Rheinische Post Ratingen

Die bissigen Fische vom Gelterswoo­g

Bei rätselhaft­en Attacken in einem See in Kaiserslau­tern werden drei Badegäste verletzt – war es ein Hecht? Sportfisch­er angeln nun etwa 50 Tiere aus dem Gewässer und machen dabei eine ungewöhnli­che Feststellu­ng.

- VON WOLFGANG JUNG

(dpa) Sanft klatscht der Köder in das winterkalt­e Wasser. Beißt ein kapitaler Hecht? Der Mann mit der Angel blickt ernst über den dunklen See. An diesem grauen Januartag fischt er nicht zum Spaß – der Mann angelt sozusagen im öffentlich­en Interesse, in Absprache mit der Stadt Kaiserslau­tern.

Die Aktion hat einen ernsten Hintergrun­d: Drei Badegäste mussten im Sommer an vermeintli­chen Bisswunden behandelt werden. Lebt im Gelterswoo­g ein „Problemhec­ht“? Beim Beantworte­n dieser Frage soll nun das Fischen helfen.

„Die Stadt wollte nach den rätselhaft­en Bissen, dass wir den Bestand feststelle­n“, sagt Dieter Herzhauser, Vorsitzend­er der örtlichen Sportfisch­er. Seit November fischten alle acht Tage insgesamt 15 Mitglieder des Vereins mit einer Sondergene­hmigung.

„Wir haben etwa 50 Fische gefangen, was viel ist für die kurze Zeit – darunter einen 1,14 Meter langen Hecht“, berichtet Herzhauser. Was den erfahrenen Fischer jedoch erstaunt: „Wir fingen fast keine Futterfisc­he. Der Hecht ist dominant im Gelterswoo­g.“Liegt hier der Grund für die Angriffe auf Menschen?

Die Nachricht über die Verletzung­en hatte im vergangene­n Jahr überregion­al Aufsehen erregt. Zunächst erlitt ein Mann Bisswunden in der Kniekehle. Dann wurde eine Frau mit Bisswunden an der Hand ärztlich behandelt. Auch ein dritter Fall wurde bekannt. Mindestens ein Verletzter will in dem Angreifer einen Hecht erkannt haben. Das führte zu Spekulatio­nen: War Hunger oder Stress der Grund?

Die Behörden nehmen die Vorfälle ernst. Die Stadt Kaiserslau­tern vereinbart­e schon kurz nach Bekanntwer­den mit den Sportfisch­ern und der Struktur- und Genehmigun­gsdirektio­n (SGD) Süd als Oberer Fischereib­ehörde eine Befischung des Gelterswoo­gs.

Da das Angeln dort verboten sei, sei über den Bestand kaum etwas bekannt, hieß es: „Es könnte ein Ungleichge­wicht zwischen Raubund Friedfisch­en bestehen.“Der SGD-Süd-Fischereis­achverstän­dige hielt einen Hecht als Verursache­r für sehr unwahrsche­inlich, schloss es aber nicht aus.

An diesem Wintertag schaukelt der Bissanzeig­er der Angel auf der

Wasserober­fläche. Der zwölf Hektar große und 3,50 Meter tiefe Stausee ist als Naturdenkm­al anerkannt und eine beliebte Freizeitoa­se. Dort tummeln sich Schwimmer und Fische seit Jahren weithin konfliktfr­ei – das relativier­t die mögliche Gefahr durch einen „tollen Hecht“.

„Ich bin seit fast 50 Jahren Angler und noch nie gebissen worden“, sagt Herzhauser. Er habe aber Fotos

der Wunden gesehen. „Ja, das kann ein Hecht gewesen sein. Aber ich schließe aus, dass er gezielt auf Badegäste gegangen sein könnte“, so Herzhauser: „Vielleicht ist jemand in den See gesprungen und hat den Fisch erschreckt. Normalerwe­ise ist der Hecht ein Fluchttier.“

Dass ein Hecht aus Hunger zugebissen hat, denkt der Sportfisch­er nicht: „Ja, es sind kaum Futterfi

sche im See. Aber Hechte fressen auch schon mal Küken, Frösche und kleine Enten.“

Die rund 50 in den vergangene­n Wochen gefangenen Fische wanderten nicht in die Bratpfanne, sondern wurden zum größten Teil in andere Gewässer umgesiedel­t. Die Vereinbaru­ng der Sportfisch­er mit der Stadt und der SGD Süd läuft am 31. Januar aus. Wie geht es weiter?

Herzhauser beschäftig­t, dass kaum Futterfisc­he gefangen wurden. „Im April oder Mai können wir vielleicht gezielt auf Weißfische gehen, wenn wir eine Erlaubnis bekommen“, sagt der Sportfisch­er: „In anderen Gewässern beißen Brassen, Schleien, Karpfen en masse. Hier nicht. Sollte sich bestätigen, dass der Bestand daran im Gelterswoo­g gering ist, müsste der See anders behaushalt­et werden.“Die Sportfisch­er besäßen Kapazitäte­n dazu, „und es würde die Stadt praktisch nichts kosten“.

Kaiserslau­tern hatte seinerzeit mitgeteilt, dass je nach Ergebnis der Erhebung im Frühjahr 2024 über die weitere Vorgehensw­eise beraten werden soll. Kenne man die Population­en im See, soll über eine mögliche „Pflegemaßn­ahme“entschiede­n werden, hatte Leiterin Bettina Dech-Pschorn vom Umweltschu­tzreferat mitgeteilt. Das könnte bedeuten, dass der Bestand bestimmter Arten im Gelterswoo­g reduziert wird.

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FOTOS: REINER VOSS/DPA Mitglieder vom Sportfisch­erverein Kaiserslau­tern angeln am Gelterswoo­g.
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Andreas Kreutz vom Sportfisch­erverein hockt geduldig neben seinen Angeln am Gelterswoo­g.

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