EU beunruhigt über Affenpocken „Es war nur eine Frage der Zeit“
Das Virus aus Afrika ist jetzt auch in Deutschland nachgewiesen worden.
BRÜSSEL Eine eindeutige Dynamik begleitet die Ausbreitung einer Infektionskrankheit auch in Europa. Am Freitagmorgen schien zunächst nur Portugal als einziges EU-Land von Erkrankungen mit Affenpocken betroffen zu sein. Am Nachmittag wurden bereits bestätigte Fälle auch aus Frankreich, Belgien, Schweden, Italien und Deutschland gemeldet. Die Bundeswehr-Uni in München stellte das Virus bei einem 26-jährigen Brasilianer fest, der zuvor in Portugal, Spanien, Düsseldorf und Frankfurt gewesen war. Die Krankheit ist deutlich weniger ansteckend als Corona, verläuft in der Regel glimpflich mit Fieber und für Pocken typischen Pusteln, kann jedoch auch tödlich enden.
Die EU beobachte die Entwicklung sehr genau und stehe in engem Austausch mit den betroffenen Mitgliedsstaaten. In der nächsten Woche werde es ein Sondertreffen der Verantwortlichen geben, kündigte ein Sprecher der Kommission an. Das Europäische Zentrum für Krankheitsprävention (ECDC) will am Montag aktualisierte Risikobewertungen vorlegen.
Die bisher bestätigten Fälle belegten die bekannten Haupt-Ansteckungsrisiken: Reisen und Sex. Danach springt die Krankheit vor allem in Zentral- und Westafrika von Nagetieren auf Menschen über. Eine Übertragung von Mensch zu
Mensch ist selten, kommt vor allem bei Sexualkontakten vorwiegend zwischen Männern vor. Die Viren können über Körperflüssigkeiten, Ausscheidungen und den Verzehr erkrankter Tiere weitergegeben werden. Eine Übertragung über die Atemwege ist offenbar selten. Von den in Afrika vorkommenden Virusinfektionen enden bei verschiedenen Varianten zwischen einem und zehn Prozent tödlich. Vor allem jüngere Erkrankte sind von tödlichen Verläufen betroffen.
„Es war nur eine Frage der Zeit, bis Affenpocken auch in Deutschland nachgewiesen werden“, sagte Gesundheitsminister Karl Lauterbach zu dem Fall in München. Er gehe nicht davon aus, dass es in Deutschland aktuell eine große Dunkelziffer gebe. Das Virus sei nicht so leicht übertragbar, deshalb könne der Ausbruch eingegrenzt werden. Lauterbach
geht vorerst davon aus, dass in Deutschland die weniger schwer verlaufende westafrikanische Variante aufgetreten ist, nicht die tödlichere Kongo-Variante. Wegen der langen Inkubationszeiten zwischen sieben und 21 Tagen dürfte jedoch erst mit Verzögerung das tatsächliche Ausmaß der Affenpocken-Verbreitung außerhalb Afrikas sichtbar werden.
Wie die ECDC erläuterte, beginnen Affenpocken-Erkrankungen oft mit einer Kombination aus verschiedenen Symptomen. Dazu gehörten Fieber, Kopfschmerzen, Schüttelfrost, Erschöpfung, Kraftlosigkeit, anschwellende Lymphknoten, Rückenbeschwerden und Muskelschmerzen. Gewöhnlich zeige sich dann nach ein bis drei Tagen ein Hautausschlag, der sich vom Gesicht aus auf den gesamten Körper ausdehnen könne. Es komme zur Bildung von Pusteln, Schorf, Bläschen und Krusten. Die Hautflecken reichten von einigen wenigen bis zu Tausenden.
„Nach Covid-19 sind Affenpocken das nächste besorgniserregende Beispiel von sich über Grenzen hinaus ausbreitenden Zoonosen, also der Übertragung zwischen Tier und Mensch“, sagte die Grünen-Gesundheitsexpertin Jutta Paulus unserer Redaktion. Es sei richtig, dass sich Infizierte in Quarantäne begäben, Kontakte verfolgt würden und Risikokontakte die Möglichkeit zur Pockenimpfung erhielten.
Karl Lauterbach Bundesgesundheitsminister, zum Nachweis von Affenpocken in Deutschland