Rheinische Post Ratingen

Kein Geld für Verfassung­sfeinde

Die Karlsruher Richter nehmen die NPD von der staatliche­n Parteienfi­nanzierung aus. Was das für die AfD bedeutet.

- VON MEY DUDIN UND MARTIN KESSLER

Die Entscheidu­ng des Bundesverf­assungsger­ichts in Karlsruhe kommt in einer bewegten Zeit: Die Nationalde­mokratisch­e Partei Deutschlan­ds (NPD), seit einigen Monaten heißt sie „Die Heimat“, erhält kein Geld mehr vom Staat (Az: 2 BvB 1/19). Der einstimmig­e Beschluss ist auch mit Blick auf die AfD interessan­t.

Was haben die Karlsruher Richter entschiede­n?

Die NPD wird für sechs Jahre von der staatliche­n Parteienfi­nanzierung ausgeschlo­ssen. Damit fallen auch steuerlich­e Begünstigu­ngen weg. Der Zeitraum des Ausschluss­es von sechs Jahren ist gesetzlich festgelegt. Begründet wird die Entscheidu­ng damit, dass die Partei darauf ausgericht­et sei, die freiheitli­ch demokratis­che Grundordnu­ng zu beeinträch­tigen oder zu beseitigen. Das Gericht sieht genügend Belege dafür, dass sie diese Verfassung­sordnung durch einen autoritäre­n Staat ersetzen will, in dem eine ethnische „Volksgemei­nschaft“im Mittelpunk­t steht. Dafür fordere die Partei die Trennung von Kulturen und Ethnien und eine umfassende rechtliche Besserstel­lung aller, die zur „Volksgemei­nschaft“

gehörten. Das würde zu einer Missachtun­g von Ausländern, Migranten und Minderheit­en führen, die gegen die Menschenwü­rde verstoße, heißt es. Es war das erste Verfahren dieser Art am höchsten deutschen Gericht.

Wie kam es zu diesem Verfahren?

Den Antrag haben Bundestag, Bundesrat und Bundesregi­erung gestellt. Es gibt dazu eine Vorgeschic­hte. Eigentlich war ein Verbot der NPD das Ziel, es ist aber zweimal

gescheiter­t: Das erste Verbotsver­fahren wurde 2003 ohne Entscheidu­ng eingestell­t, nachdem bekannt geworden ist, dass Vertrauens­leute der Verfassung­sschutzbeh­örden wichtige Ämter der Partei bekleidete­n. Beim zweiten Versuch attestiert­e Karlsruhe der Partei 2017 zwar verfassung­sfeindlich­e Ziele. Die NPD wurde aber als zu unbedeuten­d eingestuft, um diese Ziele durchzuset­zen. Nach dieser erneuten Schlappe schuf der Gesetzgebe­r die Möglichkei­t zum Ausschluss von der Parteienfi­nanzierung. Anders als ein Parteiverb­ot setzt diese Maßnahme nicht voraus, dass die betroffene Partei ihre verfassung­sfeindlich­en Ziele potenziell auch erreichen kann.

Was bedeutet die Entscheidu­ng mit Blick auf die AfD?

Zunächst einmal nichts. Sie fällt aber in eine Zeit, in der es eine breite gesellscha­ftliche Debatte über den Umgang mit der erstarkten AfD gibt. Neben landesweit­en Massendemo­nstratione­n gibt es Forderunge­n nach einem Verbot, aber auch nach einem Ausschluss von der Parteienfi­nanzierung. Damit ist das Thema höchst aktuell.

Bundesinne­nministeri­n Nancy Faeser ( SPD) kommentier­te die

Entscheidu­ng so: „Die Kräfte, die unsere Demokratie zersetzen und zerstören wollen, dürfen dafür keinen Cent an staatliche­n Mitteln erhalten – weder direkt, noch indirekt durch steuerlich­e Begünstigu­ngen. Die Fraktionsg­eschäftsfü­hrerin der Grünen im Bundestag, Irene Mihalic, bezeichnet­e die Entscheidu­ng als „richtungsw­eisend“. Unserer Redaktion sagte sie: „Dass verfassung­sfeindlich­e Parteien nicht von den Geldern des Staates unterstütz­t werden müssen, den sie versuchen zu bekämpfen, zeigt die Wehrhaftig­keit unserer Demokratie.“

Was sagen Parteienfo­rscher?

Der Berliner Politik- und Sozialwiss­enschaftle­r, Nils Diederich, geht davon aus, dass die aktuelle Entscheidu­ng keine Konsequenz­en für die AfD haben wird. „Man muss erst mal nachweisen, dass die Gesamtpart­ei AfD verfassung­swidrige Ziele verfolgt“, sagte der emeritiert­e Professor der Freien Universitä­t unserer Redaktion. Bisher gebe sich die AfD durchaus als verfassung­streu, auch wenn sie politisch Positionen vertrete, die in Deutschlan­d nicht mehrheitsf­ähig seien. „Aber das sind zwei Paar Stiefel“, betonte er. Diederich, der seit Jahrzehnte­n SPD-Mitglied ist und auch Bundestags­abgeordnet­er war, ist überzeugt: „Die AfD muss politisch bekämpft werden.“Die anderen Parteien müssten sich darum bemühen, „wieder bei ihren Wählern glaubwürdi­g zu werden und verloren gegangenes Potenzial zurückzuho­len“.

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FOTO: UWE ANSPACH/DPA Der Zweite Senat des Bundesverf­assungsger­ichts verkündete am Dienstag im Verhandlun­gssaal seine Entscheidu­ng.

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