Gerichtsurteil befeuert Debatte über AfD
Der rechtsextremen Partei „Die Heimat“wird die staatliche Finanzierung entzogen. Politiker, darunter auch NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst, hoffen nun auf eine künftige Handhabe gegen die Alternative für Deutschland.
Das jüngste Verfassungsurteil zur Parteienfinanzierung bringt eine neue Dimension in die Debatte um die AfD. NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) sieht im Urteil ein „wichtiges Werkzeug im Instrumentenkasten unserer wehrhaften Demokratie“, sagte er unserer Redaktion. Seiner Einschätzung nach könnte das Urteil aus Karlsruhe Vorbildcharakter für ein mögliches Verfahren gegen die AfD haben. „Ein Ausschluss der AfD von der Parteienfinanzierung kann erst erfolgen, wenn ein gesichertes Gesamtbild vorliegt und Zweifel am Scheitern ausgeräumt werden“, schränkte der Politiker ein. „Eine Option aber bleibt es.“
Das Bundesverfassungsgericht hat am Dienstag entschieden, dass erwiesen rechtsextremistische Parteien keinen Anspruch auf Geld vom Staat haben. Konkret wird die inzwischen in „Die Heimat“umbenannte frühere Partei NPD damit für sechs Jahre von der staatlichen Parteienfinanzierung ausgeschlossen. Damit fallen auch steuerliche Begünstigungen weg.
Das Gericht sieht genügend Belege dafür, dass „Die Heimat“einen autoritären Staat schaffen will, in dem eine ethnische „Volksgemeinschaft“im Mittelpunkt steht. Sie fordere die Trennung von Kulturen und Ethnien und eine umfassende rechtliche Besserstellung aller, die zur „Volksgemeinschaft“gehörten.
Für die AfD bedeutet das Urteil zunächst einmal nichts. Damit es auf sie übertragen werden könnte, müsste der Verfassungsschutz sie erst einmal als verfassungsfeindlich bewerten. Derzeit wird sie zwar in drei ostdeutschen Landesverbänden, aber nicht in ihrer Gesamtheit als extremistisch eingestuft. Dennoch gab es Reaktionen aus der Bundespolitik, die sich mehr oder weniger deutlich auf die AfD bezogen. So sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), das Urteil müsse nun auch für „andere Zusammenhänge“geprüft werden. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) nannte das Urteil allgemein gehalten ein weiteres Mittel für den Rechtsstaat, sich gegen Demokratiefeinde zu wehren.
In NRW begrüßten Landesinnenminister Herbert Reul (CDU) und Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) den Richterspruch. Damit sei klar, dass die Demokratie ihre Feinde nicht aus Steuermitteln finanziere, sagte Reul. Justizminister Limbach (Grüne) teilte mit, sein Haus werde das Urteil sorgfältig auswerten, um daraus Erkenntnisse für den Umgang mit anderen extremistischen Parteien zu ziehen. Der Landesverfassungsschutz hat die nordrhein-westfälische AfDJugendorganisation Junge Alternative ( JA) zuletzt als rechtsextremen Verdachtsfall eingestuft.
Unterdessen fordert der nordrhein-westfälische Landesparteichef der Grünen, Tim Achtermeyer, jetzt in eine ernsthafte Debatte über ein Verbotsverfahren gegen die AfD einzusteigen. Die Partei halte „ein enormes Potenzial in der Hand, unsere Demokratie zu sabotieren, und wir dürfen keinen Zweifel haben, dass sie es nutzen wird. Deswegen sind wir gefordert, alle Mittel zu ergreifen, die erfolgversprechend sind, um unsere freiheitlich demokratische Grundordnung zu verteidigen“, sagte er unserer Redaktion.
Auch ein Verbotsverfahren käme erst infrage, wenn der Verfassungsschutz die gesamte Partei als verfassungsfeindlich einstufen würde. Es sei aber eine politische Entscheidung, wie man in diesem Fall reagieren würde, so Achtermeyer. „Deshalb brauchen wir nicht später, sondern jetzt eine gesellschaftliche Debatte: Sollten wir eine Partei verbieten, wenn sie in Gänze als gesichert rechtsextrem gilt? Meine Antwort ist: ja“, so Achtermeyer. Er sieht seine Haltung auch durch die zahlreichen Demonstrationen bestätigt, die es derzeit bundesweit gibt: „Die Menschen gehen gegen die AfD auf die Straße, weil es dringend notwendig ist.“Das Urteil aus Karlsruhe sei ein sehr gutes Signal. Aber auch für einen Finanzierungsausschluss müsse die Partei zuvor als verfassungsfeindlich beurteilt werden. „Und trotzdem könnte die AfD dann weiter an Wahlen teilnehmen“, so Achtermeyer.
Am heutigen Mittwoch wird der nordrhein-westfälische Landtag in einer Aktuellen Stunde zu den Demonstrationen gegen rechts debattieren.