Das Neun-Euro-Ticket ist Geldverschwendung
Es hat niemand etwas dagegen, in diesem Sommer für neun Euro im Monat mit Bus und Bahn zu fahren. Es hat auch niemand etwas gegen Freibier. Die Nachteile sind bei Bier, Bus und Bahn gleich: Irgendwer anders muss zahlen – und nach kurzer Zeit steht man wieder vor denselben Problemen.
Wenn die Politik den Nahverkehr wirklich stärken wollte, müsste sie dessen strukturelle Schwächen angehen. Die Finanzierung liegt bislang zu großen Teilen in den Händen der Kommunen. Die sollen derzeit, geschwächt wegen Corona, auch noch hohe Investitionen für einen besseren Nahverkehr stemmen, um eine Verkehrswende voranzubringen.
Das ist schon für das reiche Düsseldorf ein Milliarden-Kraftakt, für die finanzschwachen Ruhrgebietsstädte etwa aber nicht zu schaffen.
Ganz zu schweigen von den brutalen Steigerungen der Energiepreise, die auch die Verkehrsunternehmen treffen. Die Folgen sind überall in der Region zu erleben: veraltete Fahrzeuge, geringe Taktung und andere totsichere Mittel, die Liebe der Menschen zu ihrem Pkw zu stärken.
Hier müsste der Bund stärker einspringen. Stattdessen erzeugt er mit Milliarden-Aufwand die Illusion, das größte Problem des ÖPNV seien zu hohe Preise. Das Tarifsystem mag ungerecht, unflexibel und unübersichtlich sein, und jeder zahlt gern weniger. Aber wer zuletzt mal eine Tankfüllung fürs Auto berappen musste, kann über einen Monat Mobilität für 71,13 Euro (Ticket 1000 im Abo in Düsseldorf) nur lächeln. Das ist ein akzeptabler Preis fürs tägliche Pendeln – wenn das Angebot stimmt. Und mit dem Sozialticket gibt es einen speziellen Tarif für Bedürftige. Wichtiger als ein Kurzzeit-Rabatt wären in dieser Hinsicht bessere Angebote für Gelegenheitsfahrer.
Dazu kommt: Für die Verkehrsunternehmen sind die FahrgeldEinnahmen ein unerlässlicher Beitrag zur Finanzierung ihres Angebots, das trotzdem nur durch hohe Transferzahlungen möglich ist. Würde die Monatskarte dauerhaft nur neun Euro kosten, müsste die öffentliche Hand mit Milliarden einspringen. Dieses Geld wäre besser investiert in einen modernen und komfortablen Nahverkehr, der dem Auto auf mehr Strecken Konkurrenz macht.
Einen nachhaltigen Nutzen könnte der Rabatt aber haben. Vielleicht wird er die vielen Menschen, die durch Corona die Lust auf Bus und Bahn verloren haben, wieder zum Abo zurückführen. Das wäre ein Erfolg für die Rheinbahn und ihre Partnerbetriebe in anderen Städten, denen der Abschied vieler Pendler ein großes Loch in die Kasse reißt. Das ist nicht ausgeschlossen. Ein solcher Anreiz wäre aber erheblich stärker, wenn die Politik nicht zeitgleich die Spritpreise senken würde. Ausgerechnet zum Start des Neun-Euro-Tickets werden Schlangen vor den Tankstellen erwartet. Das lässt nicht erwarten, dass der 1. Juni ein Freudentag für den Nahverkehr wird.