Gastronomie setzt auf Schub durch EM
Die Fußball-Europameisterschaft könnte den Bierbrauern in NRW fünf Prozent höhere Verkaufszahlen bescheren. Die Hoteliers rechnen mit Last-Minute-Buchern an den vier Spielorten in der Region und in deren Umfeld.
DÜSSELDORF Knapp drei Wochen vor dem Beginn der Fußball-Europameisterschaft in Deutschland hofft das nordrhein-westfälische Gastgewerbe unter anderem auf kurz entschlossene Gäste. „Wir setzen bei der Beherbergung noch auf kurzfristige Buchungen, damit aus dem Sommerloch auf jeden Fall ein Sommermärchen wird“, sagte Patrick Rothkopf, Präsident des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) NRW. Man erhoffe sich von dem Turnier „einen positiven Impuls für die Branche, nicht nur an den Spielorten, aber da natürlich besonders“.
Nordrhein-Westfalen stellt mit Düsseldorf, Köln, Gelsenkirchen und Dortmund gleich vier der zehn Spielorte. Bis Ende April war die Auslastung in den Hotels an diesen Standorten noch sehr unterschiedlich. Während Köln und Gelsenkirchen zu diesem Zeitpunkt schon auf Quoten von 78 und 76 Prozent kamen, betrug die
Auslastung in Dortmund nur 57, in der Landeshauptstadt sogar nur 55 Prozent. Das deutet darauf hin, dass viele sich hier womöglich erst spät entschließen. Gleichzeitig habe sich die Zahl der Buchungen für Hotels in Düsseldorf während des EMZeitraums zum gleichen Vorjahreszeitraum fast verdoppelt, heißt es.
Die Hotelpreise hätten auch deutlich angezogen. Mehrere Hundert Euro für eine Übernachtung sind in der Landeshauptstadt während der Europameisterschaft keine Seltenheit. Und die Auslastung dürfte sich zuletzt noch einmal deutlich erhöht haben, nachdem der europäische Fußball-Verband Uefa als Turnierausrichter Anfang Mai noch einmal mehr als 100.000 Last-Minute-Tickets für den Verkauf freigegeben hatte. Obwohl es also enger geworden sein könnte, glaubt Rothkopf: „Wer bei uns während der Euro unterkommen möchte und nicht auf einen bestimmten Betrieb zu einem bestimmten Tag festgelegt ist, wird bei uns ein passendes Angebot finden.“
Auf die EM als Schubfaktor hoffen auch die Bierbrauer in NRW, für die ein zusätzliches Geschäft durch das Fußball-Großereignis an Rhein und Ruhr wie Balsam für die geschundene Seele wäre. „Auch wenn wir in NRW etwas bessere Zahlen hatten als im Bund: 2023 war ein rabenschwarzes Jahr für die Branche. Da kann es in diesem Jahr nur besser werden“, sagt Marc
Peters, Geschäftsführer des Brauereiverbandes NRW. In Zahlen heißt das: In NRW ging der Bierabsatz um 2,8 Prozent auf 21,8 Millionen Hektoliter (2,12 Milliarden Liter) zurück, bundesweit um 4,5 Prozent auf 83,8 Millionen Hektoliter.
An den EM-Schub glauben auch andere Branchenkenner: „Die Menschen wollen wieder mal was Positives erleben. Wenn die deutsche Mannschaft weit kommt – umso besser. Aber auch wenn sie früh ausscheiden sollte, wird die Euro ein Fest“, heißt es. Der Branche könnte die EM ein Absatzplus von fünf Prozent bringen, glauben die Fachleute. Zum Vergleich: Schon vor der WM 2006 in Deutschland ging der Bierkonsum deutlich nach oben. Damals vermeldete das Statistische Bundesamt für den Monat Mai trotz schlechten Wetters gegenüber einem absatzstarken Mai 2005 noch einmal ein Plus von acht Prozent. Und auch während der Turniere steigt der Bierdurst regelmäßig: „Große Fußball-Events in der Vergangenheit haben gezeigt, dass während der Turnierdauer mehr Bier getrunken wird als sonst in Sommerwochen üblich. Im WMJahr 2006 wurden vor und während der WM rund fünf Prozent mehr Bier verkauft, bei den Folgeveranstaltungen rund vier Prozent“, sagt Holger Eichele, Präsident des Deutschen Brauer-Bundes. Damit seien solche Veranstaltungen „grundsätzlich von hoher Relevanz für die deutschen Brauereien“. Allerdings hängt bei manchen die Lust am Biertrinken womöglich neben dem Wetter doch auch am fußballerischen Erfolg. Dehoga-Präsident Rothkopf setzt voll auf den Sonnen-SommermärchenEffekt: „Wenn das Wetter und unsere Nationalmannschaft im wahrsten Sinne des Wortes mitspielen, werden wir alle eine tolle Zeit haben.“
Ein zusätzliches Lockmittel für Fans ist Public Viewing, das viele Gastwirte in der Region kostenlos bieten, in der Kneipe und/oder im Biergarten. An den vier EM-Standorten gibt es insgesamt neun große Public-Viewing-Standorte, darunter mehrere in Düsseldorf.