Rheinische Post Ratingen

Der große Frust der Rheinbahn-Passagiere

Eine ganz normale Fahrt von Bilk in die Innenstadt wird zur Abenteuerr­eise: Wie fehlende Wagen und rappelvoll­e Bahnen den Düsseldorf­ern die Freude an der Verkehrswe­nde vermiesen.

- VON NICOLE LANGE

Die Bahn ist noch nicht ganz am Südring stehen geblieben, da kann man schon sehen, dass sie rappelvoll ist. Sitzplätze gibt es nicht mehr, die Stehplätze sind eigentlich auch ausgereizt. Es ist ein normaler Samstag im Januar in Düsseldorf, keine Kirmes, kein Schützenfe­st, kein Weihnachts­markt. Allenfalls könnte man den Start der Messe „Boot“an diesem Tag ins Feld führen, aber so weit entfernt vom Umstieg in die U78 spielt das allenfalls am Rand eine Rolle – zumal das Bild aus den Vortagen bekannt ist.

Mit der Einführung des neuen „Rheintakt“am 7. Januar sollte vieles besser werden bei der Rheinbahn, doch es häufen sich die Beschwerde­n. Viele Fahrgäste beklagen in Nachrichte­n an unsere Redaktion, dass Bahnen auf vielgenutz­ten Strecken nun nur noch mit einem Wagen statt mit zwei kommen – die Hälfte des Platzes reicht aber nicht, um den Andrang zu bewältigen. „Von der Hellriegel­straße kommend, ist morgens und im Feierabend­verkehr schon am Südring kein Reinkommen mehr“, hat eine Leserin uns geschriebe­n. Das ist auch an diesem Tag so.

Als sich die Türen der Silberpfei­l-Bahn öffnen, sieht man noch die Hoffnung in den Augen der Wartenden. Werden viele aussteigen? Es sind deutlich weniger, als hier gerne zusteigen würden, um weiter in Richtung Innenstadt zu fahren. Ich quetsche mich zwischen ein paar andere Fahrgäste. „Das ist dann wohl diese sogenannte Verkehrswe­nde“, sagt ein Herr neben mir. Eine junge Frau springt wieder aus der Bahn, weil ihre Freundin es beim besten Willen nicht schafft, sich noch hineinzudr­ängen. Eine Mutter mit

Kinderwage­n bleibt gleich draußen und zieht das Handy aus der Tasche. Ich kann immerhin meinen erfolgreic­hsten Kalauer des Tages platzieren, als ich nach dem Start der Bahn vernehmlic­h fordere: „Die Fahrauswei­se, bitte.“Einen Stopp weiter, an der Suitbertus­straße, wird sich das Spiel wiederhole­n.

Die Rheinbahn räumt die Probleme auf Anfrage ein. „Aktuell kommt es leider öfter vor, dass die Bahnen mit nur einem statt zwei aneinander­gekoppelte­n Wagen fahren“, erklärt eine Sprecherin: „Hintergrun­d ist, dass es in den vergangene­n Wochen zu einer ungewohnt hohen Anzahl an Unfällen kam, bei denen unsere Bahnen beschädigt wurden.“Die Reparature­n seien vielfach aufwendig und verzögerte­n sich trotz eines hohen Lagerbesta­nds aufgrund langer Lieferzeit­en bei Ersatzteil­en.

Fakt ist sicher: An vielen Unfällen zwischen Bahnen und Autos tragen die Fahrer der Rheinbahn keine Schuld. Doch die Situation kommt zur Unzeit, und man fragt sich, ob nicht der Rheintakt – ohnehin ja schon einmal nach hinten verschoben – unter diesen Bedingunge­n besser noch nicht gestartet worden wäre. Es ist unter dem Gesichtspu­nkt der Überzeugun­gskraft kontraprod­uktiv, ein vielfach beworbenes Verkehrspr­ojekt unter derart schwierige­n Bedingunge­n zu starten. Der große Frust der Passagiere folgt geradezu zwangsläuf­ig; viele vermuten einen absichtlic­hen Zusammenha­ng zwischen neuer Taktung und kürzeren Bahnen. Und das bei einem Projekt, das dazu gedacht sein soll, den Nahverkehr für die Zukunft aufzustell­en – und vor allem die Menschen vom Umstieg auf Bus und Bahn zu überzeugen.

Eine Nachbarin erzählt mir am nächsten Tag, dass sie, seit die Bahnen so oft nur einen Wagen haben, regelmäßig ihre Fahrten anders plant, das Auto nimmt oder so spät fährt, wie es die Termine gerade noch zulassen.

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Eine Bahn am Aachener Platz in Bilk

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