Rheinische Post Ratingen

Namur – die sanfte Hauptstadt der Wallonie

Die 110.000-EinwohnerS­tadt ist eine prosperier­ende City voller Kultur, Geschichte und ausgezeich­neter Gastronomi­e.

- VON ROLF MINDERJAHN

Die sehenswert­e Stadt am Zusammenfl­uss von Sambre und Maas mit rund 110.000 Einwohnern könnte man mit vielen Titeln schmücken. Man sagt beispielsw­eise, dass in Namur noch ein Touch genussreic­her gelebt wird, als es in der Wallonie generell schon üblich ist. Vielleicht liegt das an den hervorrage­nden lokalen Spezialitä­ten wie Käse, Senf, Schnecken, edlen Produkten aus Entenfleis­ch, Konfitüren, Confiserie­n, Spezial- und Abteibiere­n, Karamellbo­nbons (Biétrumé) und neuerdings wieder Weinen von den Hängen des Maastals.

Oder aber auch die spezielle Eigenschaf­t der Schnecke, das Wappen der Stadt Namur, die die Langsamkei­t der „Namuroiser“Ureinwohne­r symbolisie­rt, hat ihren Anteil daran. Man findet die P’titsgris Namurois, wie man hier die Schnecken nennt, auf vielen Speisekart­en der Restaurant­s und Brasserien in der Stadt. Die Place Marché aux Légumes ist ein Treffpunkt der Jugend. Café reiht sich an Café, Terrasse an Terrasse. In den Gassen ringsum schicke Läden, kleine Restaurant­s und Bistros. Frankophon­es Urlaubsfla­ir umgibt den Besucher, man riecht es förmlich.

Es duftet um die Essenszeit, die hier oft länger dauert als gemeinhin üblich, herrlich aromatisch aus den Küchen und guten Stuben. Gefeiert wird im Sommer an den Quais wie auf der Landspitze am Zusammenfl­uss von Sambre und Maas auf Liegestühl­en und an Bars. 2020 wurde der mitten in der Altstadt gelegene Gebäudekom­plex „Les Bateliers“zum modernen Archäologi­eund Kunstgewer­be-Museum mit reichen Sammlungen umgewandel­t.

Man kann sich auf vielerlei Arten in der charmanten Stadt bewegen. Namur entschleun­igt, beispielsw­eise mit der Namurette, einem kleinen Walfangboo­t im Retro-Stil oder mit der hübschen „Pousse-Pousse“, einer Rikscha, über drei verschiede­ne Routen durch die Altstadt mit Erläuterun­gen untermalt. Oder aber man nimmt die nagelneue Kabinensei­lbahn, die seit Sommer 2021 auf die Esplanade der Zitadelle hinauffähr­t. Der Blick dabei ist atemberaub­end.

Die Besichtigu­ng der Stadt, die architekto­nisch wie kulturell gleich viel zu bieten hat, lässt sich gut dort oben beginnen – auf dem Hügel Champeau. Die terrassena­rtige Silhouette Namurs im Schatten der Festungsan­lagen über dem Zusammenfl­uss von Maas und

Sambre könnte die Schöpfung eines Bildhauers sein. Ab dem 16. Jahrhunder­t wuchs Namur zur bedeutende­n militärisc­hen Bastion heran – und schließlic­h gar zur größten Festungsst­adt Europas. Viele Zerstörung­en zogen einen umfangreic­hen Wiederaufb­au im 18. Jahrhunder­t nach sich, den das heutige Stadtbild wiedergibt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde sie als Hauptstadt der Wallonie eine prosperier­ende Stadt voller Kultur, Geschichte und moderner Elemente.

Die Zitadelle wurde seit ihrer Erbauung stets vom Militär genutzt, bis 1978. Seitdem ist sie dem Tourismus vorbehalte­n. Besichtigt werden können die unterirdis­chen Gänge (sieben

Kilometer) und verschiede­ne Ausstellun­gsräume der Artillerie. Neu ist das touristisc­he Informatio­nszentrum Terra Nova in der ehemaligen Kaserne. Es zeigt anhand der Geschichte von Namur und seiner Zitadelle 2000 Jahre europäisch­e Stadt- und Militärges­chichte.

Beim Erkunden der Festung offenbart sich so manche Entdeckung. Vor allem, wenn man an der Schwelle zum Showroom über eine Parfümmanu­faktur ins Staunen gerät. In der Tat ist hier oben seit 1990 das Refugium von Guy Delforge, dem Schöpfer feiner Essenzen aus Namur. Er hat die alte Offiziersm­esse restaurier­t. Die Parfüms entstehen und reifen in den ehemaligen Kasematten der Zitadelle aus dem 16. Jahrhunder­t, die man auf einem spannenden Rundgang besichtige­n kann.

Wer fit genug ist, kann den Weg auf die Festung zu Fuß zurücklege­n. Bis auf den höchsten Punkt führt aber auch eine Straße, die nicht nur mit dem Auto, sondern auch mit dem Shuttlebus von Namur Zentrum aus erreichbar ist. In jedem Fall wird man von der Terrasse des Lokals Le Panorama mit einem fantastisc­hen Fernblick bis weit hinunter ins Maastal Richtung Wépion belohnt.

Ein Tipp für eine Übernachtu­ng in Namur: die Villa Balat, eines der schönsten Gebäude der Stadt mit stilvollem Ambiente, herrlichen Salons, Zimmern und Garten. Dieses romantisch­e Bed & Breakfast-Hotel liegt direkt am Zusammenfl­uss von Maas und Sambre an der neuen Fußgängeru­nd Radfahrerb­rücke „L‘Enjambée“zwischen Jambes und Namur City.

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FOTO: ROLF MINDERJAHN Ab dem 16. Jahrhunder­t wuchs Namur zur bedeutende­n militärisc­hen Bastion heran – und schließlic­h gar zur einst größten Festungsst­adt Europas.
 ?? FOTO: DENIS CLOSON ?? Mit einer Kabinensei­lbahn können Besucher seit Sommer 2021 auf die Esplanade der Zitadelle hinauffahr­en – und dabei auch die tolle Aussicht genießen.
FOTO: DENIS CLOSON Mit einer Kabinensei­lbahn können Besucher seit Sommer 2021 auf die Esplanade der Zitadelle hinauffahr­en – und dabei auch die tolle Aussicht genießen.
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