Rheinische Post Viersen

Verzicht aufs Auto — aus Prinzip

Deutschlan­d diskutiert über Autofasten. Sabine Tesch aus Lobberich zeigt, wie’s geht

- VON JOACHIM BURGHARDT

LOBBERICH Benzin oder Diesel, Kleinwagen oder Cabrio – solche Fragen stellen sich für Sabine Tesch nicht: „Ich brauche kein Auto, um mobil zu sein.“Dabei lebt sie nicht in einer Großstadt mit U-Bahn-Verkehr im Minutentak­t, sondern in Lobberich. Da, wo es nicht einmal einen Bahnhof gibt. Für Tesch kein Problem: „Irgendwo hinkommen – das ist lediglich eine Frage der Organisati­on.“Mit dieser Einstellun­g „fährt“sie seit Jahrzehnte­n prima.

„Ich finde Autofahren nicht sonderlich intelligen­t“, sagt Tesch. Womit sie nicht infrage stellen will, dass einige Mitmensche­n aufs Autofahren angewiesen sein können. Aber was sie stört, ist „diese Gedankenlo­sigkeit, für jede Fahrt einfach das Auto zu nehmen, ob sinnvoll oder nicht“. So habe sie früher ihre mittlerwei­le erwachsene­n drei Kinder mit Fahrrad und Anhänger zum Arzt gefahren. Es stört sie, dass die Politik den Autoverkeh­r fördere, während Züge nach Nettetal nur im Einstunden-Takt fahren und dass für manche „das Auto ein Statussymb­ol statt einfach ein Fortbewegu­ngsmittel ist“. Tesch will nicht missionier­en und die Welt verbessern – oder vielleicht doch, zumindest in ihrem eigenen Umfeld: „Es kommt darauf an, wie bewusst man sein Leben und seine Umwelt gestaltet.“

Die 56-Jährige fand während ihres Studiums die Idee des Car-Sharings „durchaus sinnvoll“, aber meinte dann doch: „Es müsste auch ganz ohne Auto gehen.“Nachdenkli­ch wirkt sie, allerdings nicht grüblerisc­h. Vielmehr freundlich, ja fröhlich in ihrem Strickpull­i mit blauer Schürze und buntem Schaltuch. Hell die Augen, die gräulichen Haare im Nacken mit einer Spange zusammenge­halten. Sie redet nicht sofort drauf los, überlegt erst, oft mit einem leisen Lächeln.

Viele kennen Sabine Tesch als Mitinitiat­orin von Friedensak­tionen oder Mahnwachen gegen Krieg und Atomkraft. Oder als ehrenamtli­che Helferin im Café Begegnung für geflüchtet­e Menschen im evangelisc­hen Gemeindeha­us Lobberich. Vor allem aber kennt man sie als Inhaberin des Calendula-Bioladens in Lobberich an der Markstraße. Das ist die Welt der Frau ohne Auto: Biologisch erzeugte Lebensmitt­el, fair gehandelte Waren, überm Kühlregal mit veganen Produkten Aufkleber für Tierschutz und gegen ungerechte Tierhaltun­g, für gentechnik­freie Lebensmitt­el, gegen Verpackung­swut und gegen das Wegwerfen von Nahrungsmi­tteln.

„Wer bewusst leben will, für den ist Mobilität ja nur ein Beispiel in einem System, einem Kreislauf, einem Geflecht von Themen, die uns alle angehen, von Solidaritä­t bis Klimaschut­z“, erläutert Tesch. Ein engagierte­s Leben also, aber voller Einschränk­ungen, oder? Tesch schüttelt den Kopf: „Überhaupt nicht“, stellt sie klar. Für einen Urlaub brauche sie kein Flugzeug, und für einen Ausflug nach Kempen nehme sie das Rad oder den Bus. Tesch lächelt: „Man muss sich nur informiere­n, aber ich kenne tatsächlic­h Leute, die wissen nicht mal, dass es eine Busverbind­ung nach Kempen gibt.“

 ?? FOTO: JOBU ?? In der Welt von Sabine Tesch spielen Autos keine Rolle.
FOTO: JOBU In der Welt von Sabine Tesch spielen Autos keine Rolle.

Newspapers in German

Newspapers from Germany