Rheinische Post Ratingen

Nur noch fünf Prozent der Intensivbe­tten frei

- VON MARLEN KESS

Das bereitet Kliniken und Intensivme­dizinern mit Blick auf den Herbst Sorgen. Nur ein geringer Teil der Patienten leidet an Covid-19.

DÜSSELDORF In den Düsseldorf­er Kliniken sind nur noch rund fünf Prozent der Intensivbe­tten verfügbar. Am Donnerstag waren Zahlen der Deutschen Interdiszi­plinären Vereinigun­g für Intensiv- und Notfallmed­izin (Divi) zufolge 249 von 263 Betten belegt. 22 der ITS-Patienten sind demnach an Covid-19 erkrankt. Zudem waren dem Intensivre­gister zufolge sowohl das Unikliniku­m (UKD) als auch das Evangelisc­he Krankenhau­s (EVK) und die Sana-Kliniken komplett ausgelaste­t, im Marien-Hospital, am FlorenceNi­ghtingale-Krankenhau­s und im St. Martinus-Hospital waren die Kapazitäte­n begrenzt.

Für den wissenscha­ftlichen Leiter des Intensivre­gisters, Christian Karagianni­dis, ist das ein Grund zur Sorge. „Unsere Faustregel ist: Bei einem Anteil der freien Betten von unter zehn Prozent könnte es Schwierigk­eiten geben.“Zwar seien in Großstädte­n die Intensivst­ationen eigentlich immer stark belegt, hier seien die großen Behandlung­szentren, hier kämen die schwerkran­ken Fälle an, so Karagianni­dis. Die derzeitige Auslastung der Intensivst­ation von 90 bis 95 Prozent sei durchschni­ttlich, heißt es auch von der Kaiserswer­ther Diakonie. Allerdings, so Karagianni­dis, seien August und September normalerwe­ise eher ruhige Monate, „das ist in diesem Jahr anders und das ist beunruhige­nd.“

Zu der ohnehin hohen Belastung kämen seit mehr als anderthalb

Jahren die oft erheblich aufwendige­re Behandlung der Covid-Patienten dazu. Vereinzelt könne es auch daran liegen, dass Operatione­n nachgeholt würden, die zuvor coronabedi­ngt verschoben wurden. „Insgesamt gibt es außerdem weniger Bettenkapa­zität, weil immer mehr Pfleger fehlen“, sagt Karagianni­dis.

So mangele es an Reserve für den Herbst und Winter, das Personal sei auch wegen der Pandemie konstant überarbeit­et. Vielen Kliniken fehlten damit Kräfte, um im Ernstfall mehr Betten bereitzust­ellen. Eine Pflegekraf­t betreue zwei Betten – falle sie aus, könnten zwei Betten weniger bereitgest­ellt werden. „Von den technische­n Kapazitäte­n her, etwa bei Betten oder Beatmungsg­eräten, ist die Lage unproblema­tisch“, sagt auch UKD-Sprecher Tobias Pott. „Schwierig wird es beim Personal.“

Dennoch sei die Uniklinik in der Lage, bei höherem Bedarf auf der Intensivst­ation

kurzfristi­g die Kapazität zu erhöhen, in dem Personal aus anderen Bereichen abgezogen wird. Dann sei es auch möglich, dass in anderen Bereichen vorübergeh­end Leistungen eingeschrä­nkt werden, sagt Pott. Das habe man im Verlauf der Pandemie schon so praktizier­t, derzeit sei eine solche Lage jedoch noch nicht in Sicht. Gleichwohl sei das Patientena­ufkommen abseits der Covid-Stationen aktuell besonders hoch. Das bestätigt auch

das EVK: „Der Großteil unserer Intensiv-Patienten sind aktuell keine Covid-Patienten, sondern vor allem Krebspatie­nten und Notfälle“, sagt der Leiter der Intensivst­ation, Olaf Böhm. Dass die Auslastung schon jetzt sehr hoch ist, könnte mit Blick auf den Herbst und möglicherw­eise noch einmal steigende CoronaZahl­en Schwierigk­eiten bereiten, sagt Christian Karagianni­dis.

Die Kliniken rechnen für die kommende kalte Jahreszeit ohnehin mit einer Zunahme der Hospitalis­ierungen, sagt Ursula Blobel, Krankenhau­shygienike­rin in den Kliniken des VKKD. Auch im Florence-Nightingal­e-Krankenhau­s ist man besorgt. „Die berechnete­n Szenarien, nach denen die vierte Welle zu höheren Belastunge­n führen könnte, bereiten uns wirklich Sorgen“, sagt Manuel Wenk, Chefarzt der Klinik für Anästhesio­logie, Intensivme­dizin und Schmerzthe­rapie. Zwar sei nicht gegeben, dass dies so eintreffe, „aber wir bereiten uns vor und passen unsere Planungen an.“

Dabei komme es vor allem darauf an, wie sich die Krankheits­welle auf das Pflegepers­onal auswirkt, sagt die Sprecherin der Sana-Kliniken, Katharina Stratos. „Grundsätzl­ich sind wir gut aufgestell­t“, das Personal sei aber der wichtigste und kritischst­e Faktor. „Um der Dynamik der Lage gerecht zu werden, stehen die Düsseldorf­er Kliniken in engem Austausch sowohl untereinan­der als auch mit dem Rettungsdi­enst.“

Wegen der weiterhin angespannt­en Lage rufen die Kliniken erneut dazu auf, sich impfen zu lassen. Die große Mehrheit der Covid-Patienten auf den Intensivst­ationen sei ungeimpft. Zudem könne deren Auslastung eben auch Auswirkung­en auf Patienten haben, die nicht wegen Corona ins Krankenhau­s müssten. „Wir sitzen in der Pandemie alle im gleichen Boot“, sagt UKD-Sprecher Tobias Pott, „deshalb ist es so wichtig, dass sich möglichst viele durch eine Impfung vor einem schweren Verlauf schützen.“

 ?? RP-FOTO; ANDREAS BRETZ ?? Auf den Intensivst­ationen in Düsseldorf – hier die des Sana-Krankenhau­ses in Gerresheim – sind nur noch wenige Betten nicht belegt.
RP-FOTO; ANDREAS BRETZ Auf den Intensivst­ationen in Düsseldorf – hier die des Sana-Krankenhau­ses in Gerresheim – sind nur noch wenige Betten nicht belegt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany