Begleiter durchs Dickicht der unklaren Verhältnisse
Aktien jetzt übergewichten oder doch eher vorsichtig bleiben? Unabhängige Vermögensverwalter haben im Detail durchaus unterschiedliche Sichtweisen. In einem sind sich die Spezialisten aber einig: Sie müssen ihren Kunden die komplizierten Zusammenhänge erk
Nicht nur bei der Auswahl von Produkten, auch in ihrer Analyse der Lage und im Aufbau von Anlagestrategien erweisen sich die Unabhängigen Vermögensverwalter als eigenverantwortlich handelnde Spezialisten. Dabei kommen sie durchaus zu sehr unterschiedlichen Einschätzungen, wie sich beim RP-Finanzforum „Unabhängige Vermögensverwalter“zeigte. Etwa bei der Frage, welchen Anteil Aktien im Depot haben sollten. Thomas Buckard (Mi-
„Man braucht Aktien, um langfristig Vermögen zu erhalten“
chael Pintarelli Finanzdienstleistungen AG) empfiehlt Investments in Aktien, da sich der Begriff des Risikos verändert habe. Sogar Staatsanleihen können ausfallen; Aktien sichern dagegen Anteile an einer wirtschaftlichen Betätigung. „Man braucht sie, um langfristig Vermögen zu erhalten. Allerdings muss man Schwankungen ertragen können“, betont Buckard.
„Aktien gehören ins Depot“, meint auch Walter Sommer (Grossbötzl, Schmitz & Partner), „allerdings nicht jedes Papier“. Bei der Auswahl achtet der Experte auf Themen, die die Wirtschaft nachhaltig beeinflussen, idealerweise aus Branchen, die demographisch gestützt werden. So würden zum Beispiel die weltweiten Veränderungen dieses Megatrends Aktien aus der internationalen Nahrungsmittelindustrie als strategische Anlage interessant machen.
„Die Wirtschaftsindikatoren haben sich verschlechtert. Man muss derzeit bei Aktien vorsichtiger sein“, meint indes Thomas Hünicke (WBS Hünicke Vermögensverwaltung). Defensiv eingestellten Kunden rät Hünicke derzeit zu einem Aktienanteil im Depot von höchstens 30 Prozent. „Der Kunde gibt die Ziele vor, da kann der Aktienanteil auch noch geringer ausfallen.“
Vor einer Überbetonung der Aktie warnt auch Gerhard Rosenbauer (inprimo invest). „Sie bringen keine festen Erträge. Darauf sind aber viele Investoren, zum Beispiel Stiftungen, angewiesen.“Regularien würden zudem einigen institutionellen Investoren enge Grenzen beim Aktieninvestment setzen.
„Zuerst ist mit den Kunden zu klären, welche Schwankungen sie ertragen“, fügt Uwe Wiesner (Hansen & Heinrich) hinzu. Die Anlageexperten müssten mit ihren Kunden eine individuelle Zielrendite vereinbaren und versuchen, diese mit möglichst geringen Schwankungen zu erreichen. Dazu könnten Anteilsscheine qualitativ hochwertiger Unternehmen durchaus stärker gewichtet werden.
„Die Dividendenrendite ist aber kein Zins“, wendet Thomas Schwind (SMS & Cie) ein. Anlageexperten müssten also genau definieren, was die Kunden wollen: Kapitalerhalt oder feste Erträge? Problematisch wird es in Zeiten fallender Kurse. Selbst Anleger, die von sich sagen, sie könnten Schwankungen ertragen, haben nach Beobachter der Vermögensspezialisten häufig ein Problem damit, wenn es konkret bergab geht. „Viele Kunden haben dann die langfristige Perspektive nicht mehr im Blick“, stellen Schwind und mit ihm auch Joachim Paul Schäfer (PSM Vermögensverwaltung)fest, „wir müssen also zu jeder Zeit gut sein“, folgert
„Zuerst ist mit den Kunden zu klären, welche Schwankungen
sie ertragen“
Schäfer. Die Anlagespezialisten sind hier durchaus überzeugt, gute Antworten geben zu können. „Wir müssen Krisen als Chance begreifen“, meint zum Beispiel Mirko Kohlbrecher (Spiekermann & Co.). Auch wenn die Welt überschuldet ist und das Finanzsystem am Abgrund stehe, könnten die Profis zeigen, was unter diesen Umständen Werterhalt ermöglicht. Kohlbrecher denkt an große Unternehmen wie Novartis oder (Siemens) Nestlé.
Vor allem bei der Einordnung und Erklärung können die unabhängigen Profis ihre Stärke zeigen. Darauf zielt Uwe Adamla (Dr. Ehrhardt Vermö- gensverwaltung) ab: „Alte Erklärungsmodelle sind überholt.“Bei der Geldanlage müsse heute vielmehr auf Investitionszyklen geachtet werden. So könne man zum Beispiel häufig nach einem Kursverfall Wertpapiere zukaufen. Das sei allerdings vielen Kunden nur schwer zu vermitteln, räumt Adamla ein.
„Anlageformen, die von Kunden in der Regel nicht als Risiko wahrgenommen werden, wie zum Beispiel Staatsanleihen und Immobilieninvestments, stellen mittlerweile häufig ein Risiko dar und müssen von uns aktiv mit den Anlegern besprochen werden“, meint Michael Sievers (Rhein Asset Management). Wichtig sei es daher, so Sievers, die Zusammenhänge zu erklären und dabei durchaus auch die eigene Einschätzung darzulegen. „Wir sollten nicht das sagen, was der Kunde hören will, sondern das, wovon wir überzeugt sind.“
Vor allem, wenn die Spezialisten nicht nur beraten, sondern Vermögen verwalten, ist die eigene Bewertungsleistung wichtig. „Wir müssen die richtigen Entscheidungen treffen und Performance erzielen“, betont Thomas Schwind. „Die Kunden übertragen die Verantwortung an uns“, fügt Bastian Bosse (BRW AG & Co. Vermögensmanagement KG) hinzu. Die Spezialisten müssten die Aktien gezielt und sorgfältig auswählen und den nötigen Zeithorizont einplanen. „Aktieninvestments muss man
„Wir sollten nicht das sagen, was der Kunde hören will, sondern das, wovon wir überzeugt sind“
langfristig sehen“, überzeugt.
Aktuell sei die Lage schwer einzuschätzen, gibt Frank Th. Zinnecker (HollyHedge Consult) zu bedenken. Das nächste Jahr könne für Aktien aber wieder besser werden, wenn Reformen in Europa greifen und die Wirtschaft in den USA weiter anzieht. „Unter diesen Voraussetzungen kann man im gemischten Depot Aktien also wieder übergewichten.“
Da viele Anleger aber Schwierigkeiten mit Kursschwankungen haben, setzt Roger Gut (Invensys Asset Management) auf Absicherungsmechanismen und lässt von ausgewählten Emittenten maßgeschneiderte Zertifikate gestalten, die auf Einzeltitel oder einen Korb von Aktien setzen, regelmäßige Zinszahlungen vorsehen und Schutzpuffer nach unten vorsehen.
ist Bosse