Rheinische Post Ratingen

Fortunas zwei Gesichter

Der Zweitligis­t hat mehrfach bewiesen, oben mitspielen zu können – auch aufgrund großer Moral: Nach Rückstände­n steht man immer wieder auf. Doch das wird man sich als Top-Team nicht zu oft leisten können.

- VON GIANNI COSTA UND TOBIAS DINKELBORG

In der römischen Mythologie gibt es diesen einen Gott, den Gott allen Ursprungs, des Anfangs, des Endes sowie aller Türen und Pforten. Sein Name: Janus. Weil er etliche Gegensätze in sich vereint, erwächst sein Kopf im Laufe der Zeit zum Symbol für Dualität und Zwiespalt; in jedem Guten steckt ebenfalls etwas Schlechtes. Durch ein gewisses Maß an Janusköpfi­gkeit tut sich in dieser Saison auch Zweitligis­t Fortuna hervor. Trainer Daniel Thioune sagt: „Meine Mannschaft hat einfach zwei Gesichter.“

Beim 2:2 gegen Hertha BSC hat sie das am Sonntag wieder einmal nachgewies­en, mit einer durchwachs­enen Vorstellun­g in der ersten und einer starken in der zweiten Hälfte. „Ein Gesicht“, erzählt Thioune, „ist etwas verhaltene­r, passiver, eines ist richtig gut. Und mit der Vorstellun­g in der zweiten Halbzeit bin ich maximal einverstan­den.“Zurecht, denn nach der Umstellung und dem Verschiebe­n der Anlauflini­e dominierte Fortuna die emotionale Partie im Olympiasta­dion und hätte durch Christos Tzolis – einmal per Elfmeter und einmal kurz vor Schluss – durchaus noch den Siegtreffe­r erzielen können.

Hinter ein paar Falten des Gesichts aus der ersten Hälfte hat Thioune seine Innenverte­idigung ausgemacht. „Ich hatte mit Jordy de Wijs einen Innenverte­idiger auf dem Platz, der nicht gut durch die Vorbereitu­ng gekommen ist, und mit Andre Hoffmann einen, der vier Monate lang gar nicht auf dem Platz stand“, sagt der Trainer, der deshalb zunächst eine etwas risikoärme­re Herangehen­sweise im Spielaufba­u gewählt hat. „Wir haben den Druck in der zweiten Hälfte dann von den

Innenverte­idigern weggenomme­n und das Spiel damit in den Halbpositi­onen öffnen können. Dadurch ist es deutlich besser geworden.“

Die zwei Gesichter seines Teams führen aber auch zu einer weiteren Erkenntnis. „Wir können eigentlich gut Fußball spielen, brauchen aber irgendwo immer einen Rückstand oder die Herausford­erung, um Resistenz zu entwickeln“, konstatier­t Thioune. „In diesem Spannungsf­eld bewegen wir uns ja schon seit vielen Wochen.“In der Tat, wie allein der Blick auf das letzte Spiel des vergangene­n Jahres zeigt, als die Düsseldorf­er einen 0:2-Rückstand nach einer enorm schwachen ersten Hälfte in einen 3:2-Sieg gedreht haben – dank einer enorm starken zweiten Hälfte.

Bei der „Fortuna-für-alle“-Premiere im zurücklieg­enden Oktober hat die Thioune-Truppe sogar für noch

mehr Spektakel gesorgt. Mit 0:3 lag sie gegen den 1. FC Kaiserslau­tern hinten, ehe sie eine beispiello­se Aufholjagd startete und am Ende einen vielumjube­lten 4:3-Erfolg feierte. Vor dem zweiten Freispiel gegen Tabellenfü­hrer St. Pauli am Samstag (20.30 Uhr, Arena) lässt sich der Trainer deshalb auf einen scherzhaft­en

Vorschlag eines Journalist­en ein.

„Stimmt, vielleicht gebe ich den Jungs vor dem Anpfiff am Wochenende wirklich einfach mal mit, dass wir mit 0:2 zurücklieg­en“, sagt Thioune mit einem Augenzwink­ern, „und dann starten wir das Ganze nochmal anders. Gerade gehört es einfach zu unserer Geschichte. Das ist zwar nicht das, was wir brauchen, aber es zeigt, dass wir klar bei uns bleiben.“

Der Trainer hat eine große Gabe. Er kann aus wenig viel machen und versteht es, eine Gruppe von Individual­isten für seine Sache zu begeistern. Zumindest den Großteil. Er scheut sich nicht davor, auch unpopuläre Entscheidu­ngen zu treffen, wenn es dem auserkoren­en Ziel dient. Doch sein Problem liegt in der mangelnden personelle­n Vielfalt: Er kann kaum variieren. Und am Ende hat es natürlich auch etwas mit Qua

lität zu tun – oder mindestens dem Stand der persönlich­en Entwicklun­g –, wenn sich Fehler immer wieder wiederhole­n.

Wer gesund ist, hat auch eine hohe Wahrschein­lichkeit, über kurz oder lang im Kader und auf dem Platz zu stehen. Denkzettel kann Thioune deshalb nur in sehr begrenztem Maße verteilen. Allerdings gilt das auch für verdiente Verschnauf­pausen. Es ist alles extrem auf Kante genäht.

Und doch muss man vom 49-Jährigen verlangen dürfen, dass er es schafft, eine entspreche­nde Balance hereinzube­kommen. Die wird dringend nötig sein, will man nicht schnell die eigenen Ziele verspielen. Gegen St. Pauli wird sich Fortuna nicht leisten können, auch nur eine Sekunde auf dem Platz zu verschlafe­n. Sonst sieht sie schnell ganz alt aus. Mit nur einem Gesicht.

 ?? ??
 ?? FOTOS: MORITZ MÜLLER ?? Rückschläg­e und Erfolgserl­ebnisse während eines Spieler sind in dieser Saison Fortunas stetige Begleiter. Stellvertr­etend hierfür: Christos Tzolis.
FOTOS: MORITZ MÜLLER Rückschläg­e und Erfolgserl­ebnisse während eines Spieler sind in dieser Saison Fortunas stetige Begleiter. Stellvertr­etend hierfür: Christos Tzolis.

Newspapers in German

Newspapers from Germany