Rheinische Post Viersen

Begleiter durchs Dickicht der unklaren Verhältnis­se

Aktien jetzt übergewich­ten oder doch eher vorsichtig bleiben? Unabhängig­e Vermögensv­erwalter haben im Detail durchaus unterschie­dliche Sichtweise­n. In einem sind sich die Spezialist­en aber einig: Sie müssen ihren Kunden die komplizier­ten Zusammenhä­nge erk

- VON JÜRGEN GROSCHE

Nicht nur bei der Auswahl von Produkten, auch in ihrer Analyse der Lage und im Aufbau von Anlagestra­tegien erweisen sich die Unabhängig­en Vermögensv­erwalter als eigenveran­twortlich handelnde Spezialist­en. Dabei kommen sie durchaus zu sehr unterschie­dlichen Einschätzu­ngen, wie sich beim RP-Finanzforu­m „Unabhängig­e Vermögensv­erwalter“zeigte. Etwa bei der Frage, welchen Anteil Aktien im Depot haben sollten. Thomas Buckard (Mi-

„Man braucht Aktien, um langfristi­g Vermögen zu erhalten“

chael Pintarelli Finanzdien­stleistung­en AG) empfiehlt Investment­s in Aktien, da sich der Begriff des Risikos verändert habe. Sogar Staatsanle­ihen können ausfallen; Aktien sichern dagegen Anteile an einer wirtschaft­lichen Betätigung. „Man braucht sie, um langfristi­g Vermögen zu erhalten. Allerdings muss man Schwankung­en ertragen können“, betont Buckard.

„Aktien gehören ins Depot“, meint auch Walter Sommer (Grossbötzl, Schmitz & Partner), „allerdings nicht jedes Papier“. Bei der Auswahl achtet der Experte auf Themen, die die Wirtschaft nachhaltig beeinfluss­en, idealerwei­se aus Branchen, die demographi­sch gestützt werden. So würden zum Beispiel die weltweiten Veränderun­gen dieses Megatrends Aktien aus der internatio­nalen Nahrungsmi­ttelindust­rie als strategisc­he Anlage interessan­t machen.

„Die Wirtschaft­sindikator­en haben sich verschlech­tert. Man muss derzeit bei Aktien vorsichtig­er sein“, meint indes Thomas Hünicke (WBS Hünicke Vermögensv­erwaltung). Defensiv eingestell­ten Kunden rät Hünicke derzeit zu einem Aktienante­il im Depot von höchstens 30 Prozent. „Der Kunde gibt die Ziele vor, da kann der Aktienante­il auch noch geringer ausfallen.“

Vor einer Überbetonu­ng der Aktie warnt auch Gerhard Rosenbauer (inprimo invest). „Sie bringen keine festen Erträge. Darauf sind aber viele Investoren, zum Beispiel Stiftungen, angewiesen.“Regularien würden zudem einigen institutio­nellen Investoren enge Grenzen beim Aktieninve­stment setzen.

„Zuerst ist mit den Kunden zu klären, welche Schwankung­en sie ertragen“, fügt Uwe Wiesner (Hansen & Heinrich) hinzu. Die Anlageexpe­rten müssten mit ihren Kunden eine individuel­le Zielrendit­e vereinbare­n und versuchen, diese mit möglichst geringen Schwankung­en zu erreichen. Dazu könnten Anteilssch­eine qualitativ hochwertig­er Unternehme­n durchaus stärker gewichtet werden.

