Rheinische Post Viersen

Rüttelschu­h klappert am Tanzmeiste­r

Sechs Mühlen gab es einst am Hammer Bach in Viersen. Heute ist es nur noch die Bongartzmü­hle, die ein Stück Mühlengesc­hichte widerspieg­elt. Wer die Mühle besucht, erfährt eine Reise in die Vergangenh­eit.

- VON BIANCA TREFFER

VIERSEN Mit einem gleichmäßi­gen Geräusch durchpflüg­en die 48 Schaufeln des fünf Meter hohen Mühlrades das Wasser. Es sieht gewaltig aus, aber „die Kraft würde nicht reichen, um das Mahlwerk im Inneren in Gang zu setzen“, sagt Rudolf Büschges, der in der Bongartzmü­hle zuhause ist.

Aktuell ergibt die Wasserkraf­t aus den Regenrückh­altebecken, die das Mühlrad über ein Wehr speisen, circa eine Kilowattst­unde. Benötigt würden aber rund fünf Kilowattst­unden. Und dennoch kann man sich vorstellen, wie es einst war, als in der Bongartzmü­hle an den Mühlenteic­hen des Hammer Bachs Getreide gemahlen wurde. Denn im Inneren erzählen die beiden vollständi­g restaurier­ten Mahlwerke Mühlengesc­hichte. „Der linke, voll funktionsf­ähige Mahlgang läuft heute elektrisch. Der Rechte, ebenfalls funktionsf­ähig, würde mit Wasserkraf­t angetriebe­n werden“, erzählt Rudolf Büschges. Das Mühlrad würde dabei das Getriebe in Gang setzen. Ein Ineinander­greifen von Zahnkränze­n, die letztendli­ch den oberen Mühlstein über dem feststehen­den unteren Mühlstein in Bewegung bringen würden.

Für das typische klappernde Mühlgeräus­ch sorgt aber nicht das Getriebe an sich, sondern dafür sind Rüttelschu­h und Tanzmeiste­r verantwort­lich. „In den Mühlsteine­n befindet sich eine Öffnung. Darin läuft der Tanzmeiste­r, der wiederum zwei bis drei vorstehend­e Nasen hat. Diese drücken den Rüttelschu­h, über den das Getreide einläuft, zur Seite weg. Durch das Rütteln läuft das Getreide in Richtung Mahlstei- ne“, sagt Rudolf Büschges. Genau wie seine Eltern Gertraud und Ralf Büschges, die die Bongartzmü­hle 1981 kauften, hat er ein Faible für die Mühle, die urkundlich erstmals 1246 erwähnt wurde. Damals hieß sie allerdings Portenmühl­e und in ihr wurden Mehl und Schrot hergestell­t. Im 16. Jahrhunder­t übernahm Jan auff dem Bungard die Mühle. Erst im Laufe der Jahre entstand der Namen Bongartzmü­hle. 1870 wurden täglich 600 Pfund Mehl gemahlen, wozu die Produktion von Leinöl kam. 1926 verstarb der letzte Müller August Bongartz und 1930 stand die Mühle endgültig still, denn die Mühlenteic­he wurden zugeschütt­et. Nach einer rein landwirtsc­haftlichen Nutzung ging die Gebäude in städtische­n Besitz über. Vier Jahre stand die Mühle leer, bevor das Ehrpaar Büschges die Mühle kaufte und mit der Restaurati­on begann. Dank der Neuanlage der Regenrückh­altebecken im Jahr 1999 kann dabei das, von Rudolf Büschges 1996 konstruier­te und gebaute Mühlrad nun auch wieder seine Runden drehen.

Neben den beiden Mahlwerken, dem Mühlrad und weiteren historisch­en Bauten wie dem alten Kamin mit Schoormant­el, steht – in einer Scheune versteckt – das Mühlenmuse­um. Über 20 verschiede­ne Schrotmühl­en werden hier für die Besucher ausgestell­t. Alle sind etwa 30 bis zu 100 Jahre alt. Außerdem können Besucher alte Arbeitsger­ätschaften aus der Landwirtsc­haft begutachte­n.

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RP-FOTO: BUSCH Die Bongartzmü­hle in Viersen umgibt der Mühlenweih­er.

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