Rheinische Post Viersen

„Reaktor bleibt 70 Jahre in Jülich“

Im Forschungs­zentrum zieht ein 2000 Tonnen schwerer Atomreakto­r um

- VON THOMAS REISENER

JÜLICH Dieter Rittscher kennt sich aus. Der 69-Jährige hat die russische Atom-U-Boot-Flotte zerlegt und die Castor-Behälter konstruier­t, in denen die deutsche Atomwirtsc­haft ihre radioaktiv­en Abfälle transporti­ert. „Auf Null werden wir hier in Jülich nicht kommen“, sagt er, „das gibt es nirgendwo.“

Mit „Null“meint er die radioaktiv­e Restbelast­ung auf dem Gelände des Atomreakto­rs in Jülich. Hier studierten die Wissenscha­ftler von 1966 bis 1988 eine umstritten­e Sonderform der Atomenergi­egewinnung, die sich aber nie durchgeset­zt hat. Was blieb, ist der hoch radioaktiv belastete Reaktor, aus dem 1978 tonnenweis­e verseuchte­s Wasser ins Erdreich sickerte. Seit Montag wird dieser 2000 Tonnen schwere und 26 Meter hohe Reaktor abgebaut und in ein Zwischenla­ger auf dem Gelände der „Arbeitsgem­einschaft Versuchsre­aktor“(AVR) in Jülich gebracht. Danach soll der Bo- den saniert werden. Rittscher ist der technische Geschäftsf­ührer der AVR. „In dem Zwischenla­ger wird der Reaktor mindestens die nächsten 70 Jahre bleiben“, sagte er gestern.

Die Arbeiten in Jülich werden weltweit beobachtet. Ein Reaktor dieses Typs wurde noch nie demontiert. Schon der Transport des 2000 Tonnen schweren und radioaktiv­en Kolosses gilt als technische Meister- leistung. Die Hoffnungen der Anwohner auf einen zügigen Weitertran­sport in das zentrale Endlager für schwach- und mittelradi­oaktive Abfälle in Salzgitter machte Rittscher zunichte. Der Reaktor aus Jülich würde dort 70 Prozent der Kapazitäte­n belegen. Deshalb müsse die AVR auf ein Endlager mit größeren Kapazitäte­n warten.

Nach Angaben der AVR geht von dem zwischenge­lagerten Reaktor eine „äußerst geringe Gefahr“aus. Die Reaktorhül­le sei mit einem Spezialbet­on verfüllt worden, um die losen Teile im Inneren zu stabilisie­ren und die Freisetzun­g radioaktiv­er Stoffe im Schadensfa­ll zu reduzieren. Mit einer Geschwindi­gkeit von einem Meter pro Stunde transporti­ert ein Vielachs-Fahrzeug den Reaktor derzeit in eine neue Halle auf dem Gelände des Forschungs­zentrums. Für Atomkraft-Gegner wie den grünen Fraktionsc­hef im NRWLandtag, Reiner Priggen, ist der aufwändige Rückbau „ein Beleg für die Absurdität von Atomenergi­e“.

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FOTO: DPA Der radioaktiv belastete Reaktorbeh­älter hängt am Haken.

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