Gespräche im Schatten von St. Anna
Seit 2016 folgen Schüler dreier Grundschulen zusammen mit den Heimatfreunden Spuren der Dorfgeschichte. Was die Neuauflage verspricht.
Wenn die Grundschüler in Kostümen, die der Kleidung der Vergangenheit nachempfunden wurden, durch Lintorf ziehen, hat es mit Karneval ganz und gar nichts zu tun. Sie verwandeln sich vielmehr in „Zeitzeugen“, lernen etwas über die Vergangenheit ihres Wohnortes und vermitteln ihr Wissen an die Zuhörer, in dem sie die geschichtsträchtigen Gebäude in ihrem Dorf sowie die Menschen, die dort einst wohnten und wirkten, vorstellen So erwartet beispielsweise am alten Friedhof der Steinmetz im grauen Kittel seine Besucher, „Pfarrer Bernhard Schmitz“steht im feierlichen Gewand an der Kirchpforte der St. Anna Kirche, oder „Eve von Helpenstein“präsentiert im Kleid einer Edelfrau das Mühlengut.
Das gesamte Dorfgespräch umfasst 15 Stationen und basiert auf dem Dorfrundgang, der seinerzeit vom Verein Lintorfer Heimatfreunde ( VLH) und dem TuS 08 Lintorf erarbeitet wurde, um auf den Spuren der Lintorfer Ortsgeschichte zu wandeln. Er zeigt das ehemalige Rathaus, den Beeker Hof, das Haus „Merks“, den alten Bahnhof, die ehemalige Kaiserliche Post und einiges mehr. Walburga Fleermann-Dörrenberg, Beiratsmitglied des VLH, hatte auf Basis dieses Dorfrundgangs ein Begleitheft als Leifaden speziell für Lintorfs Grundschüler erarbeitet. Es enthält Informationen zu den historischen Stellen und zu der Person, aus deren Sicht jeweils erzählt wird.
„Durch meine museumspädagogische Arbeit im Museum Cromford kam ich auf die Idee, auch für meinen Heimatort Lintorf und den Heimatverein das Prinzip ,oral history‘ in den Dorfrundgang einzubauen. Bei dieser Methode sprechen Zeitzeugen über ihre Erlebnisse und Ereignisse. Die Kinder können, wenn sie mit entsprechendem Informationen ausgestattet sind und in eine bestimmte Rolle schlüpfen, ihr Wissen anderen viel besser weiter vermitteln und mehr Interesse für ihre Heimat entwickeln“, erklärte sie.
Beim Dorfgespräch wird auch nachhaltig gedacht, so bleiben beispielsweise die Kostüme im Eigentum des VLH. Sie können von Führung zur Führung, von Jahr zu Jahr, immer wieder nach Absprache neu beim VLH ausgeliehen werden, um die Geschichte lebendig werden zu lassen, mit dem pädagogischen Ansatz von living-history.
Ein großer gelber Koffer, gefüllt mit den authentischen Kostümen, steht im Büro des VLH bereit. Dadurch kann das „Dorfgespräch“jedes Jahr aufs Neue in den Stundenplan der jeweiligen Schule eingebunden werden. Es findet im Rahmen des Sachunterrichts statt. „Wir aktualisieren das Thema auch regelmäßig. Eine Kollegin hat die Reihe im letzten Jahr digitalisiert, so dass die Kinder den Rundgang mithilfe von QR-Codes im Vorfeld schon digital begehen konnten und sich Hintergrundwissen aneignen konn
ten. Der digitale Rundgang ersetzt aber auf keinen Fall den realen Weg durch Lintorf, der war und bleibt auch in Zukunft sehr wichtig und ist von großer Bedeutung“, sagte Marlene Stuckart, Schulleiterin der Johann-Peter-Melchior-Grundschule.
Die Schüler können sich in Absprache mit den Mitschülern eine historische Stätte aussuchen und einen kurzen Vortrag darüber vorbereiten, sei es als Kötter, Pastor, Schulkind, Bürgermeister oder Adeliger. Eine Lieblingsrolle gibt es bei den Kindern nicht wirklich. Alle lieben ihre Rollen und schlüpfen gerne in die entsprechenden Kostüme.
Die Kinder bekommen durch das Dorfgespräch einen anderen Blick auf ihr Heimatdorf und lernen es besser kennen. Die Heimatver
bundenheit wird gefördert. Außerdem sind sie stolz, wenn sie einmal „Experten“sind und anderen etwas beibringen können, denn sie gehen mit ihren Mitschülern, Familien oder auch anderen Gruppen auf den Spuren ihrer Heimat.