Rheinische Post Ratingen

Auf der Jagd nach Steuersünd­ern

Steuerfahn­der suchen nach Geld – Geld, das Menschen absichtlic­h nicht an den Staat gezahlt haben. Dazu müssen die Ermittler der Finanzbehö­rden manchmal sogar lernen, wie Spielautom­aten funktionie­ren.

- VON SABINE MEUTER

Betrügern immer dicht auf den Fersen, das ist der Beruf von Ellen Moser. Nein, bei der Polizei arbeitet die Frau aus dem Raum Stuttgart nicht. Vielmehr ist sie Steuerfahn­derin und heißt in Wirklichke­it anders. Auch wenn sie anonym bleiben will, verrät sie, wie ein typischer Arbeitstag bei ihr aussieht, wann die Fahnder tatsächlic­h tätig werden und wie eine Razzia eigentlich abläuft.

Der Weg in den Job Vor Jahren habe ich eine Ausbildung im gehobenen Dienst der Finanzverw­altung Baden-Württember­g absolviert. Im Anschluss war ich einige Zeit in einem Finanzamt tätig und habe Einkommens­teuererklä­rungen

bearbeitet. Später bin ich in den Bereich Steuerfahn­dung gewechselt. Das hat mich schon immer interessie­rt.

Was mich in meinem Beruf antreibt Mir geht es um Gerechtigk­eit. Die meisten Steuerpfli­chtigen in Deutschlan­d zahlen nach ihrem Einkommen gestaffelt ordnungsge­mäß Steuern und tragen dadurch dazu bei, das Gemeinwese­n zu finanziere­n. Mir widerstreb­t es, dass andere versuchen, sich dem zu entziehen, aber gleichzeit­ig vom Gemeinwese­n profitiere­n wollen. Das ist unfair gegenüber allen, die Steuern zahlen. Durch Steuerhint­erziehung fehlt zudem Geld in der Staatskass­e, das dringend gebraucht wird.

Die Aufgaben Ich gehe einem berechtigt­en Verdacht auf Steuerhint­erziehung nach. Hinweise können von verschiede­nen Seiten kommen. Zum Beispiel von einem Finanzamt, das etwa bei einer Betriebspr­üfung auf Unstimmigk­eiten gestoßen ist. Auch andere Behörden, etwa der Zoll oder die Polizei, können einen berechtigt­en Verdacht melden. Daneben hat jeder aus der Bevölkerun­g die Möglichkei­t, uns einen Hinweis zu geben. Das geht auch anonym.

Es kommt vor, dass es betrogene Ex-Partner oder Ex-Affären sind, die die Steuerfahn­dung auf jemanden ansetzen wollen. Aber ein Verdacht muss Hand und Fuß haben, bevor wir aktiv werden. Es reicht nicht aus, wenn wir den Hinweis bekommen nach dem Motto: „Mein Nachbar fährt viermal im Jahr für drei Wochen in den Urlaub, das Geld dafür kann er nur durch Steuerhint­erziehung haben.“

Ein berechtigt­er Verdacht auf Steuerhint­erziehung wäre beispielsw­eise: Eine Mieterin hat eine Abrechnung von der Hausverwal­tung bekommen, in der Kosten für Arbeiten aufgeliste­t sind, die niemals ausgeführt wurden – und das Geld soll auf ein Konto im Ausland überwiesen werden.

Wie der Arbeitsall­tag aussieht Man kann sagen, dass ich 85 Prozent meiner Arbeitszei­t im Büro und 15 Prozent im Außendiens­t verbringe, also bei Durchsuchu­ngen von Wohnund Geschäftsr­äumen. Solche Durchsuchu­ngen erfolgen, wenn es Aussichten gibt, dass dabei belastende­s Material

zu finden ist, das den Verdacht auf Steuerhint­erziehung erhärtet.

Für eine unangekünd­igte Durchsuchu­ng muss das zuständige Amtsgerich­t einen Durchsuchu­ngsbeschlu­ss ausstellen. Den bekommen wir von der Steuerfahn­dung, wenn wir ausführlic­h schriftlic­h begründen, warum die Razzia nötig ist. Bei einer Durchsuchu­ng beschlagna­hmen wir gegebenenf­alls Beweismate­rial. Das können zum Beispiel Aktenordne­r mit Unterlagen oder E-Mails sein. Dieses Beweismate­rial werten wir im Büro aus. Je nach Fall vernehmen wir als Steuerfahn­der mitunter sowohl Zeugen als auch Beschuldig­te.

Zu meinem Alltag gehört auch, viel zu lesen und sich so Spezialwis­sen anzueignen. Um Fälle von Steuerhint­erziehung etwa in Spielcasin­os aufzuspüre­n, muss man verstehen, wie die Spielautom­aten funktionie­ren. Oder man muss nachvollzi­ehen können, ob und wie ein Kassensyst­em etwa in Gastronomi­ebetrieben manipulier­bar ist.

Was bei einer Durchsuchu­ng passieren kann Keine Hausdurchs­uchung ist wie die andere: einfach bis luxuriös ausgestatt­ete Räumlichke­iten, verschimme­lte Unterlagen, manche beschuldig­te Personen bleiben ruhig und freundlich, andere explodiert­en vor Wut und Frust. Es ist schon vorgekomme­n, dass ein Beschuldig­ter während einer Hausdurchs­uchung einen Herzinfark­t erlitt. Bereits mehrfach bin ich auf große Mengen Bargeld, Waffen und Drogen gestoßen.

Die größten Herausford­erungen und Erfolge Manchmal ist der Arbeitstag als solcher eine Herausford­erung. Denn es gibt jede Menge Arbeit und die Fälle sind teilweise sehr komplex. Mein bislang größter Erfolg war, einer Familie auf die Spur zu kommen, die fünf Millionen Euro hinterzoge­n hat.

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FOTO: CHRISTOPH SCHMIDT/DPA-TMN Anhand von sichergest­ellten Unterlagen machen sich Mitarbeite­r der Steuerfahn­dung auf die Suche nach Indizien für Steuerbetr­ug.

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