Umweltministerium will mehr Ackerfläche für Nahrungsmittel
Ressortchefin Steffi Lemke möchte die Anreize für den Einsatz von Biokraftstoffen im Verkehrssektor reduzieren. Dafür muss sie viel Kritik einstecken.
BERLIN Geht es nach Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne), soll Biosprit aus Mais, Soja und Co. künftig komplett aus dem Tank verschwinden. Nun hat die Ministerin ihre Pläne gegen harsche Kritik von Kraftstoffherstellern und Landwirten verteidigt: „Mit Blick auf steigende Lebensmittelpreise und drohende Hungerkrisen in vielen Ländern ist es schwer zu verantworten, dass wir Agrokraftstoffe im Motor verbrennen, die aus Nahrungspflanzen entstehen“, sagte Lemke. Agrarflächen seien weltweit begrenzt, ergänzte sie und forderte: „Wir sollten diese Flächen für die Ernährung nutzen, nicht für den Tank“, so die Umweltministerin.
Gemeinsam mit Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (ebenfalls Grüne) plädiert sie dafür, dass die Bundesregierung mittelfristig der Produktion von Agrokraftstoffen aus
Nahrungs- und Futtermittelpflanzen keinen Anreiz mehr geben sollte. Bis zum Jahr 2030 soll nach ihrem Willen der Ausstieg komplett erfolgt sein. Erst am vergangenen Freitag hatten sich auch die Umweltminister der Länder per Beschluss für die Reduktion von pflanzenbasiertem Biosprit ausgesprochen. Allein in Deutschland würden 2,4 Millionen Tonnen Futter- und Lebensmittel eingesetzt, um Bioethanol als Kraftstoffbeimischung zu produzieren, hieß es dazu.
Lemke verwies zudem auf Auswirkungen des Ukraine-Kriegs, die nun auch in Deutschland bemerkbar würden: „Rapsöl zum Beispiel ist in erster Linie ein Lebensmittel. Wenn wie zuletzt den Supermärkten das Sonnenblumenöl ausgeht, dann kann Rapsöl aus Deutschland die Lücke füllen.“Kritik aus dem Verkehrsministerium von Volker Wissing (FDP), dass man auf die Beimischung von Biokraftstoffen
angewiesen sei, um die Klimaziele im Verkehrssektor eher erreichen zu können, wies Lemke zurück: „Deutschlands Klimaziele im Verkehr erreichen wir in erster Linie mit Elektromobilität, nicht mit Kraftstoffen aus Getreide, Mais oder Raps.“Der Anbau von Energiepflanzen gehe weltweit zu Lasten von natürlichen CO2-Senken, etwa Wäldern und Mooren. „Denn die Agrarflächen für Kraftstoffe fallen für die Produktion von Lebensmitteln weg. Sobald der Bedarf an Getreide und Mais steigt, werden Naturflächen urbar gemacht“, sagte Lemke. Damit reagierte sie auf einen Vorstoß aus der EU, Brachflächen kurzfristig für den Nahrungsmittelanbau zu nutzen, um die Folgen des Ukraine-Kriegs abzumildern. „Das kann nicht unser Weg sein. Funktionierende Ökosysteme sind eine zentrale Basis für den Klimaschutz. Daher brauchen wir Alternativen zu Benzin und Diesel, die wirklich nachhaltig sind“, sagte Lemke. Neben Strom für Elektroautos könnten Mineralölkonzerne ihre Verpflichtungen zur CO2-Minderung unter anderem auch durch Biokraftstoffe aus Abfällen oder durch grünen
Wasserstoff erfüllen. Den Umstieg werde man schrittweise so gestalten, dass sich die Industrie darauf einstellen könne, versicherte Lemke.
Der Deutsche Bauernverband lehnt die Pläne weiterhin ab. Verbandspräsident Joachim Rukwied sagte: „Die Strategie des Bundesumweltministeriums, Biokraftstoffe wieder abzuschaffen, schadet dem Klima und füllt höchstens die Kassen südamerikanischer Sojaerzeuger. Außerdem erhöht ein Ausstieg die Abhängigkeit von Erdölimporten.“Biokraftstoffe würden erheblich zum Klimaschutz im Verkehrssektor beitragen. „Da bei ihrer Verbrennung nur das Kohlendioxid frei wird, das die Pflanzen zuvor im Wachstum gebunden haben, reduzieren Biokraftstoffe TreibhausgasEmissionen im Verkehr“, sagte Rukwied. Aus Sicht der Landwirtschaft gebe es weitere Vorteile: „Mit aufgelockerten Fruchtfolgen schonen wir die Böden, erzeugen selbst Eiweißfuttermittel und stärken die heimische Wertschöpfung. Biokraftstoffanbau bedeutet: für den Tank und über den Trog auf den Teller“, so Rukwied.