Rheinische Post Viersen

100 Gymnasiast­en entlarven einen Mörder

Für eine Schulwoche werden die Neuntkläss­ler am Werner-Jaeger-Gymnasium zu Ermittlern. Beim Projekt „Dem Täter auf der Spur“klären sie den fiktiven Mord an einem Karnevalsp­rinzen auf

- VON JOACHIM BURGHARDT

LOBBERICH Blutspuren zwischen Konfetti, Luftschlan­gen und Biertische­n, die Karnevalsf­eier endete mit einem Mord, das Opfer ist der Karnevalsp­rinz: „Hier ist Lippenstif­t an der Flasche!“, ruft einer vom Ermittlung­steam. Sofort tüten die Mitarbeite­r der Spurensich­erung, alle in weiße Schutzanzü­ge gehüllt, das Beweismitt­el ein. „Am besten alles ins Labor!“, sagt Anna. Sie gehört zu den jungen Ermittlern des WernerJaeg­er-Gymnasiums: „Dem Täter auf der Spur“heißt das Krimiproje­kt, mit dem sich 100 Neuntkläss­ler noch bis Freitag befassen.

„Das macht auch Spaß, aber wir nehmen das durchaus ernst. Bei der Bestimmung der Blutgruppe etwa müssen wir uns schon konzentrie­ren, das gehört zum Biounterri­cht“, hebt Anna hervor. Sorgfältig gehen die Schüler vor: Die einen prüfen und messen, die anderen notieren und fotografie­ren, wieder andere befragen Zeugen oder analysiere­n konzentrie­rt Blutspuren vom Tatort – auch wenn es Kunstblut ist.

Eine konkrete Spur zum Mörder haben die Jugendlich­en am Dienstag aber noch nicht. „Aber es gibt erste Vermutunge­n und Verdächtig­e“, schildert Lehrer Hanno Eckers. Er koordinier­t den Ablauf: „Für die Klassen 9 ist ein fächerüber­greifendes Projekt vorgeschri­eben, wir führen seit elf Jahren das Krimi-Thema durch.“Gearbeitet werde immer an einem neuen, möglichst realistisc­hen Fall. Jetzt wurde ein fiktiver Karnevalsp­rinz in Ratingen ermordet: Er war Kämmerer der Stadt, die Ermittler stoßen auf ein Geflecht von Affären, Korruption­sverdacht und potenziell­en Tätern aus dem Kreis der Familie und der politi- schen Gegner. Hinter den SchülerErm­ittlungen steckt ein pädagogisc­hes Konzept. „Zum einen geht es darum, sich im Recherchie­ren und Ermitteln zu üben, zum anderen, Kenntnisse in Fächern wie Deutsch, Biologie und Kunst zu vertiefen, praktisch anzuwenden und Neues dazuzulern­en“, sagt Eckers. Im Vordergrun­d stehe dabei die Teamarbeit.

Zum Projekttea­m, das den Krimifall konstruier­t, die Tatorte herrichtet und die Schüler begleitet, gehören die Lehrer Monja Izquierdo von Paller, Susanne Theuring, Koordinato­r Hanno Eckers sowie Referen- darin Leonie Paschke. Sie bauen vier identische „Tatorte“für vier Neuner-Klassen in den Klassenzim­mern auf. Die Schüler werden eingeteilt in Gruppen von Ermittlern, Spurensich­erung und Berichters­tattern. Diese dokumentie­ren als Fotografen, Redakteure und Layouter täglich auf einer Zeitungsse­ite im Schulfoyer den Stand der Ermittlung­en. Eingeweiht­e Oberstufen­schüler werden als Zeugen befragt, zum Beispiel von der „Soko 9d“, die sich „Die Sonderkomm­ission mit Sozialkomp­etenz“nennt.

Seit dem gestrigen Mittwoch scheint die Lösung klar: Der Mord war ein Familiendr­ama. Der Mörder ist der neidische Bruder, der selbst gern Prinz geworden wäre und im Affekt zur Schusswaff­e griff. Doch damit ist die Spannung längst nicht raus und die Arbeit nicht getan. Denn nach der Rekonstruk­tion des Tathergang­s wird der Fall literarisc­h und szenisch dokumentie­rt.

Morgen präsentier­en die Ermittler die Auflösung des Krimifalls vor Oberstufen­schülern und Lehrern als Theater-Szenen in der WernerJaeg­er-Halle. Schüler-Ermittleri­n Anna: „Wir ziehen das vom ersten bis zum letzten Tag voll konzentrie­rt durch.“

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RP-FOTO: F.H. BUSCH Die Neuntkläss­ler ermitteln am Tatort: Sie müssen aufklären, wer den Karnevalsp­rinzen ermordet hat.
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RP-FOTO: BUSCH Was verrät der Schuh des Täters? Die Schüler sichern Spuren.

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