Vereine wirken wie ein Seelenpflaster
Eine vielfältige Landschaft aus Vereinen, Brauchtum und Ehrenamt bildet den Kitt der Stadtgesellschaft. Warum eben dieser für die Gemeinschaft so wichtig ist.
Ehrenamt und Brauchtum, zwei Begriffe, deren Verbindung nicht wenigen Menschen schwerfällt. Das Ehrenamt wird häufig mit Tätigkeiten im Rettungsund Sozialdienst in Verbindung gebracht, das Brauchtum mit Feiern, Spaß und Geschichte(n). Aber gerade das lokale Brauchtum hat einen sehr engen Bezug zu allem, was mit der klassischen ehrenamtlichen Betätigung zu tun hat.
„Wenn die Schützenvereine feiern und dabei die Stadt mit Leben erfüllen, tun sie das nicht, um sich selbst zu feiern, sondern um Frohsinn gepaart mit Traditionen zu teilen“, so Karl Heinz Schneider, Ehrenvorsitzender der St. Sebastiani Bruderschaft in Ratingen. Die Schützenvereine, einst als wehrhafter Teil der Stadt- und Landbevölkerung gegründet, erfüllen auch heute noch vielfältige Aufgaben, die nicht vordergründig sichtbar sind. Entgolten werden diese Aufgaben in der Regel nicht und erfolgen somit genauso ehrenamtlich wie die Bereitschaft in der Freiwilligen Feuerwehr.
Die starke Gemeinschaft der Vereine und deren vielfältige Aktivitäten kleben so manches Seelenpflaster und verbinden mit ihrer Gesprächsbereitschaft so manchen Bruch, ganz ähnlich wie rein karitative, soziale und auch kirchliche Vereine und Gesellschaften, die durch die Arbeit der Brauchtumsvereine unterstützt werden.
„Dass meist finanzielle Unterstützung durch die Schützen erfolgt, tut dem Gemeinsinn der Aktion keinen Abbruch,“so Eckhard Franken, Ehrenplatzwart und langjähriger Organisator der Bruderschaft, „es kommt letztendlich darauf an, das wir als Schützen dem Namenssinn verpflichtet sind, unsere Stadt zu schützen und zu stärken“.
Das „Brauchtum in allen Facetten ist der Kitt der Gesellschaft“, so Andreas Kellersmann, Chef der Lintorfer Bruderschaft. Jahrhunderte alte Traditionen müssen auch mal auf den Prüfstand und dem modernen Zeitgeist angepasst werden, ohne dabei jedoch ihre Identität aufzugeben oder rituelle Bräuche ganz in Vergessenheit geraten zu lassen. Aus dem geselligen Zusammensein
und den gemeinsamen Gesprächen entwickeln sich viele Ideen, die in die Tat umgesetzt werden und dabei häufig dem Gemeinwohl dienen.
Auch der Karneval, der sich einst als Widerstand gegen die kirchliche und staatliche Autorität verstand, hat sich zu einem, in der breiten Masse der Bevölkerung akzeptierten, Brauch entwickelt, der jetzt teilweise bereits neu gedacht wird. Neue Vereine mit neuen Konzepten versuchen die selbstgeschaffenen Sachzwänge des Karnevals abzustreifen, um wieder mehr junge Menschen als „Content Creator“statt als „Consumer“zu begeistern. Ein Beispiel dafür sind die Lampisten, der jüngste unter den Ratinger Karnevalsvereinen. „Wir sind eine Gruppe von Menschen die sich schon seit Jahren kennen“, so Melanie Meyer unter anderem bei den
Lampisten für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig. „Wir wollen mit unserem Wirken dauerhaft einen sozialen Fußabdruck in der Gesellschaft hinterlassen, indem wir karitative Projekte fördern und dies mit einem konstruktiv kritischen Blick auf unsere Heimat tun, der nicht nur als spontane Reaktion auf eintretende Ausnahmefälle beschränkt ist“, so die Lampisten.
„Durch die räumliche Nähe einzelner Schützenbruderschaften und den Überschneidungen im Bereich der Aktivitäten ist eine enge Zusammenarbeit schon gegeben, diese soll aber auch stadtteilübergreifend langfristig zu Synergien führen, um effektiver Hilfen und Unterstützung dort leisten zu können, wo sie gerade gebraucht werden“, sagt Frank Groten, zweiter Vorsitzender des St. Georgs-Corps in Lintorf.
Der Nutzen für den Zusammenhalt in der Gesellschaft und die Förderung des interkulturellen Dialogs mit Vereinen anderer Ausrichtung ist auch abseits der Volksfeste hoch. Die Schützenfeste sind zwar die weithin sichtbare Darstellung des Brauchtums, aber nicht der Hauptzweck. Nicht ganz uneigennützig wenden sich die Brauchtumsvereine mit Ihren Festen insbesondere an jüngere Menschen, denn wer erst einmal mit dem Verein in Berührung gekommen ist, dem fällt es leichter, sich dem ganzen positiv zuzuwenden und Teil eines großen Ganzen zu werden.
Da jeder Verein auch seine eigene Prägung hat, ist letztendlich für jeden irgendwo ein Platz, der seinen besonderen Vorlieben entspricht. Das Spektrum reicht dabei vom Pferdesport über Vereine
mit handwerklicher Ausrichtung, musikalischen und turnerischen Prägungen sowie dem klassischen Schießsport. Gemeinsam ist allen Vereinen dabei die Freude am geselligen Zusammensein und dem gemeinschaftlichen Ziel, die Besonderheiten der Heimat zu betonen, zu bewahren und für die Menschen lebenswerter zu gestalten.
„Wenn es allerdings nur ums Feiern ginge, so könnten wir dies auch alleine unter uns machen, aber gerade in der Zusammenkunft vieler unterschiedlicher Menschen mit ihren Stärken und Schwächen liegt der Reiz des Ganzen“, sagt Gerd Eble, Ehrenschriftführer der Bruderschaft und dem Schützenwesen seit seinem 19. Lebensjahr eng verbunden. „Die Bruderschaft ist wie eine zweite Familie, immer da, wo sie gebraucht wird.“