Zwei Warhols in zehn Minuten versteigert
In New York erzielten die Bilder des Casinobetreibers Westspiel zusammen rund 150 Millionen Dollar.
NEW YORK Es ist der Moment, in dem der Mann mit dem Hammer alle Register seiner Kunst zieht, in dem er sich übers Pult lehnt, den Unterarm aufgestützt, um die Bietenden im Auktionssaal zu mustern wie ein dynamischer Motivationsredner, der eine Kunstpause einlegt, um seine Worte wirken zu lassen.
Bisher war es immer zügig weitergegangen, höchstens ein paar Sekunden bis zur nächsten Summe, jetzt aber kommt der Wettlauf ins Stocken. 68 Millionen Dollar sind aufgerufen für den „Triple Elvis“, den dreifach nebeneinander gestellten Elvis Presley, der breitbeinig dasteht und eine Waffe auf den imaginären Betrachter richtet, als wäre er ein Revolverheld im Wilden Westen. „Gebt mir Siebziger! Höre ich siebzig?“, ruft Jussi Pylkkänen und zeigt mit ausladender Geste auf das Bild Andy Warhols. Prompt kommt das nächste Gebot, von den Telefonen, wie der Auktionator die zwei Dutzend Vermittler nennt, die das große Geld repräsentieren. Kunden in aller Welt, die das Rennen nur aus der Ferne verfolgen und doch seine Hauptakteure sind.
Bei 73 Millionen saust schließlich der Hammer aufs Mahagonipult. Rechnet man die Prämie für das Auktionshaus hinzu, sind 82 Millio- nen Dollar zu zahlen, der Rekord des Abends. Als Nächstes geht der vierfache Marlon Brando für 69 Millionen weg. Auch die „Four Marlons“, nach dem „Triple Elvis“das zweite Kunstwerk aus dem Fundus des deutschen Casinobetreibers Westspiel, finden einen neuen, vorerst anonymen Besitzer.
New York, inmitten der Wolkenkratzerschluchten Manhattans, 49th Street. In dem Betonklotz von Christie’s sitzen an die sechshundert Bietende, „the one percent“, wie Amerikaner sie nennen würden, das eine Prozent an der Spitze der Wohlstandspyramide. Die Kleidung: Haute Couture, hier und da Pelz, aber auch Jeans und Turnschuhe. Die Leute kommen aus der ganzen Welt, und an den Telefonen geben ohnehin Ostasien und der Mittlere Osten den Ton an.
Brett Gorvy, bei Christie’s der Chef für zeitgenössische Kunst, wird hinterher stolz verkünden, dass Sammler aus 43 Ländern mitsteigerten, eine geografische Breite, die das Globale des Kunstmarkts vor Augen führe. Die Delle der Finanz- krise ist längst überwunden, die Preise explodieren.
Und der Mann mit dem Hammer besitzt das Talent, dem Duell der Millionen etwas Lässiges zu geben, etwas Heiteres, als ginge es in erster Linie um den Spaß. Der Finne Pylkkänen ist in Wimbledon zur Schule gegangen und hat in Oxford studiert, sein Englisch lässt keinerlei Akzent denken. Als er ausgebildet wurde zum Auktionator, hat man ihm eingeschärft, er dürfe sein Kinn nicht zu hoch recken, das könne schnell arrogant wirken. Die Psychologie des Lockens, der 50-Jährige mit den jungenhaften Gesichtszügen beherrscht sie perfekt. Manchmal reicht schon eine in gespielter Enttäuschung hochgezogene Augenbraue, manchmal eine dynamische Handbewegung, um den Wettstreit neu anzufachen.
An wen der Elvis und die Marlons gingen? Es handle sich um zwei verschiedene Bieter, beide seien sich ihrer Verantwortung bewusst, beide seien bereit, die Bilder in der Öffentlichkeit zu zeigen. Was man weiß: Beide gingen an die Telefone.