Junge Sportler sollten ihr EKG kennen
In der kardiologischen Praxis gibt es verschiedene Methoden, den Herzrhythmus zu bestimmen.
Unsere Leserin Melanie S. aus Kleve fragt: „Meine 18-jährige Tochter ist Leistungsschwimmerin. Nun sollten ihr die Weisheitszähne gezogen werden. Bei den vorbereitenden Untersuchungen fiel ein fürchterliches EKG mit einer Herzrhythmusstörung auf, sie konnte nicht operiert werden. Der Kardiologe sagt aber, dass diese Rhythmusstörung harmlos sei. Wie kann das sein?“
KLAUS DOMINICK Sie sprechen ein sehr wichtiges Thema an. Das Elektrokardiogramm, das die elektrische Aktivität des Herzens sichtbar macht, ist das wichtigste Diagnostikum für den Herzrhythmus. Wir Mediziner haben aber gelernt, dass die Diagnose „Störung“erst sinnvoll ist, wenn das Herz mit weiteren Methoden untersucht wurde. Hierzu gehört vor allem die Ultraschalluntersuchung, bei der sehr genau die Muskulatur und die Herzklappenfunktionen beurteilt werden können. Wenn es um die Frage von angeborenen Herzmuskelerkrankungen geht oder wenn Muskelnarben vermutet werden, dann muss eine Magnetresonanztomografie durchgeführt werden. Der Herzrhythmus wiederum kann auf verschiedenen Wegen untersucht werden: durch das EKG, das als Langzeit-EKG, als Tele-EKG, als Belastungs-EKG oder aber als intrakardiales EKG während einer elektrophysiologischen Untersuchung zur Verfügung steht. Bei Jugendlichen folgt nach dem RuheEKG immer das Belastungs-EKG und Langzeit-EKG. Gleichzeitig muss immer eine Ultraschalluntersuchung durchgeführt werden. Sehr häufig wird diese dann durch die MRT-Untersuchung ergänzt. Ob auch eine Elektrophysiologische Untersuchung angezeigt ist, kann erst jetzt entschieden werden. Bei dem Verdacht auf familiäre Erkrankungen sollte die Diagnostik noch durch eine humangenetische Untersuchung sowie durch eine Untersuchung der Familienangehörigen ergänzt werden.
Ihre Tochter wurde nun von einem Kardiologen untersucht, der den EKG-Befund als harmlos eingestuft hat. Es gibt bei Jugendlichen einige asymptomatische EKG-Veränderungen, die im Laufe der weiteren Entwicklung zurückgehen können. Vor allem wenn die Herzfunktion im Ultraschall normal ist und die EKGVeränderungen unter Belastung abnehmen, liegen harmlose Formen vor. Wenn aber in der Familie ein plötzlicher Herztod aufgetreten ist, ist die Diagnostik durch eine elektrophysiologische Untersuchung zu ergänzen. Hier kann entschieden werden, ob der Patient etwa von einem implantierbaren Defibrillator (ICD) profitiert. Dieses Gerät kann Herzrhythmusstörungen, deren Ursprung in den Hauptkammern liegt, erkennen und so vor dem plötzlichen Herztod wirksam schützen.
Leider kommt es bei Leistungssportlern immer wieder zum plötzlichen Herztod , da sie eine sportmedizinische Untersuchung, die nicht von den Gesetzlichen Krankenkassen übernommen wird, scheuen. Zwar fallen die Kosten in Höhe von 200 Euro im Vergleich zu denjenigen, die der Sport verursacht, vergleichsweise niedrig aus, aber gerade bei Jugendlichen und bei Männern jenseits des 40. Lebensjahres gibt es erhebliche Untersuchungslücken. Jeder, der mehr als drei Mal in der Woche für je zwei Stunden trainiert, sollte sich ärztlich vorstellen. In Italien konnte aufgrund eines Screeningprogramms bei Leistungssportlern, das dort sei 1982 mehrere Millionen Athleten durchlaufen haben, die Todesrate bei Sportlern um etwa 90 Prozent reduziert werden.
Hat ein Kardiologe die EKG-Veränderungen bei Ihrer Tochter als harmlos eingestuft, so sollte dann in einem zweiten Schritt entschieden werden, wie häufig sie weiterhin trainieren kann und ob ein Familienscreening sinnvoll ist. Wünschenswert wäre nach italienischem Vorbild eine solche sportmedizinische Voruntersuchung bei allen Athleten ab dem 12. Lebensjahr.
Klaus Dominick ist niedergelassener Kardiologe in Mönchengladbach.