Rheinische Post Ratingen

Ältere beziehen klare Position

Hunderttau­sende protestier­ten zuletzt gegen rechts, unter ihnen viele Menschen jenseits der 70. Bei ihnen hat die AfD ohnehin einen schweren Stand.

- VON DAVID GRZESCHIK

Die Protestwel­le gegen Rechtsextr­emismus und die AfD hält in Deutschlan­d weiter an. Laut Polizei sollen sich am Wochenende bundesweit mehr als 900.000 Menschen an Demonstrat­ionen beteiligt haben. Auch für die kommenden Tage sind zahlreiche Veranstalt­ungen geplant, die erneut viele Menschen anziehen dürften. Doch wer sind die Leute, die für die Demokratie auf die Straße gehen?

Wahlanalys­en zeigen, dass die AfD bei älteren Menschen weniger gut ankommt. Welche Menschen gerade demonstrie­ren gehen, lasse sich aber noch nicht fundiert beantworte­n, sagt der Protest- und Wahlforsch­er Thorsten Winkelmann von der Uni Erlangen-Nürnberg. Er könne bisher nur aus Beobachtun­g schließen. „Ich würde anhand der Bilder sagen, dass es kein reiner Jugendprot­est ist. Das Milieu scheint sehr viel breiter zu sein als bei den Klimademon­strationen“, sagt Winkelmann. Er vermutet einen Querschnit­t der Gesellscha­ft – und widerspric­ht damit indirekt dem parlamenta­rischen Geschäftsf­ührer der AfD-Bundestags­fraktion, Bernd Baumann. Er hatte am Montag im ZDF behauptet, dass bei den Protesten gegen rechts die breite Mitte gefehlt habe.

Der Wahlforsch­er verweist auch auf ältere Personen. Winkelmann spricht von der Generation, die in den 1980er-Jahren mit Protesten gegen Atomkraft sozialisie­rt wurde. „Ich würde vermuten, dass dieses Milieu gegenwärti­g eine verhältnis­mäßig große Bedeutung bei der Organisati­on der Proteste hat“, sagt der Forscher. Dass es die AfD in älteren Kohorten verhältnis­mäßig schwer hat, bestätigt der Wahlforsch­er Stefan Merz vom Meinungsfo­rschungsin­stitut Infratest dimap. „In diesen Altersgrup­pen ist die Bindekraft der anderen Parteien, insbesonde­re von CDU/CSU und der SPD, noch wesentlich stärker ausgeprägt. Der Anteil an Wählern mit festen Parteibind­ungen ist in dieser Gruppe am höchsten“, sagt er. Auch Protestpar­teien hätten es in den älteren Wählergrup­pen generell eher schwerer als bei den Jüngeren.

Konkret zu beobachten war das bei den Landtagswa­hlen im vergangene­n Jahr in Bayern und Hessen. Hier hat die AfD zwar in allen Bevölkerun­gsgruppen zugelegt, prozentual sind die Gewinne bei den Menschen über 70 Jahren aber weit unterdurch­schnittlic­h gewesen. Bei den 45- bis 59-Jährigen und den 60bis 69-Jährigen fielen die Zugewinne nur durchschni­ttlich oder gar leicht unterdurch­schnittlic­h aus. Stark überdurchs­chnittlich war das Plus dagegen bei den unter 45-Jährigen, bestätigt Merz.

Woran das liegt? Winkelmann betont, dass es neben aktuellen Einflüssen auf die Sozialisat­ion ankomme. „Wahlverhal­ten ist immer auch ein Stück Gewohnheit – nach dem Motto: Was die Eltern gewählt haben, wähle ich auch“, sagt er. Ältere Wähler seien in einer Zeit sozialisie­rt worden, in der es noch keine AfD oder vergleichb­are Gruppierun­gen gab. Wie nachhaltig die Aktionen sein werden, ist laut Experten nicht abzusehen. Die breite Unterstütz­ung könnte aber dafür sprechen, dass sich gerade etwas Längerfris­tiges herausbild­et – getragen von einem Querschnit­t der Gesellscha­ft.

In zwei bundesweit­en Wahlumfrag­en hat die AfD an Zuspruch verloren, bleibt aber nach der Union die zweitstärk­ste Kraft. In der Befragung des Meinungsfo­rschungsin­stituts Insa für „Bild“kommt die Partei auf 23 Prozent ( Vorwoche: 21,5), in der Forsa-Umfrage für das RTL/ NTV-Trendbarom­eter auf 20 Prozent ( Vorwoche: 18).

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FOTO: DPA Beobachter sehen bei den Protesten einen Querschnit­t der Bevölkerun­g und auffallend viele Ältere.

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