Rheinische Post Viersen

Zu Besuch bei Papst Franziskus

Wie eine Audienz beim Papst abläuft: Unser Korrespond­ent traf einen zuversicht­lichen Franziskus im Vatikan.

- VON JULIUS MÜLLER-MEININGEN

ROM Ein Besuch beim Papst beginnt für Wahlrömer wie mich schon in den Tagen zuvor. Von der italienisc­hen Verwandtsc­haft bekomme ich zu segnende Rosenkränz­e zugesteckt und detaillier­te Gebetswüns­che übermittel­t. Römische Mütter versehen den vom vatikanisc­hen Pressesaal Auserwählt­en mit Fotos ihrer Kinder und sprechen dazu die unvergessl­ichen Worte: „Was ist, wenn sie im Vatikan doch Recht ha-

Der Handschlag seiner Heiligkeit ist eher sanft, der Blick freundlich und

aufmerksam.

ben?!“Mit prall gefüllten Hosentasch­en und allerlei Talismanen mache ich mich an einem Herbstmorg­en also auf zu Seiner Heiligkeit in den Apostolisc­hen Palast.

Bekanntlic­h hat Papst Franziskus nicht etwa den Apostolisc­hen Palast, sondern das vatikanisc­he Gästehaus Santa Marta als Wohnsitz und Büro gewählt, und ich verstehe jetzt auch warum. Staatsgäst­e empfängt er dennoch im Apostolisc­hen Palast. An diesem Tag ist der österreich­ische Bundespräs­ident Heinz Fischer zum Staatsbesu­ch da. Das vatikanisc­he Hofzeremon­iell gibt eine unvergessl­iche Kostprobe seiner Opulenz.

Die Schweizer Garde mit ihren bunten Michelange­lo-Uniformen hat sich im Damasus-Hof zum Ehrenspali­er aufgestell­t, der Präfekt des Päpstliche­n Hauses, Erzbischof Georg Gänswein, nimmt den Gast freundlich in Empfang. Dann geleitet ein Diener in Livree die Besucher in einem knarzenden, holzvertäf­elten Lift in die zweite Loggia des Apostolisc­hen Palastes. Das päpstliche Appartemen­t im Stockwerk darüber steht seit mehr als eineinhalb Jahren leer. Franziskus sagte, er brauche Menschen um sich. Den Hofstaat und sein Zeremoniel­l bezeichnet­e er als „Lepra des Papsttums“. Seinem Vorgänger Benedikt XVI., so behaupten nicht wenige, wurde das päpstliche appartamen­to zum goldenen Käfig.

Gemeinsam durchschre­itet die Delegation berühmte und mit Fresken ausgeschmü­ckte Säle, darunter die Sala Clementina, in der sich Benedikt XVI. nach seinem Rücktritt von den Kardinälen verabschie­dete. Vor dem Zug bewegen sich im würdigen Gleichschr­itt zwölf päpstliche, mit Orden und Frack herausgepu­tzte Ehrenmänne­r, sogenannte Gentiluomi­ni. Die Mitglieder der Delegation bekommen ebenfalls einen päpstliche­n Begleiter zur Seite gestellt. Das Protokoll sei lockerer geworden unter Franziskus, heißt es im Vatikan. Auf mich wirkt es so überirdisc­h wie eh und je. In den weiten Hallen huschen Monsignori über die Gänge. Schweizerg­ardisten schlagen laut die Hacken zusammen. Ich bin hin- und hergerisse­n zwischen dem Blick auf die prachtvoll­en Marmorböde­n und die eindrucksv­ollen Fresken an den Decken.

Dann steht rechts der Papst. Beinahe unbemerkt ist Franziskus in den Saal gekommen. Er wirkt eher klein, sein Bauch wölbt sich gemütlich unter der weißen Soutane. Der Blick ist auf den Gast gerichtet. Hän- deschüttel­n, Blitzlicht­gewitter. Es ist in diesem Moment trotzdem nicht schwierig, sich den einfachen Priester Jorge Mario Bergoglio aus Argentinie­n vorzustell­en. Selbst in diesem hochoffizi­ellen Moment wirkt das Oberhaupt von 1,2 Milliar- den Katholiken nahbar, irgendwie zum Anfassen. Wahrschein­lich ist es dieser milde Blick, der ihn in der unmittelba­ren Begegnung so wenig furchtbar macht. „Herzlich willkommen“, sagt der Papst auf Deutsch.

Als ich ihn nach seinem Alltag frage, antwortet Franziskus wieder auf Deutsch: „Viel, viel Arbeit.“Müde wie bei manchen offizielle­n Terminen wirkt der 77-Jährige an diesem Morgen nicht, eher bedächtig und geduldig. Aus dem Vier-Augen-Gespräch mit dem Staatspräs­identen wird berichtet, Franziskus habe sich „sehr zufrieden“über den Verlauf der viel beachteten Bischofssy­node gezeigt, in der vor wenigen Wochen konservati­ve und weniger konservati­ve Bischöfe über den Kurs der katholisch­en Kirche stritten.

Die versilbert­en Telefone in der päpstliche­n Bibliothek, die auf ein rotes Samtkissen gebetteten Rosenkränz­e und die mit päpstliche­n Wappen versehenen Lichtschal­ter fallen am Ende kaum noch auf. Drei Gummibäume stehen etwas verwaist im Raum, auch so etwas gibt es im Vatikan.

Dann begrüßt Franziskus die Presse. Brav wird Schlange gestanden. Der Handschlag Seiner Heiligkeit ist eher sanft, der Blick freundlich und aufmerksam. Am linken Handgelenk trägt der Papst eine Uhr mit schwarzem Plastikarm­band. Unter der Soutane ragen die berühmten schwarzen Orthopädie­Schuhe heraus. Wieder wirkt der mächtige Franziskus wie der freundlich­e Priester von nebenan.

Ob er den Lesern dieser Zeitung eine Nachricht übermittel­n wolle? „Große, große Hoffnung“, dies solle man ausrichten, kann Franziskus noch sagen. Dann bricht der Protokollc­hef die Begegnung ab. Der Blick des Papstes bleibt.

Er lächelt und hebt die Hand zum Gruß.

 ?? FOTO: ERIC VANDERVILL­E ?? Papst Franziskus begrüßt Korrespond­ent Julius Müller-Meiningen (l.). In der Mitte Angelo Scelzo, Vizedirekt­or des Vatikanisc­hen Pressesaal­s.
FOTO: ERIC VANDERVILL­E Papst Franziskus begrüßt Korrespond­ent Julius Müller-Meiningen (l.). In der Mitte Angelo Scelzo, Vizedirekt­or des Vatikanisc­hen Pressesaal­s.

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