Was aus der Wolle der Rheinschafe wird
Für Rheinschäfer ist die Wolle ein Verlustgeschäft. Zu grob ist das Produkt für den deutschen Markt, stattdessen geht es für Centpreise nach China. Das will Friederike Feld mit „Rhool“ändern und Menschen für Wolle vom Rhein begeistern.
Wer Friederike Felds Wohnung betritt, merkt schnell, worum sich ein großer Teil ihres Lebens dreht. Als Besucher zwängt man sich schon auf der Treppe an einer großen Kiste Wolle vorbei, ehe man eintreten kann. Dort liegen viele Garnrollen verstreut, die meisten vor einem kleinen Arbeitsraum, in dem sich ein Spinnrad, ein Garnwickler, sowie ein Arsenal an Stricknadeln befinden. Von der Wolle bis zum Pulli kann sie damit jeden Schritt bearbeiten – und nutzt dafür inzwischen Wolle, die nicht weit von ihrem Heim am Fürstenplatz gewachsen ist. „Rhool ist mein idealistisches Wollprojekt“, sagt sie. „Ich möchte die Leute für die Wolle der Düsseldorfer Schafe begeistern.“
Jeder kennt sie, die Herde der Rhönschafe, die ab Frühjahr auf den Rheinwiesen weiden. Die Stadt schätzt sie als „tierische Mäheinheit“und auch als Bewohner freut man sich über den Anblick von grasenden Schafen auf grünen Wiesen. Mindestens einmal im Jahr lässt sie ihr Besitzer Albert Görsmeyer scheren. „Sonst wäre das Tierquälerei“, sagt er. Doch es ist ein Verlustgeschäft für den Schäfer. Vier Euro pro Schaf koste ihn die Schur, die das Tier von vier bis fünf Kilo Wolle befreit. Kaufen will das nachhaltige Produkt auf dem heimischen Markt aber niemand. Fast alles geht nach Asien und wird zu Putzlappen oder Billigtextilien verarbeitet. Gerade mal 20 Cent erhielt er als Kilopreis zuletzt.
Ein Unding für Woll-Liebhaberin
Feld, als sie von dieser „Ressourcenverschwendung“erfuhr. „Wann immer ich die Schafe am Rhein gesehen habe, dachte ich mir: Das ist aber eine schöne Wolle.“Doch das Haarfell der lokalen Tiere ist im Vergleich zu denen in südlicheren Gefilden recht grob und rau. „Das liegt am Klima hier. In Australien wächst bei den gleichen Schafen eine weichere Wolle“, sagt sie. Gerade dort seien die Tierschutzauflagen aber gering, es würden Zucht- und Schurpraktiken angewendet, die hierzulande verboten sind. Feld beschloss also, ein Projekt zu wagen. Sie nahm ein Sabbatical von ihrem Job als TeamCoach bei Sipgate und gründete ein Start-Up, um Menschen an heimische Wolle heranzuführen. „Denn ob es sich nun fein oder kratzig anfühlt, ist letzten Endes nur eine
Frage der Empfindsamkeit.“
300 Kilo Rheinwolle kaufte sie Görsmeyer im Frühjar 2021 für einen Preis über dem Marktwert ab. Nicht die beste Entscheidung, wie sich bald herausstellte. Denn in ganz Deutschland gibt es keine Wollwäscherei mehr, die zur weiteren Verarbeitung notwendig ist. Für Wäschereien im Ausland war die Menge zu klein, als dass sich der Prozess gelohnt hätte. Nach langem Suchen fand sie in Österreich einen Familienbetrieb und in Niedersachsen schließlich eine Spinnerei.
Zuvor musste Feld die Wolle aber sortieren, denn das verfilzte Fell an Po und Bauch kann und will man nicht verstricken. „Also stand ich im Sommer wie die Königstochter bei Rumpelstilzchen täglich auf Gut Grütersaap und habe bei 30 Grad
Wolle sortiert“, sagt sie. Bis auf ein wenig Unterstützung von Freunden und ihrem Mann übernahm die 45-Jährige das alles alleine. Mehr als ein Jahr dauerte es, bis sie die ersten „Rhool“-Ganrollen in ihrem OnlineShop anbieten konnte. Zwischen zehn und 18,50 kosten die Produkte, je nach Feinheit und Farbe. „Verdienen tue ich damit noch nichts.“
Doch die Mühe hatte sich gelohnt. Innerhalb kürzester Zeit war die erste Fuhre vergriffen. „Während Corona hat sich ein regelrechter Hype ums Stricken entwickelt. Die Menschen finden es faszinierend, wie aus einem einzelnen Faden ein Kleidungsstück entsteht“, sagt Feld. Der Zuspruch ihres Podcasts „Wollkanal“gibt ihr recht. „Wolle ist ein so tolles Material. Sie ist nicht entflammbar, schmutzabweisend und isolierend. Statt waschen kann man sie auch einfach lüften“, sagt Feld.
In wenigen Wochen kommt nun der zweite „Jahrgang“in den Shop. Dafür hat Feld sogar expandiert und auch den Kölner Schäfern ihre Wolle abgenommen. Die sind ein Mix aus Merino- und Schwarzkopfschafen. „Das macht die Wolle vermutlich sogar noch etwas weicher.“