„Endlich zurück auf dem Heimatplaneten“
Der deutsche Astronaut Alexander Gerst erholt sich im Kölner Institut der Deutschen Luft- und Raumfahrt von seinem 166-tägigen Trip ins All. Seinen alten Job als Vulkanologe hat er offiziell an den Nagel gehängt. Jetzt will er zum Mars.
KÖLN Die Ärzte hatten Alexander Gerst gewarnt: Wenn er nach 166 Tagen aus dem Weltall auf die Erde zurückkehren würde, könne er wahrscheinlich erst einmal nicht laufen. Durch die Schwerelosigkeit wären seine Muskeln geschwächt. Als Gerst gestern zum ersten Mal nach seiner Rückkehr von der ISS vor die Öffentlichkeit trat, saß er aber nicht im Rollstuhl. „Ich komme gerade vom Laufband, bin also noch ganz im Sportmodus“, sagte er grinsend. Die Rückkehr in den Alltag auf der Erde geht dem deutschen Astronauten genauso leicht von der Hand wie die 400 Kilometer weite Reise auf die Internationale Raumstation (ISS) und zurück.
Am Montag ging die Mission für den 38-Jährigen zu Ende. „Als ich in Kasachstan die ersten bekannten Gesichter sah, dachte ich ,Hoppla, jetzt bist du wieder auf der Erde’.“In Schottland traf er kurz darauf seine Lebensgefährtin. Mit ihr ging es nach Köln. Dort erholt er sich derzeit im Esa-Astronautencenter von der Landung. „Die war wirklich hart. Durch die starke Belastung fiel uns das Atmen schwer. Dann sieht man, wie sich Teile vom Raumschiff lösen und verbrennen. Es ist laut und es kracht – das war aufregend.“Am Boden angekommen zog der Fallschirm die Raumkapsel noch etwa 100 Meter mit sich. „Wir haben uns immer wieder überschlagen. Manch andere würden dafür Geld bezahlen.“
Es war eine aufregende Zeit für den deutschen Astronauten, doch jetzt ist er froh, „zurück auf dem Heimatplaneten“zu sein. Dass das Fernweh zurückkommen wird, davon ist er aber überzeugt. Auf Feuerberge will der gelernte Vulkanologe erst einmal nicht wieder klettern. „Mein alter Beruf war der zweitbeste überhaupt, aber den hab ich an den Nagel gehängt.“Er könne sich vorstellen, dass es für ihn als nächstes zum Mars gehen könnte. „Technisch sind wir soweit. Ich hätte nichts dagegen, an einer Marsmission teilzunehmen.“Erst einmal hat er aber auf der Erde genug zu tun. Er muss einige der rund 100 Experimente aufarbeiten, die er auf der ISS durchgeführt hat. Dabei hat er im All einige heikle Momente erlebt. „Einmal konnten wir einen Bolzen nicht lösen, der am Körper festklemmte. Letztlich haben wir es aber hinbekommen – wir haben ihn mit Rasierschaum gelöst.“Auch sonst sei ihm oben, 400 Kilometer über der Erde, alles recht gut geglückt. „Woran ich zuletzt gearbeitet habe, das läuft noch. Ich habe also alle Kabel richtig eingesteckt“, scherzt er. Kein anderer Astronaut vor ihm hat die Men
schen so intensiv an ei- ner Mission teilhaben lassen wie Gerst. Regelmäßig schickte er Kurznachrichten und Bilder ans EsaCenter, das diese dann bei Twitter und Facebook eingestellt hat. „Jeder Mensch sollte mal ins All fliegen und die Erde aus einer anderen Perspektive sehen“, sagt er und meint damit nicht nur die faszinierende Aussicht. „Wenn man dort oben ist, sieht man, wie zerbrechlich die Erde ist. Dann wirkt es grotesk, dass sich die Menschen bekämpfen und die Umwelt zerstören. Man blickt aus dem All auf die Erde und sieht das ganze Schwarz drumherum. Wir haben keinen anderen Ort, an den wir gehen können.“
Auch Grenzen habe er von der ISS aus nicht ausmachen können. Ein schöner Gedanke – die Welt ohne Grenzen. Schwierig aber für die Lokalisation von Orten, gibt Gerst zu. „Ich habe zur Erde hinuntergeschaut und Köln gesucht. Es ist schwierig, Länder auszumachen, die keine Wasserlinie haben. Auf der Suche nach Köln habe ich den Abstand zur Nordsee geschätzt – und später festgestellt, dass ich in der Schweiz gesucht habe.“Den Kölner Dom hat er trotzdem entdeckt. „Der ist mit dem bloßen Auge sichtbar.“
In den kommenden drei Wochen wird Gerst erst einmal unter die Lupe genommen. Die Esa-Experten werden untersuchen, wie sich das Leben im All auf seine Knochen, seine Augen und sein Schlafverhalten ausgewirkt hat. Inzwischen genießt der 38-Jährige erst einmal all das, was er im All vermisst hat: Äpfel, Pizza – beides hat er seit seiner Rückkehr in Mengen geschenkt bekommen – scharfe Soßen und Süßigkeiten. In Gedanken ist er aber noch immer im All, nämlich bei „Rosetta“und dem Mini-Labor „Philae“. „Es ist wirklich unglaublich, was man da geschafft hat. Ich verfolge das gleichzeitig vor dem Fernseher und im Internet, während ich telefoniere und darüber rede. Es ist ein Wissenschaftskrimi.“
Als Hochtechnologieland müsse Deutschland weiter in die Raumfahrt investieren, sagt Gerst. „Ich denke, das ist nicht zu teuer. Jeder EU-Bürger zahlt im Jahr etwa zehn Euro für die Raumfahrt – das sind eine Pizza und ein Kaffee. Dafür bekommen wir sehr viel, etwa Telekommunikation und die Wettervorhersage.“Daher müsse es irgendwann auch zum Mars gehen – denn diese Mission könne, ähnlich wie die „Rosetta“Operation, Aufschluss geben, ob der Mensch allein ist im Weltall. Und viel wichtiger: „Der Mars war der Erde mal sehr ähnlich, jetzt ist er unbewohnbar. Wir können vielleicht lernen, wie wir vermeiden, dass es der Erde ebenso ergeht.“
„Wenn man dort oben ist, sieht man, wie zerbrechlich
die Erde ist“
Alexander Gerst