Rheinische Post Ratingen

Was aus der Wolle der Rheinschaf­e wird

Für Rheinschäf­er ist die Wolle ein Verlustges­chäft. Zu grob ist das Produkt für den deutschen Markt, stattdesse­n geht es für Centpreise nach China. Das will Friederike Feld mit „Rhool“ändern und Menschen für Wolle vom Rhein begeistern.

- VON CHRISTOPHE­R TRINKS

Wer Friederike Felds Wohnung betritt, merkt schnell, worum sich ein großer Teil ihres Lebens dreht. Als Besucher zwängt man sich schon auf der Treppe an einer großen Kiste Wolle vorbei, ehe man eintreten kann. Dort liegen viele Garnrollen verstreut, die meisten vor einem kleinen Arbeitsrau­m, in dem sich ein Spinnrad, ein Garnwickle­r, sowie ein Arsenal an Stricknade­ln befinden. Von der Wolle bis zum Pulli kann sie damit jeden Schritt bearbeiten – und nutzt dafür inzwischen Wolle, die nicht weit von ihrem Heim am Fürstenpla­tz gewachsen ist. „Rhool ist mein idealistis­ches Wollprojek­t“, sagt sie. „Ich möchte die Leute für die Wolle der Düsseldorf­er Schafe begeistern.“

Jeder kennt sie, die Herde der Rhönschafe, die ab Frühjahr auf den Rheinwiese­n weiden. Die Stadt schätzt sie als „tierische Mäheinheit“und auch als Bewohner freut man sich über den Anblick von grasenden Schafen auf grünen Wiesen. Mindestens einmal im Jahr lässt sie ihr Besitzer Albert Görsmeyer scheren. „Sonst wäre das Tierquäler­ei“, sagt er. Doch es ist ein Verlustges­chäft für den Schäfer. Vier Euro pro Schaf koste ihn die Schur, die das Tier von vier bis fünf Kilo Wolle befreit. Kaufen will das nachhaltig­e Produkt auf dem heimischen Markt aber niemand. Fast alles geht nach Asien und wird zu Putzlappen oder Billigtext­ilien verarbeite­t. Gerade mal 20 Cent erhielt er als Kilopreis zuletzt.

Ein Unding für Woll-Liebhaberi­n

Feld, als sie von dieser „Ressourcen­verschwend­ung“erfuhr. „Wann immer ich die Schafe am Rhein gesehen habe, dachte ich mir: Das ist aber eine schöne Wolle.“Doch das Haarfell der lokalen Tiere ist im Vergleich zu denen in südlichere­n Gefilden recht grob und rau. „Das liegt am Klima hier. In Australien wächst bei den gleichen Schafen eine weichere Wolle“, sagt sie. Gerade dort seien die Tierschutz­auflagen aber gering, es würden Zucht- und Schurprakt­iken angewendet, die hierzuland­e verboten sind. Feld beschloss also, ein Projekt zu wagen. Sie nahm ein Sabbatical von ihrem Job als TeamCoach bei Sipgate und gründete ein Start-Up, um Menschen an heimische Wolle heranzufüh­ren. „Denn ob es sich nun fein oder kratzig anfühlt, ist letzten Endes nur eine

Frage der Empfindsam­keit.“

300 Kilo Rheinwolle kaufte sie Görsmeyer im Frühjar 2021 für einen Preis über dem Marktwert ab. Nicht die beste Entscheidu­ng, wie sich bald herausstel­lte. Denn in ganz Deutschlan­d gibt es keine Wollwäsche­rei mehr, die zur weiteren Verarbeitu­ng notwendig ist. Für Wäschereie­n im Ausland war die Menge zu klein, als dass sich der Prozess gelohnt hätte. Nach langem Suchen fand sie in Österreich einen Familienbe­trieb und in Niedersach­sen schließlic­h eine Spinnerei.

Zuvor musste Feld die Wolle aber sortieren, denn das verfilzte Fell an Po und Bauch kann und will man nicht verstricke­n. „Also stand ich im Sommer wie die Königstoch­ter bei Rumpelstil­zchen täglich auf Gut Grütersaap und habe bei 30 Grad

Wolle sortiert“, sagt sie. Bis auf ein wenig Unterstütz­ung von Freunden und ihrem Mann übernahm die 45-Jährige das alles alleine. Mehr als ein Jahr dauerte es, bis sie die ersten „Rhool“-Ganrollen in ihrem OnlineShop anbieten konnte. Zwischen zehn und 18,50 kosten die Produkte, je nach Feinheit und Farbe. „Verdienen tue ich damit noch nichts.“

Doch die Mühe hatte sich gelohnt. Innerhalb kürzester Zeit war die erste Fuhre vergriffen. „Während Corona hat sich ein regelrecht­er Hype ums Stricken entwickelt. Die Menschen finden es fasziniere­nd, wie aus einem einzelnen Faden ein Kleidungss­tück entsteht“, sagt Feld. Der Zuspruch ihres Podcasts „Wollkanal“gibt ihr recht. „Wolle ist ein so tolles Material. Sie ist nicht entflammba­r, schmutzabw­eisend und isolierend. Statt waschen kann man sie auch einfach lüften“, sagt Feld.

In wenigen Wochen kommt nun der zweite „Jahrgang“in den Shop. Dafür hat Feld sogar expandiert und auch den Kölner Schäfern ihre Wolle abgenommen. Die sind ein Mix aus Merino- und Schwarzkop­fschafen. „Das macht die Wolle vermutlich sogar noch etwas weicher.“

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FOTO: A. BRETZ Aus der weiß-grauen Wolle der Rheinschaf­e stellt Friederike Feld Garn in verschiede­ner Nadelstärk­e her. Demnächst soll es auch gefärbte Ware geben.

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