc­hen Presse an diesem Plan. Schon als Jüngling äußerte er einmal, er wolle Städte errichten, der reichste Unternehme­r des Landes und Staatsober­haupt werden. Trabantens­tädte vor den Toren Mailands hat Berlusconi, der als Bauunterne­hmer begann, bauen lassen. Mit einem Vermögen von rund sieben Milliarden Euro ist er außerdem einer der reichsten Männer des Landes. Fehlt nur noch die Wahl zum Staatsober­haupt.

Die steht im kommenden Februar an und ist eine wichtige Weichenste­llung für Italien. Die Amtszeit von Amtsinhabe­r Sergio Mattarella, ein staatsmänn­ischer Christdemo­krat und Bruder eines von der Mafia ermordeten sizilianis­chen Lokalpolit­ikers, läuft dann aus.

Der 80 Jahre alte Mattarella hat angekündig­t, nicht über das sieben Jahre dauernde Mandat hinaus amtieren zu wollen. Längst hat das Ringen um seine Nachfolge begonnen, denn das italienisc­he Staatsober­haupt hat weitgehend­e Befugnisse, etwa bei der Regierungs­bildung und der Ernennung von Ministern.

Berlusconi weiß das selbst, er wurde nicht nur viermal mit der Regierungs­bildung beauftragt, sondern als Ministerpr­äsident 2011 im Zuge der Finanz- und Schuldenkr­ise vom damaligen Staatspräs­identen Giorgio Napolitano zum Rücktritt gedrängt. Dieser nominierte dann Mario Monti als Premier. Der natürliche Kandidat für die Nachfolge Mattarella­s wäre der in Italien angesehene ehemalige Chef der Europäisch­en Zentralban­k, Mario Draghi, seit Februar er Ministerpr­äsident. ist

Wie es heißt, schließt Draghi einen Wechsel vom Palazzo Chigi, dem Amtssitz des Premiers, hinauf in den Palast am Quirinalsh­ügel, aber aus. Draghi wurde von Mattarella nominiert, um als Regierungs­chef die EU-Corona-Hilfen in die richtigen Bahnen zu lenken – und will das dem Vernehmen nach auch bis zum Ende der Legislatur im Jahr 2023 tun. Nun werden allerlei Kandidaten für den „Quirinal“gehandelt. Im vierten Wahlgang ist keine Zweidritte­lmehrheit, sondern nur noch die absolute Mehrheit notwendig, Überraschu­ngen sind möglich. Berlusconi wittert hier seine Chance. Wider Erwarten scheiterte etwa der ehemalige EUKommissi­onspräside­nt Romano Prodi 2013 an der Wahl. Der damals unpopuläre, aber seriöse Mattarella wurde Staatsober­haupt.

Mit dem Adjektiv seriös und Berlusconi ist das so eine Sache. Die Rolle der Mafia bei seinem Aufstieg als Unternehme­r ist dokumentie­rt. Derzeit steht der Mailänder wieder einmal vor Gericht, er muss sich wegen Zeugenbest­echung im Zusammenha­ng mit der minderjähr­igen Prostituie­rten Karima El Farough („Ruby“) und den sogenannte­n Bunga-Bunga-Nächten in seiner Privatresi­denz in Arcore bei Mailand verantwort­en. Weil der 84-Jährige Chef der Partei Forza Italia in den vergangene­n Monaten immer wieder aus gesundheit­lichen Gründen verhindert war, forderte das Gericht in Mailand nun Gutachten über den gesundheit­lichen Zustand Berlusconi­s. Der Betroffene dichtete diese Aufforderu­ng zu seinen Gunsten um und deutete an, das Gericht, das unter anderem ein psychiatri­sches Gutachten forderte, zweifle an seiner psychische­n Verfassung.

Das passte zur Diktion, die Berlusconi seit Jahrzehnte­n verbreitet. Danach ist er das Opfer einer ideologisc­h operierend­en italienisc­hen Justiz. Dabei hatten seine Anwälte als Entschuldi­gungsgrund für sein Nichtersch­einen vor Gericht neben Herz- und Kreislaufb­eschwerden, Covid-Langzeitfo­lgen auch eine Depression angegeben.

An Covid-19 war der Politiker im vergangene­n Jahr erkrankt. 2012 verurteilt­e ihn ein Gericht letztinsta­nzlich wegen Steuerbetr­ugs, die Strafe musste er in Sozialstun­den in einem Altenheim ableisten. Als Regierungs­chef hatte Berlusconi immer wieder Gesetze erlassen, die ihn in seinen juristisch­en Auseinande­rsetzungen, etwa mit der Verkürzung der Verjährung­sfristen, begünstigt­en. Und so einer soll Staatspräs­ident werden, ein unabhängig­er Lenker in den finsteren Stunden der Nation? Das Idealprofi­l für das Amt erfüllt Berlusconi gewiss nicht. Für politische Überraschu­ngen allerdings ist kein Land so berühmt wie Italien.

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FOTO: IMAGO/SESA Silvio Berlusconi.

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