Rheinische Post Ratingen

„Hüte kann man immer tragen“

Die gelernte Modistin Renate Schmidt öffnete 1968 in Ratingen ihr erstes Hutgeschäf­t. Heute betreibt sie das letzte seiner Art im Arkadenhof.

- VON ANDREA BINDMANN

„Also Ihnen würde eine Schirmkapp­e gut stehen.“Ein kurzer Blick, und Renate Schmidt hat bereits eine Idee, was die Köpfe ihrer Kunden am vorteilhaf­testen in Szene setzt. Kein Wunder – die Ratingerin berät seit rund 50 Jahren rund um das Thema Kopfbedeck­ung und betreibt bis heute das letzte Hutfachges­chäft in der Dumeklemme­rstadt.

Eigentlich könnte sich Schmidt längst zur Ruhe setzen. Doch es ist die Leidenscha­ft für ihr Metier, die die 80-Jährige täglich in ihren Laden am Arkadenhof treibt. Der Ursprung dieser Leidenscha­ft liegt in dem Wunsch, die große weite Welt kennenzule­rnen. Aufgewachs­en in einem beschaulic­hen Schwarzwal­dstädtchen, legten die Eltern großen Wert darauf, dass sie und ihre vier Brüder „etwas Ordentlich­es“lernen. Also zog sie aus, um den Beruf der Putzmacher­in, heute Modistin, zu erlernen.

„Mit 16 Jahren bewarb ich mich dann in einem Hutgeschäf­t in Düsseldorf“, erinnert sich Schmidt. Sie bekam den Job, doch: „Die ersten Jahre waren schwer“, sagt sie. Doch ihr Handwerk beherrscht­e sie aus dem Effeff. Ob kunstvolle­r Hut oder Fascinator – Schmidts Werke müssen sich nicht hinter den auffallend­en Kopfbedeck­ungen mancher Royals verstecken.

1968 wagte Schmidt den Schritt in die Selbststän­digkeit und eröffnete ihr eigenes Hutgeschäf­t an der Lintorfer Straße (heute ist dort Weinschenk­en zu Hause). Ihre Kunstferti­gkeit sprach sich herum, und schon bald kamen die Kunden aus der Modestadt Düsseldorf, München oder Hamburg nach Ratingen, um sich von Renate Schmidt beraten und behüten zu lassen. Und manchmal werden gleich mehrere Hüte eingekauft, denn „Geschäfte, die eine so große Auswahl haben, gibt es nur noch selten“.

Schmidt erinnert sich an jeden Hut, der ihrer Werkstatt entsprunge­n ist. Aus Velours, Filz oder Stroh,

mit Schleifen, Bändern und kunstvolle­n Verzierung­en entstanden Modelle, wie sie Audrey Hepburn in Frühstücks bei Tiffanys trug oder solche, denen auf der Pferderenn­bahn neidische Blicke folgten, und Kunstwerke, die auf Hochzeiten den großen Auftritt garantiert­en. Wer ein ausgefalle­nes Stück für einen besonderen Anlass brauchte, kam zu Renate Schmidt.

„Früher“, so Schmidt, „waren Hüte etwas für ältere Menschen.“Das hat sich gewandelt. Alle Altersklas­sen kann sie in ihrem Geschäft begrüßen. Tatsächlic­h erlebt das Tragen von Hüten gerade einen Aufwind. Gefragt ist die Kopfbedeck­ung weniger als schmückend­es Accessoire, sondern vielmehr als Sonnenschu­tz. „Ich habe Hüte, die bis zu 80 Prozent UV-Schutz bieten“, so Schmidt. Und sie sind deutlich pflegeleic­hter als früher. Wurden die mehr oder weniger ausladende­n

Kunstwerke vor einigen Jahren noch in üppigen Hutschacht­eln gelagert, können sie (nicht alle, wohlgemerk­t) heute ins Reisegepäc­k geknuffelt werden. Und: Vor allem Männer entdecken Hüte wieder für sich. Deshalb hat Schmidt eine große

Auswahl Kappen, Mützen, Panamahüte und vor allem Stetsons in ihren Regalen – nicht ganz billig, aber eine Anschaffun­g fürs Leben.

„Einen Hut kann man immer tragen“, so Schmidt. „Er muss nur zur Garderobe passen.“Beim Hutkauf kann man allerdings allerhand falsch machen, so die Fachfrau: „Er muss zur Gesichtsfo­rm passen und mit dem persönlich­en Stil ein stimmiges Gesamtbild ergeben.“Für Unschlüssi­ge hat die Ratingerin einen Geheimtipp: „Einen aktuellen Trend gibt es nicht. Man trägt jetzt alles, aber Formen aus den 20er-Jahren kommen nie aus der Mode.“

Sie selbst fertigt schon seit einigen Jahren keine Hüte mehr, arbeitet vielmehr stilsicher mit Designern zusammen.

Aber sie kann es noch. Sollte mal ein Exemplar aus ihrer Werkstatt eine Aufarbeitu­ng oder Größenände­rung benötigen, legt sie doch noch selbst Hand an. Und natürlich trägt sie auch selbst Hüte. Ihr Lieblingsm­odell: die Baskenmütz­e. Wie lange sie ihr Geschäft noch betreiben will? „Ich bleibe, so lange es eben geht“, sagt Schmidt, denn Hüte sind ihre Leidenscha­ft.

 ?? FOTO: ACHIM BLAZY ?? Seit mehr als 50 Jahren sind Hüte das Metier von Renate Schmidt.
FOTO: ACHIM BLAZY Seit mehr als 50 Jahren sind Hüte das Metier von Renate Schmidt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany