„Hüte kann man immer tragen“
Die gelernte Modistin Renate Schmidt öffnete 1968 in Ratingen ihr erstes Hutgeschäft. Heute betreibt sie das letzte seiner Art im Arkadenhof.
„Also Ihnen würde eine Schirmkappe gut stehen.“Ein kurzer Blick, und Renate Schmidt hat bereits eine Idee, was die Köpfe ihrer Kunden am vorteilhaftesten in Szene setzt. Kein Wunder – die Ratingerin berät seit rund 50 Jahren rund um das Thema Kopfbedeckung und betreibt bis heute das letzte Hutfachgeschäft in der Dumeklemmerstadt.
Eigentlich könnte sich Schmidt längst zur Ruhe setzen. Doch es ist die Leidenschaft für ihr Metier, die die 80-Jährige täglich in ihren Laden am Arkadenhof treibt. Der Ursprung dieser Leidenschaft liegt in dem Wunsch, die große weite Welt kennenzulernen. Aufgewachsen in einem beschaulichen Schwarzwaldstädtchen, legten die Eltern großen Wert darauf, dass sie und ihre vier Brüder „etwas Ordentliches“lernen. Also zog sie aus, um den Beruf der Putzmacherin, heute Modistin, zu erlernen.
„Mit 16 Jahren bewarb ich mich dann in einem Hutgeschäft in Düsseldorf“, erinnert sich Schmidt. Sie bekam den Job, doch: „Die ersten Jahre waren schwer“, sagt sie. Doch ihr Handwerk beherrschte sie aus dem Effeff. Ob kunstvoller Hut oder Fascinator – Schmidts Werke müssen sich nicht hinter den auffallenden Kopfbedeckungen mancher Royals verstecken.
1968 wagte Schmidt den Schritt in die Selbstständigkeit und eröffnete ihr eigenes Hutgeschäft an der Lintorfer Straße (heute ist dort Weinschenken zu Hause). Ihre Kunstfertigkeit sprach sich herum, und schon bald kamen die Kunden aus der Modestadt Düsseldorf, München oder Hamburg nach Ratingen, um sich von Renate Schmidt beraten und behüten zu lassen. Und manchmal werden gleich mehrere Hüte eingekauft, denn „Geschäfte, die eine so große Auswahl haben, gibt es nur noch selten“.
Schmidt erinnert sich an jeden Hut, der ihrer Werkstatt entsprungen ist. Aus Velours, Filz oder Stroh,
mit Schleifen, Bändern und kunstvollen Verzierungen entstanden Modelle, wie sie Audrey Hepburn in Frühstücks bei Tiffanys trug oder solche, denen auf der Pferderennbahn neidische Blicke folgten, und Kunstwerke, die auf Hochzeiten den großen Auftritt garantierten. Wer ein ausgefallenes Stück für einen besonderen Anlass brauchte, kam zu Renate Schmidt.
„Früher“, so Schmidt, „waren Hüte etwas für ältere Menschen.“Das hat sich gewandelt. Alle Altersklassen kann sie in ihrem Geschäft begrüßen. Tatsächlich erlebt das Tragen von Hüten gerade einen Aufwind. Gefragt ist die Kopfbedeckung weniger als schmückendes Accessoire, sondern vielmehr als Sonnenschutz. „Ich habe Hüte, die bis zu 80 Prozent UV-Schutz bieten“, so Schmidt. Und sie sind deutlich pflegeleichter als früher. Wurden die mehr oder weniger ausladenden
Kunstwerke vor einigen Jahren noch in üppigen Hutschachteln gelagert, können sie (nicht alle, wohlgemerkt) heute ins Reisegepäck geknuffelt werden. Und: Vor allem Männer entdecken Hüte wieder für sich. Deshalb hat Schmidt eine große
Auswahl Kappen, Mützen, Panamahüte und vor allem Stetsons in ihren Regalen – nicht ganz billig, aber eine Anschaffung fürs Leben.
„Einen Hut kann man immer tragen“, so Schmidt. „Er muss nur zur Garderobe passen.“Beim Hutkauf kann man allerdings allerhand falsch machen, so die Fachfrau: „Er muss zur Gesichtsform passen und mit dem persönlichen Stil ein stimmiges Gesamtbild ergeben.“Für Unschlüssige hat die Ratingerin einen Geheimtipp: „Einen aktuellen Trend gibt es nicht. Man trägt jetzt alles, aber Formen aus den 20er-Jahren kommen nie aus der Mode.“
Sie selbst fertigt schon seit einigen Jahren keine Hüte mehr, arbeitet vielmehr stilsicher mit Designern zusammen.
Aber sie kann es noch. Sollte mal ein Exemplar aus ihrer Werkstatt eine Aufarbeitung oder Größenänderung benötigen, legt sie doch noch selbst Hand an. Und natürlich trägt sie auch selbst Hüte. Ihr Lieblingsmodell: die Baskenmütze. Wie lange sie ihr Geschäft noch betreiben will? „Ich bleibe, so lange es eben geht“, sagt Schmidt, denn Hüte sind ihre Leidenschaft.