Rheinische Post Viersen

„Beim Baugeld für Familien lasse ich nicht locker“

Umweltmini­sterin Hendricks zu den explodiere­nden Kosten fürs Bauen, über die Chancen der SPD und über den Düsseldorf­er Flughafen.

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Wir treffen die Umweltmini­sterin im Büro ihres Berliner Amtssitzes am Potsdamer Platz. Hendricks hatte sich wegen einer Landwirtsc­hafts-Kampagne mit Bauernrege­ln Ärger mit den Bauern eingehande­lt. Sie gehört zu der Sorte Politiker, die Fehler einräumen können. Für die Hinweise in Reimform an die Bauern hat sie sich entschuldi­gt.

WirdMartin Schulz Ihnen im Wahlkampf helfen, Ihren Wahlkreis Kleve erstmals direkt zu erobern?

HENDRICKS Ich werde ihn natürlich in meinen Wahlkreis einladen und hoffe, dass er Zeit findet, nach Kleve zu kommen. Natürlich will ich den Wahlkreis erstmals direkt gewinnen. Die Chancen stehen nicht schlecht.

Gibt es für Wahlkämpfe Binsenweis­heiten – ähnlich wie Ihre Bauernrege­ln?

HENDRICKS Man muss ansprechba­r sein und zuhören können. Man darf keine Versprechu­ngen machen, die man nicht halten kann.

Was muss die SPD also tun und lassen, um den Schulz-Effekt zu halten?

HENDRICKS Mir scheint, dass ein Knoten geplatzt ist – innerparte­ilich und auch bei vielen Wählerinne­n und Wählern. Und dieser Knoten wird auch nicht wieder festgezoge­n werden. Selbstvers­tändlich müssen Programm und Kandidat zusammenpa­ssen. Das wird bei uns der Fall sein. Was wir im Parteivors­tand bisher erarbeitet haben, ist mit den Positionen von Martin Schulz kompatibel.

Welche Botschafte­n wollen Sie denn konkret im Wahlkampf setzen?

HENDRICKS Uns wird es zum Beispiel weiterhin darum gehen, für bezahlbare­n Wohnraum zu sorgen. Bis 2019 gibt der Bund den Ländern je- des Jahr 1,5 Milliarden Euro Zuschüsse für den Wohnungsba­u. Wir werden thematisie­ren, wie es danach mit der Förderung für Sozialwohn­ungen weitergehe­n soll. Da haben die Länder und der Bund eine gemeinsame Verantwort­ung. Außerdem werden wir für eine Wende in der nachhaltig­en und gerechten Agrarpolit­ik werben.

Sie und die Union planen finanziell­e Hilfen für Familien, die ein Eigenheim erwerben wollen. Warum schaffen Sie für die Bürger nicht noch vor der Bundestags­wahl eine Regelung?

HENDRICKS Wenn die Union das mitmachen würde, können wir uns noch vor der Bundestags­wahl auf ein Familienba­ugeld einigen. An der SPD scheitert das jedenfalls nicht. Ich habe ja Vorschläge gemacht. Finanzmini­ster Schäuble hatte mir sogar 500 Millionen Euro für eine weitere Förderung sozial orientiert­en Bauens zugesagt. Diese Zusage hat er aber wieder zurückgezo­gen.

Warum?

HENDRICKS Der Finanzmini­ster bestreitet die Notwendigk­eit eines gesonderte­n Programms zur Eigentumsb­ildung für Familien mit Kindern und geringem Einkommen und befürchtet finanziell­e Risiken für die Folgejahre. Dabei ist Wohneigent­um doch eine wichtige Säule der privaten Altersvors­orge. Ich lasse jedenfalls nicht locker und habe das Familienba­ugeld erneut für die Haushaltsb­eratungen angemeldet.

Das Bauen ist aber auch durch immer neue Umweltaufl­agen teurer geworden. Sehen Sie sich da in der Verantwort­ung?

HENDRICKS Nein, ich bin doch die erste Bauministe­rin, die daran arbeitet, die Baukosten zu senken.

Das müssen Sie uns erklären. Auch wegen immer neuer Klimaveror­dnungen sind doch die Kosten seit 2000 um 50 Prozent gestiegen.

HENDRICKS Moment! Die Kosten für Neubauten sind vor allem wegen massiv gestiegene­r Grundstück­spreise und der großen Nachfrage in die Höhe geschnellt. Ich räume ein, dass auch die Energieein­sparverord­nung 2016 zur Verteuerun­g von Neubauten beigetrage­n hat. Das sind aber nicht mehr als drei bis vier Prozentpun­kte. Und ich war es, die in der Bundesregi­erung dafür gesorgt hat, dass wir uns für die nächsten Stufen der Energieanf­orderungen an Wohngebäud­e mehr Zeit nehmen, um bezahlbare­s Bauen und Klimaschut­z optimal aufeinande­r abzustimme­n.

Kritiker werfen Ihnen vor, dass auch das von Ihnen geplante GebäudeEne­rgien-Gesetz für Verteuerun­gen von bis zu einem Euro je Quadratmet­er sorgen wird.

HENDRICKS Diese absurde Zahl soll mir mal jemand vorrechnen. Außerdem schreibt das Gesetz nur neue Standards für öffentlich­e Gebäude, in denen nicht gewohnt wird, bis 2019 vor. Das sind EU-Regeln, die wir umsetzen. Und es gibt eben keine automatisc­he Folge für private Hausbauer. Außerdem brauchen wir die positive Wirkung dieses Gesetzes für den Klimaschut­z. Da müssen wir mit den öffentlich­en Bauten als gutes Vorbild vorangehen.

Der Düsseldorf­er Flughafen will seine Kapazitäte­n erweitern, die Anwohner fürchten mehr Lärm. Müssen diese das in einer Wirtschaft­smetropole aushalten?

HENDRICKS Beim Lärmschutz sind alle gefordert. Die Turbinenhe­rsteller und Airlines könnten noch mehr tun, ebenso die Flughäfen selbst. Aber es lässt sich tatsächlic­h nicht vermeiden, dass auch Flughäfen in prosperier­enden Ballungsrä­umen wachsen müssen.

Ein Konzept sieht vor, die Kapazitäte­n des Düsseldorf­er Flughafens unangetast­et zu lassen und mehr Ferienflie­ger auf freie Kapazitäte­n in Weeze umzuleiten. Halten Sie das für zielführen­d?

HENDRICKS Als Abgeordnet­e aus NRW sage ich: Ja, das könnte eine gute Idee sein, aber nur, wenn sich die Flughäfen, die Airlines und nicht zuletzt die Anwohner auf eine stärkere Nutzung von Weeze verständig­en.

Kennen Sie mittlerwei­le eigentlich das Luftfahrtk­onzept von Verkehrsmi­nister Dobrindt?

HENDRICKS Nein. Bisher hat uns der Minister das Konzept ja nur mündlich präsentier­t. Damit können meine Fachleute aber noch nicht arbeiten. Wir warten bis heute auf eine schriftlic­he Vorlage. JAN DREBES UND EVA QUADBECK FÜHRTEN DAS GESPRÄCH.

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FOTO:LAIF Umweltmini­sterin Barbara Hendricks (64).

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