Mit einem Turnbeutel fing alles an
1400 Beamte schlagen gegen ein kriminelles Netzwerk zu. Es soll mit illegalen Transfers auch Terrorismus finanziert haben.
DÜSSELDORF Anfang Mai 2020 ermittelt die Polizei in einem Verkehrsunfall, der zunächst alltäglich erscheint. Ein Auto kommt auf der A61 von der Fahrbahn ab. Doch die Insassen verhalten sich verdächtig, in einem Turnbeutel im Wagen finden die Polizisten 300.000 Euro Bargeld. Die Ermittler stoßen von einer Spur auf die nächste und decken ein Netzwerk aus Geldwäsche, Schlägertrupps und illegalen Geschäften auf. Anderthalb Jahre nach dem Unfall schlagen sie zu. Am Mittwochmorgen fand die Razzia mit 1400 Beamten in 25 Städten in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Bremen statt. Es gibt 67 Verdächtige, elf von ihnen wurden festgenommen.
Die Liste der Straftaten, zu denen die Staatsanwaltschaft Düsseldorf ermittelt, ist lang: Es geht unter anderem um Geiselnahme, Drogenhandel, gewerbsmäßigen Bandenbetrug und Terrorfinanzierung. Im Zentrum des Netzwerks stand die Geldwäsche. Die Hauptverdächtigen
sind zwei Syrer, 42 und 44 Jahre alt, die jeweils in Düsseldorf und Mönchengladbach wohnen. Die zwei sollen zu den Köpfen des kriminellen Netzwerks gehören.
Dieses soll nach dem sogenannten Hawala-System funktioniert haben. Die Kunden in Deutschland und den Niederlanden machen Geldtransfers über illegale Büros, die sich etwa in Kiosken befinden. Dort zahlen sie Bargeld ein. Das Büro kontaktiert dann seine Partner in der Türkei oder Syrien, bestätigt die Transaktion, und die Gegenseite
erhält das Geld. Alles vorbei an Banken, ohne offizielle Dokumentation und innerhalb weniger Minuten. 140 Millionen Euro soll das Netzwerk ins Ausland verschoben haben. Die tatsächliche Summe dürfte deutlich höher liegen, hieß es von der Staatsanwaltschaft.
Das Geld stammt laut Ermittlern zu einem erheblichen Teil aus illegalen Geschäften oder wird genutzt, um solche auf der anderen Seite zu finanzieren. Dazu gehören zum Beispiel ein illegaler Lkw-Handel nach Jordanien, Drogenhandel, offenbar floss es auch in terroristische Zwecke. Bei einem der Verhafteten soll es sich um einen Terroristen der islamistischen Al-Nusra-Front handeln. Zwei weitere Verdächtige seien als islamistische Gefährder bekannt, vier als sogenannte relevante Personen des islamistischen Spektrums. NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) sagte am Mittwoch, die Razzia gehöre zu den größten Verfahren in seiner Amtszeit. „Das ist ein verdammt dickes Ding, das uns noch lange beschäftigen wird“, sagte der Innenminister.