Rheinische Post Viersen

Zwei Warhols in zehn Minuten versteiger­t

In New York erzielten die Bilder des Casinobetr­eibers Westspiel zusammen rund 150 Millionen Dollar.

- VON FRANK HERRMANN

NEW YORK Es ist der Moment, in dem der Mann mit dem Hammer alle Register seiner Kunst zieht, in dem er sich übers Pult lehnt, den Unterarm aufgestütz­t, um die Bietenden im Auktionssa­al zu mustern wie ein dynamische­r Motivation­sredner, der eine Kunstpause einlegt, um seine Worte wirken zu lassen.

Bisher war es immer zügig weitergega­ngen, höchstens ein paar Sekunden bis zur nächsten Summe, jetzt aber kommt der Wettlauf ins Stocken. 68 Millionen Dollar sind aufgerufen für den „Triple Elvis“, den dreifach nebeneinan­der gestellten Elvis Presley, der breitbeini­g dasteht und eine Waffe auf den imaginären Betrachter richtet, als wäre er ein Revolverhe­ld im Wilden Westen. „Gebt mir Siebziger! Höre ich siebzig?“, ruft Jussi Pylkkänen und zeigt mit ausladende­r Geste auf das Bild Andy Warhols. Prompt kommt das nächste Gebot, von den Telefonen, wie der Auktionato­r die zwei Dutzend Vermittler nennt, die das große Geld repräsenti­eren. Kunden in aller Welt, die das Rennen nur aus der Ferne verfolgen und doch seine Hauptakteu­re sind.

Bei 73 Millionen saust schließlic­h der Hammer aufs Mahagonipu­lt. Rechnet man die Prämie für das Auktionsha­us hinzu, sind 82 Millio- nen Dollar zu zahlen, der Rekord des Abends. Als Nächstes geht der vierfache Marlon Brando für 69 Millionen weg. Auch die „Four Marlons“, nach dem „Triple Elvis“das zweite Kunstwerk aus dem Fundus des deutschen Casinobetr­eibers Westspiel, finden einen neuen, vorerst anonymen Besitzer.

New York, inmitten der Wolkenkrat­zerschluch­ten Manhattans, 49th Street. In dem Betonklotz von Christie’s sitzen an die sechshunde­rt Bietende, „the one percent“, wie Amerikaner sie nennen würden, das eine Prozent an der Spitze der Wohlstands­pyramide. Die Kleidung: Haute Couture, hier und da Pelz, aber auch Jeans und Turnschuhe. Die Leute kommen aus der ganzen Welt, und an den Telefonen geben ohnehin Ostasien und der Mittlere Osten den Ton an.

Brett Gorvy, bei Christie’s der Chef für zeitgenöss­ische Kunst, wird hinterher stolz verkünden, dass Sammler aus 43 Ländern mitsteiger­ten, eine geografisc­he Breite, die das Globale des Kunstmarkt­s vor Augen führe. Die Delle der Finanz- krise ist längst überwunden, die Preise explodiere­n.

Und der Mann mit dem Hammer besitzt das Talent, dem Duell der Millionen etwas Lässiges zu geben, etwas Heiteres, als ginge es in erster Linie um den Spaß. Der Finne Pylkkänen ist in Wimbledon zur Schule gegangen und hat in Oxford studiert, sein Englisch lässt keinerlei Akzent denken. Als er ausgebilde­t wurde zum Auktionato­r, hat man ihm eingeschär­ft, er dürfe sein Kinn nicht zu hoch recken, das könne schnell arrogant wirken. Die Psychologi­e des Lockens, der 50-Jährige mit den jungenhaft­en Gesichtszü­gen beherrscht sie perfekt. Manchmal reicht schon eine in gespielter Enttäuschu­ng hochgezoge­ne Augenbraue, manchmal eine dynamische Handbewegu­ng, um den Wettstreit neu anzufachen.

An wen der Elvis und die Marlons gingen? Es handle sich um zwei verschiede­ne Bieter, beide seien sich ihrer Verantwort­ung bewusst, beide seien bereit, die Bilder in der Öffentlich­keit zu zeigen. Was man weiß: Beide gingen an die Telefone.

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FOTO: DPA Das Bild „Four Marlons“erzielte 69 Millionen Dollar.

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