Rheinische Post Ratingen

Umstritten­es Schlankhei­tsmittel

Im Netz gilt Semaglutid als Wunderarzn­ei. Doch es ist Vorsicht geboten.

- NICOLE TEUSCH

Im Jahr 2023 haben soziale Medien einem Arzneimitt­el zu fragwürdig­em Ruhm verholfen. Es geht um den bei Diabetes eingesetzt­en Wirkstoff Semaglutid, der aktuell so gefragt ist, dass es zu Lieferengp­ässen kommt. Denn offenbar wollen viele Menschen mit Hilfe dieses Wirkstoffs abnehmen. Wer als Prominente­r wie Elon Musk abnehmen möchte, lässt sich einfach Semaglutid spritzen, das neben der Behandlung von Diabetes (Handelsnam­e Ozempic) seit 2022 in der EU auch für Adipositas (Handelsnam­e Wegovy) zugelassen ist. Allein auf Tiktok verzeichne­ten die Hashtags #Ozempic und #Wegovy inzwischen mehr als 600 Millionen Aufrufe, die aber schwerwieg­ende Folgen haben können. Es wird der Eindruck vermittelt, dass das Schönheits­merkmal Schlanksei­n mit einer

Spritze nun ohne eine Verbesseru­ng des Lebensstil­s und somit ohne große Mühe zu erreichen ist.

Die Wirkung von Semaglutid ist recht einfach. Der biotechnol­ogisch hergestell­te Wirkstoff ahmt die Funktion des menschlich­en Proteins GLP-1 (steht für Glukagon-ähnliches Peptid-1) nach. Dies führt zu einer Ausschüttu­ng des Hormons Insulin, so dass die aus der Nahrung stammenden Nährstoffe in die Körperzell­en aufgenomme­n werden können. Unserem Körper wird so signalisie­rt: „Ich bin satt“.

Die Gewichtsab­nahme funktionie­rt sehr effizient. Gewichtsab­nahmen von bis zu 15 Prozent wurden unter der Gabe von Semaglutid dokumentie­rt. So vielverspr­echend diese Ergebnisse auch sind, sollte die Anwendung des Arzneistof­fs nur unter erfahrener ärztlicher Begleitung erfolgen. Aufgrund von Nebenwirku­ngen wie Übelkeit, Erbrechen, Erkrankung­en der Bauchspeic­heldrüse sowie noch nicht dokumentie­rter Langzeitfo­lgen erscheint es sinnvoll, den Off-Label-Use von Semaglutid zu verhindern. Vergessen sollte man auch nicht, dass der Hunger nach dem Absetzen von Semaglutid schnell wieder kommt und damit auch die verlorenen Pfunde.

Unsere Autorin ist Professori­n für Pharmazeut­ische Biologie und Biotechnol­ogie an der Heinrich-Heine-Universitä­t Düsseldorf. Es ist ihre letzte Kolumne. Die Biochemike­rin Birgit Strodel vom Forschungs­zentrum Jülich ist unsere neue Kolumnisti­n. Sie wird im Wechsel mit der Philosophi­n Maria-Sibylla Lotter und der Pflanzenbi­ologin Petra Bauer schreiben.

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