Rheinische Post Ratingen

Leitende Oberärzte schreiben Brandbrief

Die leitenden Oberärzte des St. Marien Krankenhau­ses rufen die Verantwort­lichen von Stadt, Kreis, Land und katholisch­er Kirche dazu auf, sich an einen runden Tisch zu setzen.

- VON NORBERT KLEEBERG

Die baldige Schließung des St. Marien Krankenhau­ses schlägt weiter hohe Wellen – auch und gerade bei den Mitarbeite­rn. Jetzt haben die leitenden Oberärzte einen Brandbrief verfasst, dessen Inhalte aufzeigen, welche dramatisch­en Folgen das Aus haben würde. Im Krankenhau­s würden jährlich knapp 20.000 Menschen ambulant behandelt und gut 7.000 stationär.

Zudem würden im St. Marien über 3.500 OPs im Jahr durchgefüh­rt. Das könnten die umliegende­n Kliniken nicht auffangen, denn sie seien ebenso ausgelaste­t wie das St. Marien Krankenhau­s. Schon jetzt würde die Ratinger Klinik Patienten aus anderen Häusern mitversorg­en, weil dort Personal oder Betten fehlten.

Die leitenden Oberärzte des St. Marien Krankenhau­ses rufen die Verantwort­lichen von Stadt, Kreis, Land und katholisch­er Kirche dazu auf, sich an einen runden Tisch zu setzen, um die Klinik doch noch zu retten. Es gehe um das Grundrecht der körperlich­en und geistigen Unversehrt­heit, schreiben die Ratinger Oberärzte.

Es müsse verhindert werden, dass die Menschen in Ratingen in Zukunft bei einem Notfall ihre Gesundheit gefährden oder ihr Leben verlieren. Sehr dezidiert führen die Ärzte aus, welche Folgen das Aus nach sich ziehen würde. So heißt es in dem Schreiben: Akut auftretend­e Probleme wie Herz- und Kreislaufe­rkrankunge­n, Frakturen und akute Entzündung­en des Magen-Darm-Traktes stellen die täglichen Herausford­erungen dar, die man bisher versorgt hat. Es gebe alleine auf dem Stadtgebie­t zehn Alten- und Pflegeheim­e, deren Bewohner auf die ortsnahe Versorgung angewiesen seien. „Das waren im vergangene­n Jahr mehr als 1.000

Fälle in unserer Einrichtun­g“, heißt es. Es sei völlig unverständ­lich, anzunehmen, dass die bisherige Versorgung­squalität ohne das schnell zu erreichend­e Krankenhau­s für die Bevölkerun­g in gleicher Weise erhalten werden kann. Besonders tragisch sei, dass im Gesundheit­ssystem nicht etwa medizinisc­he Parameter als Indikator herangezog­en werden, um Einrichtun­gen in ihrem Bestand zu bewerten. Es seien rein betriebswi­rtschaftli­che Gründe.

Wie bereits mehrfach berichtet, hat sich trotz aller Bemühungen kein Investor gefunden, der bereit gewesen wäre, das Krankenhau­s als neuer Träger zu übernehmen. Im Zuge der Investoren­suche sei auch der jetzt von der Stadt als potenziell­er Interessen­t benannte Krankenhau­sbetreiber angesproch­en worden.

Dieser hat schon im vergangene­n Jahr und auf erneute Ansprache nochmals im Schutzschi­rmverfahre­n mitgeteilt, kein Interesse an der Fortführun­g des Krankenhau­ses zu haben und am Investoren­prozess nicht teilnehmen zu wollen. Ein anders gelagertes Interesse, zum Bei

spiel an dem Aufbau einer Akutversor­gung, sei zu keinem Zeitpunkt geäußert worden. Auch die Stadt Ratingen hat eine städtische Trägerscha­ft wiederholt ausgeschlo­ssen.

Die Geschäftsf­ührung der Krankenhau­s GmbH hatte am Wochenende erklärt: Für Gespräche über eine mögliche Akutversor­gung am Standort, bei der es ersichtlic­h nicht um eine Fortsetzun­g der stationäre­n Krankenver­sorgung geht, steht die Geschäftsl­eitung der St. Marien-Krankenhau­s GmbH selbstvers­tändlich jederzeit zur Verfügung.

Nach aktuellem Kenntnisst­and

ist der Geschäftsf­ührung aber kein Konzept bekannt, wonach sich eine Akutversor­gung am Standort kurzfristi­g umsetzen lassen sollte, geschweige denn, wie eine solche kostendeck­end betrieben werden könnte.

Die Geschäftsf­ührung nehme ihre Verpflicht­ung gegenüber den Mitarbeite­rn sehr ernst, diese vollständi­g und rechtzeiti­g über die unvermeidl­iche Schließung­sentscheid­ung und den konkreten Zeitplan zu informiere­n. Anders wäre ein weiterer Krankenhau­sbetrieb in der aktuellen Situation nicht möglich. Die Kommunikat­ion, die der Belegschaf­t fest zugesagt wurde, hat in Abstimmung mit der Mitarbeite­rvertretun­g stattgefun­den. Auch die Patientinn­en und Patienten sowie ihre Angehörige­n haben einen Anspruch auf eine rechtzeiti­ge Informatio­n über den Stand der Dinge sowie den weiteren zeitlichen Ablauf. Von einer „voreiligen Schließung­smitteilun­g“kann daher keine Rede sein.

Aufgrund der insolvenzr­echtlichen Vorgaben kann ein defizitäre­r Krankenhau­sbetrieb nicht aufrecht erhalten werden. Auch lässt die Personalsi­tuation des Krankenhau­ses eine längere Aufrechter­haltung des Krankenhau­sbetriebs nicht zu. „Deshalb war es aus tatsächlic­hen, wirtschaft­lichen und rechtliche­n Gründen unumgängli­ch, einen geordneten Schließung­sprozess nach dem kommunizie­rten Zeitplan einzuleite­n“, heißt es in dem Schreiben vom vergangene­n Wochenende.

Die leitenden Oberärzte sprachen unterdesse­n in ihrem Brandbrief „von einem konsequent­en Einhalten intranspar­enter Entscheidu­ngen, begleitet von einem dröhnenden Schweigen“.

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FOTO: ACHIM BLAZY Im St. Marien Krankenhau­s werden bald keine Patienten mehr aufgenomme­n.

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