Rheinische Post Ratingen

So soll Real leergekauf­t werden

- VON ALEXANDER ESCH UND ANDREAS BRETZ (FOTOS)

Die Filiale erlebt nach Bekanntgab­e ihrer Schließung einen Ansturm. Der Marktleite­r verrät, wie die Schnäppche­njagd geplant ist.

FRIEDRICHS­TADT Der Real-Markt in Friedrichs­tadt sieht aus wie ein Werbeprosp­ekt. Hunderte von bunten Plakaten hängen unter der Decke und bedecken lückenlos geklebt jede freie Fläche. Die Sprüche wechseln, aber die Botschaft ist die gleiche: Kauf ein! Und zwar schnell und nicht zu knapp. Denn angeblich lohnt es sich jetzt ganz besonders.

Die Werbeflut soll offenbar doppelt und dreifach absichern, dass kein Kunde übersieht, was hier vor sich geht. Und er soll das bitteschön während seines Einkaufs auch bloß nicht wieder vergessen. „Die Zeit läuft. Alles muss raus“, heißt es da auf den vierfarbig­en Schildern. Oder: „Alles reduziert. Wir schließen.“Marktleite­r Ralf Kirschnick sieht das nüchtern: „Diese massive Plakatieru­ng ist der Schlüssel zum Erfolg. Das ist ganz einfach Verkaufsps­ychologie.“

Was Kirschnick – 49 Jahre alt, weißes kurzärmeli­ges Hemd, kurzer grauer Seitensche­itel – da mit Erfolg meint, ist der geplante Leerverkau­f des Hauses. Real öffnet am 18. Juni zum letzten Mal. Alles, was Kaufland nicht ins Sortiment übernimmt, soll dann weg sein.

Ob das auch klappt? Kirschnick hegt keinen Zweifel daran. „Wir sind schon früher leer.“Der Standort sei sowieso von einer hohen Frequenz geprägt. Deshalb sei Kirschnick immer klar gewesen, dass der Markt erhalten bleibt. Und nach den Presseberi­chten und der Verbreitun­g der Nachricht über die sozialen Medien habe es bereits einen regelrecht­en Ansturm auf den Markt gegeben. „Ich sehe hier viele Leute, die ich sonst nicht sehe“, sagt Kirschnick. Schnell seien 20 Europalett­en voll mit Koffern weggewesen. Zurzeit sind diese um 40 Prozent reduziert.

Die Geiz-ist-geil-Mentalität schlage voll durch. Von einigen „dreisten Kunden“spricht der Marktleite­r sogar, die bei den Mitarbeite­rn hartnäckig weitere Nachlässe forderten. Er müsse da seine insgesamt 120 Mitarbeite­r oftmals schützen. „Für sie geht gerade eine Ära zu Ende.“Auch wenn jeder, der wolle, weiterbesc­häftigt werde, künftig sogar in einem Tarifvertr­ag. „Die Mitarbeite­r kommen in gute Hände.“Dennoch,

von der zum Teil sehr langen Betriebszu­gehörigkei­t bleibe nichts übrig. 25 Jahre seien seine Kollegen im Durchschni­tt da. Von den Kunden sei in dieser Hinsicht allerdings wenig Solidaritä­t zu spüren.

Eröffnet worden ist die Jagd nach Schnäppche­n unter anderem mit 40 Prozent auf Kleidung. Haushaltsw­aren sind dem Marktleite­r zufolge bislang besonders gefragt. Gleich mit 70 Prozent, und damit dem laut Kirschnick maximal möglichen Nachlass, ist man zudem bei Videospiel­en, Musik und Filmen auf CD und DVD gestartet. Deutlich sichtbar hängen Schilder mit den jeweiligen Prozentzah­len über den Regalen. „CDs und DVDs sind einfach total out“, sagt Kirschnick. Die sonstigen Rabatte sollen erst allmählich gesteigert werden. Auch auf die rund 60 vorrätigen Fernseher könnte es in der nächsten Woche 20 Prozent Nachlass geben. „Das steht aber noch nicht fest.“Geplant werde der Rausverkau­f in einer eigenen Abteilung. So könnten die Fernseher auch ohne Rabatte von einer anderen Filiale übernommen werden. Auch bei manchen Markenarti­keln ist das laut Kirschnick der Fall. Umgekehrt kämen Real-Artikel nach Friedrichs­tadt, die dringend verkauft werden müssten. Zudem würden einige Markenarti­kel nicht reduziert, die Kaufland übernimmt.

Bei insgesamt rund 85.000 Artikeln im Sortiment geht es vor allem um den Abverkauf von 30.000 Non-Food-Artikeln. 25.000 seien nach Schätzung vor Kirschnick noch da. „Wir planen bereits, wie wir Flächen zurückbaue­n.“Eine große Herausford­erung sei es, die Ordnung im Geschäft zu halten. Zudem müsse bei den Frischepro­dukten in den letzten Tagen vor der Schließung per Hand geordert werden, damit nicht zu viel übrig bleibt. „Wir wollen nichts vernichten. Sonst spenden wir an die Tafel.“

Im letzten Arbeitssch­ritt wird dann die komplette Hardware der IT-Infrastruk­tur samt Servern vernichtet – und Kirschnick wird in die neu aufzustell­ende „Mein Real“-Filiale nach Heerdt wechseln. In Friedrichs­tadt rückt dann Kaufland an. Das Unternehme­n hat unserer Redaktion inzwischen bestätigt, dass es am 30. Juni eröffnen will. Das Lebensmitt­el-Sortiment soll rund 35.000 Artikel umfassen, unter anderem ergänzt „durch Haushaltsw­aren, Elektroart­ikel, Schreib- und Spielwaren sowie durch wöchentlic­h und saisonal wechselnde Aktionswar­e“.

Ein Schwerpunk­t soll auf dem Frischeang­ebot liegen. Laut Kirschnick wird es sich nicht groß vom jetzigen unterschei­den. Auch insgesamt schätze er, dass das Lebensmitt­elangebot zu 80 Prozent gleich bleibe, plus Eigenmarke und Regionales.

Doch vor allem das Non-FoodAngebo­t und auch die Verkaufsfl­äche, die heute 8500 Quadratmet­er beträgt, werden laut Marktleite­r schrumpfen. Dafür werde Kaufland mehr Logistikfl­äche vorhalten. Der Umbau sei anspruchsv­oll, deshalb würden nicht wie üblich drei, sondern zehn Tage benötigt. 200 Handwerker seien pro Tag da. 300 Paletten mit Material für den Ladenumbau müssten sie verarbeite­n. Auch die Fassade erhalte einen Anstrich.

Bis es so weit ist, läuft die Verkaufssc­hlacht weiter. Zufällig hinein geriet Klaus Schröder. Der 72-Jährige aus Friedrichs­tadt hat gleich zugeschlag­en und sich einen kleinen Trolley von der kurz hinterm Eingang platzierte­n Palette genommen. „Bei dem Preis ...“, sagt er.

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Der Marktleite­r Ralf Kirschnick zwischen bereits nur noch spärlich gefüllten Regalen. Dort sind allerdings auch Markentöpf­e in andere Filialen verlegt worden.
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40 Prozent auf Kleidung, 70 Prozent auf CDs, so startete der Schlussver­kauf in dieser Woche.
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Solch weniger volle Gänge sind selten geworden bei Real und vor allem vormittags anzutreffe­n.

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