Rheinische Post Viersen

„Steuerdeba­tte ist nicht sinnvoll“

Die SPD-Generalsek­retärin über Kohlestrom und Vermögenss­teuer.

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Frau Fahimi, hat uns Ministerin Nahles hinters Licht geführt, wenn nun die Rente mit 63 deutlich teurer wird als bekannt gegeben?

FAHIMI Ganz sicher nicht. Ich finde es gut, dass die abschlagsf­reie Rente nach 45 Beitragsja­hren auf viel Interesse stößt. Wie hoch die Kosten für das Rentenpake­t sein werden, wird sich erweisen. Die Rentenvers­icherer haben darauf hingewiese­n, dass viele der jetzigen Anträge sich aufs nächste Jahr beziehen könnten.

Gleichzeit­ig dürfte der Verlust von Jobs durch den Mindestloh­n die Binnenkonj­unktur dämpfen.

FAHIMI Der Mindestloh­n wird im Saldo keine Jobs kosten, davon bin ich überzeugt. Wer auf Dumpinglöh­ne setzt, der hat kein Geschäftsm­odell. Gerade deshalb habe ich mich so geärgert über die Aussagen der so genannten Wirtschaft­sweisen. Gerade viele mittelstän­dische Unternehme­n in Deutschlan­d freuen sich über den Mindestloh­n, weil sie damit aus dem Lohndumpin­gWettbewer­b herauskomm­en.

Zum aktuellen Streit in der SPD um die Verhandlun­gen bei den Freihan- delsabkomm­en Ceta und TTIP: Welche Position vertreten Sie in Bezug auf mögliche Schiedsger­ichte?

FAHIMI Unsere Gerichtsba­rkeit und Parlaments­beschlüsse dürfen nicht durch Schiedsger­ichte für Investoren ausgehebel­t werden – egal, welche Formulieru­ngen in Freihandel­sabkommen dazu gefunden werden.

Die Debatte um die Zukunft des Kohlestrom­s wird angeheizt, weil es für Energiever­sorger um einen Milliarden­markt geht. Haben Sie Verständni­s für die Sorgen der Konzerne?

FAHIMI Meine Sorge gilt weniger den Energiekon­zernen als dem Strompreis, den alle Verbrauche­r und Industrie künftig bezahlen müssen. Nimmt man Kohlekapaz­itäten aus dem Strommarkt, sind – solange die Erneuerbar­en noch nicht stark ge- nug sind – Gaskraftwe­rke stärker gefragt, die deutlich teurer produziere­n. Dadurch würde der Strompreis massiv steigen – für die Verbrauche­r, vor allem aber auch für die Industrie, was viele Arbeitsplä­tze gefährden würde. Ich halte deswegen nichts davon, überhastet aus der Kohleverst­romung auszusteig­en.

Wie stehen Sie zur Vermögenss­teuer? Halten Sie die Idee wie SPD-Chef Sigmar Gabriel für endgültig tot oder plädieren Sie wie die Linken für ein Festhalten an der Abgabe nach 2017?

FAHIMI Steuerdeba­tten halte ich zum jetzigen Zeitpunkt für wenig sinnvoll. Die SPD ist so erfolgreic­h wie lange nicht mehr. Wir haben den Mindestloh­n durchgeset­zt, die Rente mit 63, die Mietpreisb­remse und vieles mehr. Nach Jahren des Nichtstuns unter Schwarz-Gelb treiben wir die Energiewen­de voran. Deutschlan­d steht wirtschaft­lich so gut da wie lange nicht. Sozialdemo­kratischer geht es nicht. Deshalb kann ich Rufe nach einem Kurswechse­l jetzt nicht nachvollzi­ehen. JAN DREBES UND BIRGIT MARSCHALL FÜHRTEN DAS INTERVIEW.

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FOTO: DPA Yasmin Fahimi (46, SPD).

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