„Was ich heute fühle, vergesse ich nie“
Mit Tausenden Fans feiert die Mannschaft von Bayer 04 Leverkusen nach einer historischen Saison den doppelten Titel. Spieler und Gäste hatten eine kurze Nacht. Im Stadion fließen viele Freudentränen.
LEVERKUSEN Um 14.03 Uhr landet die Maschine, die den Meister und Pokalsieger nach Hause bringt, am Sonntag am Flughafen Köln/ Bonn. Einige Bayer-LeverkusenSpieler tragen Sonnenbrillen, die Nacht in Berlin wird kurz gewesen sein. Kapitän Lukas Hradecky hält den DFB-Pokal im Arm. Unten auf dem Rollfeld wartet schon Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst und begrüßt die Mannschaft und ihren Trainer Xabi Alonso. Der wurde auf Transparenten im Berliner Stadion schon als Heiliger dargestellt. Nationalspieler Jonathan Tah trägt die Meisterschale. „Wir haben die Emotionen rausgelassen“, sagt er. Einige hätten den einstündigen Flug zu einem Nickerchen genutzt. „Das wird noch ein langer Tag für uns“, sagt der Innenverteidiger.
30 Kilometer entfernt scheint ganz Leverkusen sich in die Vereinsfarben geworfen zu haben. Eine schwarz-rot gekleidete Fan-Menge wartet sehnsüchtig auf ihre Mannschaft. „Berlin war einfach nur der Knaller“, sagt Irene Manderfeld vor der BayArena: „So was Spannendes habe ich noch nie erlebt.“Ehrensache, dass sie dabei war beim Pokalfinale gegen Kaiserslautern. Noch in der Nacht ist sie mit dem Auto nach Leverkusen zurückgefahren. Viel Zeit zum Feiern blieb da nicht. Am Sonntag wird das aber nun beim Empfang in der BayArena nachgeholt. Müde, aber glücklich – genau wie die Mannschaft. Die wird aber erst mal mit dem Bus zum Schloss Morsbroich kutschiert, zum Eintrag ins Goldene Buch. Neben Leverkusens Oberbürgermeister Uwe Richrath gratulieren dort auch NRW-Innenminister Herbert Reul und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. Lauterbach hatte am Samstagabend schon Fotos vom Spiel gepostet und den Nachthimmel über dem Berliner Stadion geknipst. Auf Schloss Morsbroich macht Lauterbach Selfies mit Xabi Alonso.
Dann endlich bringt ein Korso die Mannschaft zu den Fans. Im Schritttempo geht es durch die Stadt. Die Fans recken den Spielern ihre Hände entgegen. Die Spieler werfen Trikots und Schals, ein bisschen ist es wie beim Rosenmontagszug, nur ohne Kamelle. Aber wer braucht schon Süßigkeiten, wenn er die glänzende Meisterschale mal kurz berühren darf? Vizekusen ist jetzt Doublekusen.
Dass es am Ende nur zwei von drei möglichen Pokalen geworden sind, können die Fans locker verschmerzen. Im Finale der Europa League musste sich die Werkself vor wenigen Tagen geschlagen geben. „Atalanta Bergamo war einfach die bessere Mannschaft“, sagt Stefan Wolfram, der mit seinem Sohn mitfeiert: „Das Double ist auch etwas ganz Besonderes.“Am meisten freuen sie sich ohnehin über die lang ersehnte Meisterschaft, „weil das der größte Titel für uns ist, den wir jemals erreichen“. Leverkusen schwelgt im Glück.
Gegen 17 Uhr dann Ekstase in der
BayArena: Die Mannschaft betritt das Stadion – in vorderster Reihe Coach Alonso, Torhüter Hradecky und Innenverteidiger Jonathan Tah. Dazu erklingt „Can’t stop“von der US-Band Red Hot Chili Peppers. „Bayer 04, wir stehen zu dir!“, skandiert die Menge, natürlich fließen Tränen, als die Mannschaft unter tosendem Applaus einläuft. Auch Martin Hamann wischt sich mit dem bereits komplett durchnässten Papiertaschentuch über die Wangen. Er ist heute einer von 40.000 Fans in der Arena und hat sich vorsorglich schon ein Stückchen Rasen mitgenommen, als die Mannschaft sich am 29. Spieltag Mitte April vorzeitig den Meistertitel geholt hat. „Den hab’ ich in einen großen Blumentopf gepflanzt“, sagt er. Nach seiner Hochzeit sei dieser Sonntag der schönste Tag seines Lebens, sagt Hamann: „Wie ich mich heute fühle, das werde ich nie mehr vergessen.“Auch den langjährigen Bayer-Torhüter Rüdiger Vollborn überwältigen als Co-Kommentator beim WDR die Emotionen. Ihm stockt die Stimme, er kann für kurze Zeit nicht weitersprechen und sagt dann: „Von dem Tag habe ich so lange geträumt, dass die endlich wieder was Greifbares haben.“Der 61-Jährige gehörte zum Team, das 1988 den Uefa-Pokal holte.
Dann setzt der Regen ein, es gießt wie aus Eimern. Die Technik wackelt in der Arena, die Musik setzt aus. Alles nicht wichtig. Die schwarz-rote Menge ist selig. Konfetti-Kanonen, noch mehr Tränen. Und die Bayer-Fans stimmen einen absoluten Klassiker an: „Zieht den Bayern die Lederhosen aus!“