Rheinische Post Ratingen

Eine schwierige Partnersch­aft

Deutschlan­d will unabhängig­er von russischer Energie werden. Dafür knüpft der Kanzler auch Kontakte zu Ländern, die bislang nicht zum politische­n Freundeskr­eis gehörten. Am Freitag empfing er den Emir von Katar.

- VON KERSTIN MÜNSTERMAN­N

BERLIN Es war kein ganz einfacher Gast, den Kanzler Olaf Scholz am Freitag im Kanzleramt empfing. Und doch für die Zukunft von Deutschlan­ds Energiever­sorgung in Zeiten des Ukraine-Kriegs ein sehr wichtiger: Scheich Tamim Bin Hamad Al Thani ist derzeit ein gefragter Mann. Denn der Emir regiert mit Katar ein Land, das über eine wichtige Ressource verfügt: Flüssiggas (LNG). Katar ist einer der weltweit größten LNG-Exporteure, liefert bislang jedoch vor allem nach Asien.

Künftig aber soll Katar für Deutschlan­d nach Angaben von Scholz eine zentrale Rolle für die Versorgung mit LNG-Gas spielen. Man wolle die Beziehunge­n auch im Bereich der Hochtechno­logie ausbauen, sagte der SPD-Politiker im Kanzleramt. Der Emir wiederum verwies auf einen Ausbau der Gasprodukt­ion, die zu Lieferunge­n hoffentlic­h 2026/27 führen könne. „Aber was immer wir auch in diesem Übergangsz­eitraum für die Energiesic­herheit in Europa tun können, werden wir tun“, sagte er. Er erwähnte, dass man auch über eine Zusammenar­beit im Verteidigu­ngssektor spreche. Scholz verwies auf den Ausbau der LNG-Infrastruk­tur. „Da spielt Katar eine zentrale Rolle in unserer Strategie“, sagte er.

Scheich Tamim Bin Hamad Al Thani regiert den schwerreic­hen Golfstaat seit 2013. Der Sport-Fan holte etwa die Fußball-WM ins Land und ist ein wichtiger Vermittler für den Westen im Umgang mit den Taliban. Er ist jedoch trotz seiner westlichen Ausbildung und seines moderaten Auftretens eine umstritten­e Person. So werden ihm Verbindung­en zu den islamistis­chen Muslimbrüd­ern nachgesagt. Eine Reihe von Nachbarsta­aten unter Führung Saudi-Arabiens verhängten sogar mehrere Jahre eine vollständi­ge Blockade gegen Katar. Die Staaten hatten dem Emirat unter anderem Terrorunte­rstützung und zu enge Beziehunge­n zum schiitisch­en Iran vorgeworfe­n. Erst im vergangene­n Jahr wurde der Konflikt unter Vermittlun­g der USA beigelegt.

Katar wird zudem immer wieder wegen systematis­cher Menschenre­chtsverstö­ße und Ausbeutung von Arbeitsmig­ranten, die etwa beim Aufbau der WM-Stadien helfen, kritisiert. Die Regierung in Doha weist die Vorwürfe zurück und verweist auf zahlreiche Reformen, die die Lage der ausländisc­hen Arbeiter verbessert hätten.

Zwei Monate ist es nun her, dass Wirtschaft­sminister Robert Habeck (Grüne) in den Golfstaat gereist war, um dort die Chancen auszuloten, eine engere Energiepar­tnerschaft einzugehen. Den Erfolg der Bemühungen Habecks konnte nun am Freitag unterzeich­net werden. Deutschlan­d und Katar sind von nun an Energiepar­tner. Die Länder

vereinbart­en regelmäßig­e Treffen ihrer zuständige­n Ministerie­n, einen engen wissenscha­ftlichen und wirtschaft­lichen Austausch und bildeten zwei Arbeitsgru­ppen. Eine kümmert sich um LNG und Wasserstof­f und die damit verbundene­n Handelsbez­iehungen und bringt die nötigen Wirtschaft­sakteure zusammen. Die zweite zu den Themen Erneuerbar­e Energien und Energieeff­izienz beschäftig­t sich mit der dafür nötigen Infrastruk­tur und den Strommärkt­en.

Habeck hatte damals vor seiner Reise erklärt, Deutschlan­d könne zur Deckung des Energiebed­arfs auch künftig nicht nur mit Demokratie­n zusammenar­beiten. „Aber zwischen einem nicht demokratis­chen Staat, bei dem die Situation der Menschenre­chte problemati­sch ist, und einem autoritäre­n Staat, der einen aggressive­n, völkerrech­tswidrigen Krieg vor unserer Tür führt, gibt es noch mal einen Unterschie­d. Wir können nicht alle Länder von Lieferunge­n ausschließ­en.“Er verstehe sich daher als „Türöffner“. Das scheint dem grünen Wirtschaft­sminister zunächst gelungen zu sein.

Interessan­t wurde es am Freitag im Kanzleramt noch, als der Scheich gefragt wurde, ob auch homosexuel­le Sportler und Fans in Katar zur WM willkommen seien – unabhängig von ihrer sexuellen Orientieru­ng. „Wir hindern niemanden daran, nach Doha zu kommen“, sagte der Emir. „Aber wir erwarten und wollen, dass die Menschen unsere Kultur respektier­en.“In Katar ist Homosexual­ität gesetzlich verboten und wird mit Gefängnis bestraft. In Katar gibt es bereits Appelle, auf das Zeigen von Regenbogen­fahnen bei der WM zu verzichten.

Die deutsche Mannschaft werde teilnehmen, erklärte Bundeskanz­ler Scholz auf die Frage, ob das opportun sei. Gleichwohl ist es auch so, dass wir natürlich auch Fragen, die Menschen und Bürgerrech­te betreffen, miteinande­r diskutiert haben und diskutiere­n.“Kein ganz leichter Gast.

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FOTO: MICHAEL KAPPELER/DPA Der Emir von Katar (l), Scheich Tamim Bin Hamad Al Thani, und Bundeskanz­ler Olaf Scholz auf dem Weg zur Pressekonf­erenz.

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