Geld für 50 neue Gaskraftwerke gesucht
Die Branche dringt auf klare Spielregeln. Minister Habeck will den Bau neuer Anlagen fördern, um die Versorgung zu sichern, wenn die Sonne nicht scheint und kein Wind weht. Das aber kostet den Steuerzahler Milliardenbeträge.
Die Wirtschaft wartet seit Monaten auf die Kraftwerksstrategie. Nun nennt Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck erste Details: Er wolle die Versorger bei den Investitions- und Betriebskosten der Anlagen unterstützen, sagte der Grünen-Politiker am Dienstag bei einem Kongress. Die Betriebskosten müssten nur so lange gestützt werden, bis steigende Preise für CO2-Zertifikate Kohleblöcke gleich teuer machen. Zum Thema sollte es am Abend ein Spitzentreffen im Kanzleramt geben. Doch die Bundesregierung ist noch uneinig über die Frage, mit welchen Kapazitäten kalkuliert werden soll, wie es aus Regierungskreisen heißt. Offen sind auch beihilferechtliche Fragen. Die EU-Kommission könnte eine staatliche Förderung für rein auf Erdgas ausgelegte Kraftwerke blockieren.
Warum braucht man eine Kraftwerksstrategie?
Im vergangenen Jahr haben die erneuerbaren Energien bereits 52 Prozent des Stromverbrauchs gedeckt. Doch wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint, braucht es Kraftwerke, die verlässlich einspringen können, zumal die Speichertechnik noch nicht weit genug ist. Bisher haben Kohleblöcke diese Aufgabe übernommen, doch Deutschland soll nach dem Willen der Ampel idealerweise bis 2030 aus der Kohle aussteigen. Atomkraftwerke sind zwar grundlastfähig, lassen sich aber nicht so schnell regeln und sind ohnehin vom Netz. Daher sollen neue Gaskraftwerke die Versorgung auch während der Dunkelflaute sichern.
Wie viele Kraftwerke sind nötig?
Die Branche geht davon aus, dass Deutschland Kraftwerke von insgesamt 25 Gigawatt braucht, das sind 50 große Anlagen. Bis 2030 müssten die ersten 30 stehen, wenn es mit dem Kohleausstieg klappen soll, so der Verband BDEW. Sie sollen zunächst mit Erdgas, später mit grün erzeugtem Wasserstoff betrieben werden, also H2-ready sein. Sie werden vor allem nahe der Industriezentren im Süden und Westen benötigt. „Wenn im Sommer bei den Olympischen Spielen die Sportler an die Startlinie gehen, muss auch für die ersten H2-ready Kraftwerke der Startschuss fallen“, sagte der Chef des Braunkohle-Konzerns Leag, Thorsten Kramer. Um eine dekarbonisierte und sichere Versorgung zu erreichen, führe kein Weg am Wasserstoff vorbei. Er forderte, dass die zukünftigen Kraftwerksstandorte alle rechtzeitig an das neue Wasserstoff-Netz angeschlossen werden müssten. Habeck hatte die Pläne für das Kernnetz 2023 vorgestellt. Es soll mit einer Länge von 9700 Kilometern den Transport im gesamten Bundesgebiet sicherstellen.
Wie kann man Firmen anreizen, Kraftwerke zu bauen?
Die Branche drängt auf schnelle Ausschreibungen und Klarheit zur Vergütung. Von alleine rechnen sich die Gaskraftwerke nicht, da die Politik auch die Zeit für Erdgas enden lassen will. „Gas ist ein fossiler Brennstoff – ich möchte nicht in zehn Jahren eine Debatte um den Gasausstieg führen“, hatte RWE-Chef Markus Krebber bereits früh gewarnt. Die Branche kann sich einen Kapazitätsmarkt wie in Großbritannien vorstellen – hier erhalten Versorger Geld nicht nur für gelieferten Strom, sondern auch allein für die Bereithaltung von Kraftwerkskapazität.
Was kostet das und wer zahlt?
Der Bau neuer wasserstofffähiger Kraftwerke würde nach einer Studie bis zu 60 Milliarden Euro kosten. Davon will die Branche möglichst viel vom Steuerzahler haben, was der FDP missfällt. „Es liegt nicht an Robert Habeck“, hatte NRW-Ministerin Mona Neubaur (Grüne) unlängst gesagt. Bundesfinanzminister Lindner (FDP) und Kanzler Scholz (SPD) müssten sich einigen, wie sie dies finanzieren. „Einen großen Teil dieser hohen Kosten könnte die Politik der Gesellschaft ersparen, wenn statt dem Bau neuer Erdgaskraftwerke alte Kohlekraftwerke zwar abgeschaltet, nicht aber verschrottet würden, sondern als Reservekraftwerke dienen“, sagt Manuel Frondel, Energieexperte des
RWI-Leibniz-Instituts. Die Emissionen könne man getrost in Kauf nehmen: „Der Emissionshandel sorgt dafür, dass andernorts in Europa weniger Emissionen entstehen, wenn wir in Deutschland für den Reservebetrieb der Kohlekraftwerke zusätzliche Zertifikate benötigen. Statt den Forderungen nach einem Kapazitätsmarkt nachzugeben und damit einen weiteren Subventionsmechanismus in Kraft zu setzen, sollte sich die Politik reiflich Gedanken über diese alternative Strategie machen.“Offen ist auch, wie es mit den RWE-Blöcken Neurath D und E weiter geht. Eigentlich sollte Habeck bis Herbst entscheiden, ob diese bis März 2025 weiterlaufen.
Woher soll das Gas kommen?
Deutschland hatte sich gefährlich abhängig gemacht, bis 2021 kam mehr als die Hälfte des Gases aus Russland. Das ist seit Putins Krieg vorbei. Doch auch grünen Wasserstoff hat Deutschland viel zu wenig. Für die nötige Elektrolyse von Wasser sind gewaltige Mengen an Ökostrom erforderlich.