So soll Real leergekauft werden
Die Filiale erlebt nach Bekanntgabe ihrer Schließung einen Ansturm. Der Marktleiter verrät, wie die Schnäppchenjagd geplant ist.
FRIEDRICHSTADT Der Real-Markt in Friedrichstadt sieht aus wie ein Werbeprospekt. Hunderte von bunten Plakaten hängen unter der Decke und bedecken lückenlos geklebt jede freie Fläche. Die Sprüche wechseln, aber die Botschaft ist die gleiche: Kauf ein! Und zwar schnell und nicht zu knapp. Denn angeblich lohnt es sich jetzt ganz besonders.
Die Werbeflut soll offenbar doppelt und dreifach absichern, dass kein Kunde übersieht, was hier vor sich geht. Und er soll das bitteschön während seines Einkaufs auch bloß nicht wieder vergessen. „Die Zeit läuft. Alles muss raus“, heißt es da auf den vierfarbigen Schildern. Oder: „Alles reduziert. Wir schließen.“Marktleiter Ralf Kirschnick sieht das nüchtern: „Diese massive Plakatierung ist der Schlüssel zum Erfolg. Das ist ganz einfach Verkaufspsychologie.“
Was Kirschnick – 49 Jahre alt, weißes kurzärmeliges Hemd, kurzer grauer Seitenscheitel – da mit Erfolg meint, ist der geplante Leerverkauf des Hauses. Real öffnet am 18. Juni zum letzten Mal. Alles, was Kaufland nicht ins Sortiment übernimmt, soll dann weg sein.
Ob das auch klappt? Kirschnick hegt keinen Zweifel daran. „Wir sind schon früher leer.“Der Standort sei sowieso von einer hohen Frequenz geprägt. Deshalb sei Kirschnick immer klar gewesen, dass der Markt erhalten bleibt. Und nach den Presseberichten und der Verbreitung der Nachricht über die sozialen Medien habe es bereits einen regelrechten Ansturm auf den Markt gegeben. „Ich sehe hier viele Leute, die ich sonst nicht sehe“, sagt Kirschnick. Schnell seien 20 Europaletten voll mit Koffern weggewesen. Zurzeit sind diese um 40 Prozent reduziert.
Die Geiz-ist-geil-Mentalität schlage voll durch. Von einigen „dreisten Kunden“spricht der Marktleiter sogar, die bei den Mitarbeitern hartnäckig weitere Nachlässe forderten. Er müsse da seine insgesamt 120 Mitarbeiter oftmals schützen. „Für sie geht gerade eine Ära zu Ende.“Auch wenn jeder, der wolle, weiterbeschäftigt werde, künftig sogar in einem Tarifvertrag. „Die Mitarbeiter kommen in gute Hände.“Dennoch,
von der zum Teil sehr langen Betriebszugehörigkeit bleibe nichts übrig. 25 Jahre seien seine Kollegen im Durchschnitt da. Von den Kunden sei in dieser Hinsicht allerdings wenig Solidarität zu spüren.
Eröffnet worden ist die Jagd nach Schnäppchen unter anderem mit 40 Prozent auf Kleidung. Haushaltswaren sind dem Marktleiter zufolge bislang besonders gefragt. Gleich mit 70 Prozent, und damit dem laut Kirschnick maximal möglichen Nachlass, ist man zudem bei Videospielen, Musik und Filmen auf CD und DVD gestartet. Deutlich sichtbar hängen Schilder mit den jeweiligen Prozentzahlen über den Regalen. „CDs und DVDs sind einfach total out“, sagt Kirschnick. Die sonstigen Rabatte sollen erst allmählich gesteigert werden. Auch auf die rund 60 vorrätigen Fernseher könnte es in der nächsten Woche 20 Prozent Nachlass geben. „Das steht aber noch nicht fest.“Geplant werde der Rausverkauf in einer eigenen Abteilung. So könnten die Fernseher auch ohne Rabatte von einer anderen Filiale übernommen werden. Auch bei manchen Markenartikeln ist das laut Kirschnick der Fall. Umgekehrt kämen Real-Artikel nach Friedrichstadt, die dringend verkauft werden müssten. Zudem würden einige Markenartikel nicht reduziert, die Kaufland übernimmt.
Bei insgesamt rund 85.000 Artikeln im Sortiment geht es vor allem um den Abverkauf von 30.000 Non-Food-Artikeln. 25.000 seien nach Schätzung vor Kirschnick noch da. „Wir planen bereits, wie wir Flächen zurückbauen.“Eine große Herausforderung sei es, die Ordnung im Geschäft zu halten. Zudem müsse bei den Frischeprodukten in den letzten Tagen vor der Schließung per Hand geordert werden, damit nicht zu viel übrig bleibt. „Wir wollen nichts vernichten. Sonst spenden wir an die Tafel.“
Im letzten Arbeitsschritt wird dann die komplette Hardware der IT-Infrastruktur samt Servern vernichtet – und Kirschnick wird in die neu aufzustellende „Mein Real“-Filiale nach Heerdt wechseln. In Friedrichstadt rückt dann Kaufland an. Das Unternehmen hat unserer Redaktion inzwischen bestätigt, dass es am 30. Juni eröffnen will. Das Lebensmittel-Sortiment soll rund 35.000 Artikel umfassen, unter anderem ergänzt „durch Haushaltswaren, Elektroartikel, Schreib- und Spielwaren sowie durch wöchentlich und saisonal wechselnde Aktionsware“.
Ein Schwerpunkt soll auf dem Frischeangebot liegen. Laut Kirschnick wird es sich nicht groß vom jetzigen unterscheiden. Auch insgesamt schätze er, dass das Lebensmittelangebot zu 80 Prozent gleich bleibe, plus Eigenmarke und Regionales.
Doch vor allem das Non-FoodAngebot und auch die Verkaufsfläche, die heute 8500 Quadratmeter beträgt, werden laut Marktleiter schrumpfen. Dafür werde Kaufland mehr Logistikfläche vorhalten. Der Umbau sei anspruchsvoll, deshalb würden nicht wie üblich drei, sondern zehn Tage benötigt. 200 Handwerker seien pro Tag da. 300 Paletten mit Material für den Ladenumbau müssten sie verarbeiten. Auch die Fassade erhalte einen Anstrich.
Bis es so weit ist, läuft die Verkaufsschlacht weiter. Zufällig hinein geriet Klaus Schröder. Der 72-Jährige aus Friedrichstadt hat gleich zugeschlagen und sich einen kleinen Trolley von der kurz hinterm Eingang platzierten Palette genommen. „Bei dem Preis ...“, sagt er.