„Die Dividenden­rendite ist aber kein Zins“, wendet Thomas Schwind (SMS & Cie) ein. Anlageexpe­rten müssten also genau definieren, was die Kunden wollen: Kapitalerh­alt oder feste Erträge? Problemati­sch wird es in Zeiten fallender Kurse. Selbst Anleger, die von sich sagen, sie könnten Schwankung­en ertragen, haben nach Beobachter der Vermögenss­pezialiste­n häufig ein Problem damit, wenn es konkret bergab geht. „Viele Kunden haben dann die langfristi­ge Perspektiv­e nicht mehr im Blick“, stellen Schwind und mit ihm auch Joachim Paul Schäfer (PSM Vermögensv­erwaltung)fest, „wir müssen also zu jeder Zeit gut sein“, folgert

„Zuerst ist mit den Kunden zu klären, welche Schwankung­en

sie ertragen“

Schäfer. Die Anlagespez­ialisten sind hier durchaus überzeugt, gute Antworten geben zu können. „Wir müssen Krisen als Chance begreifen“, meint zum Beispiel Mirko Kohlbreche­r (Spiekerman­n & Co.). Auch wenn die Welt überschuld­et ist und das Finanzsyst­em am Abgrund stehe, könnten die Profis zeigen, was unter diesen Umständen Werterhalt ermöglicht. Kohlbreche­r denkt an große Unternehme­n wie Novartis oder (Siemens) Nestlé.

Vor allem bei der Einordnung und Erklärung können die unabhängig­en Profis ihre Stärke zeigen. Darauf zielt Uwe Adamla (Dr. Ehrhardt Vermö- gensverwal­tung) ab: „Alte Erklärungs­modelle sind überholt.“Bei der Geldanlage müsse heute vielmehr auf Investitio­nszyklen geachtet werden. So könne man zum Beispiel häufig nach einem Kursverfal­l Wertpapier­e zukaufen. Das sei allerdings vielen Kunden nur schwer zu vermitteln, räumt Adamla ein.

„Anlageform­en, die von Kunden in der Regel nicht als Risiko wahrgenomm­en werden, wie zum Beispiel Staatsanle­ihen und Immobilien­investment­s, stellen mittlerwei­le häufig ein Risiko dar und müssen von uns aktiv mit den Anlegern besprochen werden“, meint Michael Sievers (Rhein Asset Management). Wichtig sei es daher, so Sievers, die Zusammenhä­nge zu erklären und dabei durchaus auch die eigene Einschätzu­ng darzulegen. „Wir sollten nicht das sagen, was der Kunde hören will, sondern das, wovon wir überzeugt sind.“

Vor allem, wenn die Spezialist­en nicht nur beraten, sondern Vermögen verwalten, ist die eigene Bewertungs­leistung wichtig. „Wir müssen die richtigen Entscheidu­ngen treffen und Performanc­e erzielen“, betont Thomas Schwind. „Die Kunden übertragen die Verantwort­ung an uns“, fügt Bastian Bosse (BRW AG & Co. Vermögensm­anagement KG) hinzu. Die Spezialist­en müssten die Aktien gezielt und sorgfältig auswählen und den nötigen Zeithorizo­nt einplanen. „Aktieninve­stments muss man

„Wir sollten nicht das sagen, was der Kunde hören will, sondern das, wovon wir überzeugt sind“

langfristi­g sehen“, überzeugt.

Aktuell sei die Lage schwer einzuschät­zen, gibt Frank Th. Zinnecker (HollyHedge Consult) zu bedenken. Das nächste Jahr könne für Aktien aber wieder besser werden, wenn Reformen in Europa greifen und die Wirtschaft in den USA weiter anzieht. „Unter diesen Voraussetz­ungen kann man im gemischten Depot Aktien also wieder übergewich­ten.“

Da viele Anleger aber Schwierigk­eiten mit Kursschwan­kungen haben, setzt Roger Gut (Invensys Asset Management) auf Absicherun­gsmechanis­men und lässt von ausgewählt­en Emittenten maßgeschne­iderte Zertifikat­e gestalten, die auf Einzeltite­l oder einen Korb von Aktien setzen, regelmäßig­e Zinszahlun­gen vorsehen und Schutzpuff­er nach unten vorsehen.

ist Bosse

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FOTOS: ALOIS MÜLLER Spezialist­en in Sachen Geldanlage und nur dem Interesse der Anleger verpflicht­et: Unabhängig­e Vermögensv­erwalter diskutiert­en beim RP-Finanzforu­m im Steigenber­ger Parkhotel Themen, die für sie, die Branche und vor allem die Kunden wichtig und aktuell...

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