Umstrittenes Schlankheitsmittel
Im Netz gilt Semaglutid als Wunderarznei. Doch es ist Vorsicht geboten.
Im Jahr 2023 haben soziale Medien einem Arzneimittel zu fragwürdigem Ruhm verholfen. Es geht um den bei Diabetes eingesetzten Wirkstoff Semaglutid, der aktuell so gefragt ist, dass es zu Lieferengpässen kommt. Denn offenbar wollen viele Menschen mit Hilfe dieses Wirkstoffs abnehmen. Wer als Prominenter wie Elon Musk abnehmen möchte, lässt sich einfach Semaglutid spritzen, das neben der Behandlung von Diabetes (Handelsname Ozempic) seit 2022 in der EU auch für Adipositas (Handelsname Wegovy) zugelassen ist. Allein auf Tiktok verzeichneten die Hashtags #Ozempic und #Wegovy inzwischen mehr als 600 Millionen Aufrufe, die aber schwerwiegende Folgen haben können. Es wird der Eindruck vermittelt, dass das Schönheitsmerkmal Schlanksein mit einer
Spritze nun ohne eine Verbesserung des Lebensstils und somit ohne große Mühe zu erreichen ist.
Die Wirkung von Semaglutid ist recht einfach. Der biotechnologisch hergestellte Wirkstoff ahmt die Funktion des menschlichen Proteins GLP-1 (steht für Glukagon-ähnliches Peptid-1) nach. Dies führt zu einer Ausschüttung des Hormons Insulin, so dass die aus der Nahrung stammenden Nährstoffe in die Körperzellen aufgenommen werden können. Unserem Körper wird so signalisiert: „Ich bin satt“.
Die Gewichtsabnahme funktioniert sehr effizient. Gewichtsabnahmen von bis zu 15 Prozent wurden unter der Gabe von Semaglutid dokumentiert. So vielversprechend diese Ergebnisse auch sind, sollte die Anwendung des Arzneistoffs nur unter erfahrener ärztlicher Begleitung erfolgen. Aufgrund von Nebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen, Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse sowie noch nicht dokumentierter Langzeitfolgen erscheint es sinnvoll, den Off-Label-Use von Semaglutid zu verhindern. Vergessen sollte man auch nicht, dass der Hunger nach dem Absetzen von Semaglutid schnell wieder kommt und damit auch die verlorenen Pfunde.
Unsere Autorin ist Professorin für Pharmazeutische Biologie und Biotechnologie an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Es ist ihre letzte Kolumne. Die Biochemikerin Birgit Strodel vom Forschungszentrum Jülich ist unsere neue Kolumnistin. Sie wird im Wechsel mit der Philosophin Maria-Sibylla Lotter und der Pflanzenbiologin Petra Bauer schreiben.