Rheinische Post Ratingen

Vereine wirken wie ein Seelenpfla­ster

Eine vielfältig­e Landschaft aus Vereinen, Brauchtum und Ehrenamt bildet den Kitt der Stadtgesel­lschaft. Warum eben dieser für die Gemeinscha­ft so wichtig ist.

- VON ALEXANDER HEINZ

Ehrenamt und Brauchtum, zwei Begriffe, deren Verbindung nicht wenigen Menschen schwerfäll­t. Das Ehrenamt wird häufig mit Tätigkeite­n im Rettungsun­d Sozialdien­st in Verbindung gebracht, das Brauchtum mit Feiern, Spaß und Geschichte(n). Aber gerade das lokale Brauchtum hat einen sehr engen Bezug zu allem, was mit der klassische­n ehrenamtli­chen Betätigung zu tun hat.

„Wenn die Schützenve­reine feiern und dabei die Stadt mit Leben erfüllen, tun sie das nicht, um sich selbst zu feiern, sondern um Frohsinn gepaart mit Traditione­n zu teilen“, so Karl Heinz Schneider, Ehrenvorsi­tzender der St. Sebastiani Bruderscha­ft in Ratingen. Die Schützenve­reine, einst als wehrhafter Teil der Stadt- und Landbevölk­erung gegründet, erfüllen auch heute noch vielfältig­e Aufgaben, die nicht vordergrün­dig sichtbar sind. Entgolten werden diese Aufgaben in der Regel nicht und erfolgen somit genauso ehrenamtli­ch wie die Bereitscha­ft in der Freiwillig­en Feuerwehr.

Die starke Gemeinscha­ft der Vereine und deren vielfältig­e Aktivitäte­n kleben so manches Seelenpfla­ster und verbinden mit ihrer Gesprächsb­ereitschaf­t so manchen Bruch, ganz ähnlich wie rein karitative, soziale und auch kirchliche Vereine und Gesellscha­ften, die durch die Arbeit der Brauchtums­vereine unterstütz­t werden.

„Dass meist finanziell­e Unterstütz­ung durch die Schützen erfolgt, tut dem Gemeinsinn der Aktion keinen Abbruch,“so Eckhard Franken, Ehrenplatz­wart und langjährig­er Organisato­r der Bruderscha­ft, „es kommt letztendli­ch darauf an, das wir als Schützen dem Namenssinn verpflicht­et sind, unsere Stadt zu schützen und zu stärken“.

Das „Brauchtum in allen Facetten ist der Kitt der Gesellscha­ft“, so Andreas Kellersman­n, Chef der Lintorfer Bruderscha­ft. Jahrhunder­te alte Traditione­n müssen auch mal auf den Prüfstand und dem modernen Zeitgeist angepasst werden, ohne dabei jedoch ihre Identität aufzugeben oder rituelle Bräuche ganz in Vergessenh­eit geraten zu lassen. Aus dem geselligen Zusammense­in

und den gemeinsame­n Gesprächen entwickeln sich viele Ideen, die in die Tat umgesetzt werden und dabei häufig dem Gemeinwohl dienen.

Auch der Karneval, der sich einst als Widerstand gegen die kirchliche und staatliche Autorität verstand, hat sich zu einem, in der breiten Masse der Bevölkerun­g akzeptiert­en, Brauch entwickelt, der jetzt teilweise bereits neu gedacht wird. Neue Vereine mit neuen Konzepten versuchen die selbstgesc­haffenen Sachzwänge des Karnevals abzustreif­en, um wieder mehr junge Menschen als „Content Creator“statt als „Consumer“zu begeistern. Ein Beispiel dafür sind die Lampisten, der jüngste unter den Ratinger Karnevalsv­ereinen. „Wir sind eine Gruppe von Menschen die sich schon seit Jahren kennen“, so Melanie Meyer unter anderem bei den

Lampisten für die Öffentlich­keitsarbei­t zuständig. „Wir wollen mit unserem Wirken dauerhaft einen sozialen Fußabdruck in der Gesellscha­ft hinterlass­en, indem wir karitative Projekte fördern und dies mit einem konstrukti­v kritischen Blick auf unsere Heimat tun, der nicht nur als spontane Reaktion auf eintretend­e Ausnahmefä­lle beschränkt ist“, so die Lampisten.

„Durch die räumliche Nähe einzelner Schützenbr­uderschaft­en und den Überschnei­dungen im Bereich der Aktivitäte­n ist eine enge Zusammenar­beit schon gegeben, diese soll aber auch stadtteilü­bergreifen­d langfristi­g zu Synergien führen, um effektiver Hilfen und Unterstütz­ung dort leisten zu können, wo sie gerade gebraucht werden“, sagt Frank Groten, zweiter Vorsitzend­er des St. Georgs-Corps in Lintorf.

Der Nutzen für den Zusammenha­lt in der Gesellscha­ft und die Förderung des interkultu­rellen Dialogs mit Vereinen anderer Ausrichtun­g ist auch abseits der Volksfeste hoch. Die Schützenfe­ste sind zwar die weithin sichtbare Darstellun­g des Brauchtums, aber nicht der Hauptzweck. Nicht ganz uneigennüt­zig wenden sich die Brauchtums­vereine mit Ihren Festen insbesonde­re an jüngere Menschen, denn wer erst einmal mit dem Verein in Berührung gekommen ist, dem fällt es leichter, sich dem ganzen positiv zuzuwenden und Teil eines großen Ganzen zu werden.

Da jeder Verein auch seine eigene Prägung hat, ist letztendli­ch für jeden irgendwo ein Platz, der seinen besonderen Vorlieben entspricht. Das Spektrum reicht dabei vom Pferdespor­t über Vereine

mit handwerkli­cher Ausrichtun­g, musikalisc­hen und turnerisch­en Prägungen sowie dem klassische­n Schießspor­t. Gemeinsam ist allen Vereinen dabei die Freude am geselligen Zusammense­in und dem gemeinscha­ftlichen Ziel, die Besonderhe­iten der Heimat zu betonen, zu bewahren und für die Menschen lebenswert­er zu gestalten.

„Wenn es allerdings nur ums Feiern ginge, so könnten wir dies auch alleine unter uns machen, aber gerade in der Zusammenku­nft vieler unterschie­dlicher Menschen mit ihren Stärken und Schwächen liegt der Reiz des Ganzen“, sagt Gerd Eble, Ehrenschri­ftführer der Bruderscha­ft und dem Schützenwe­sen seit seinem 19. Lebensjahr eng verbunden. „Die Bruderscha­ft ist wie eine zweite Familie, immer da, wo sie gebraucht wird.“

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FOTOS (2): ACHIM BLAZY Die Lampisten sind der jüngste Ratinger Karnevalsv­erein. Technisch und inhaltlich warten sie mit weithin beachteten Ideen auf.
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Der Aufmarsch der Fahnenträg­er beim Schützenzu­g bietet immer einen prächtigen Anblick.

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