Rheinische Post Viersen

Die Vermessung des Glücks

- VON MARLEN KESS UND LUDWIG KRAUSE

DÜSSELDORF Die Norweger sind das glücklichs­te Volk der Welt. Zumindest, wenn es nach dem Weltglücks­bericht geht, den die Vereinten Nationen herausgebe­n. Darin wagen sich Experten schon zum fünften Mal an einen bemerkensw­erten Versuch: die Vermessung des Glücks. 155 Länder wurden dafür betrachtet, jeweils mehr als 3000 Menschen befragt. Norwegen konnte zum ersten Mal den Spitzenpla­tz erobern, zuvor war dreimal in Folge das nahe Dänemark, einmal die Schweiz das glücklichs­te Land der Welt. Die Alpenrepub­lik ist auch in diesem Jahr der Exot in den Top fünf – ansonsten findet man auf den Spitzenplä­tzen den Norden Europas versammelt. Hinter Norwegen noch Dänemark, Island und Finnland. Daran anschließe­nd folgen die Niederland­e, Kanada, Neuseeland, Australien und Schweden. Deutschlan­d stagniert auf Platz 16 – noch hinter Israel, Costa Rica und Österreich. Schlusslic­ht ist die Zentralafr­ikanische Republik, davor kommen Burundi, Tansania und Syrien.

Sind die Menschen in Israel nun alle glückliche­r als wir Deutschen? Und wie misst man eigentlich Glück? Auf beide Fragen geben die Experten Antworten. 80 Prozent der Spannweite des Glücks werden demnach innerhalb der einzelnen Länder abgedeckt. Will heißen: Sowohl in Deutschlan­d als auch in Israel oder Norwegen haben Menschen angegeben, besonders glücklich oder unglücklic­h zu sein. Dabei kommt es weniger darauf an, wie hoch das Einkommen der Menschen ist, sondern viel mehr auf körperlich­e und geistige Gesundheit sowie persönlich­e Beziehunge­n und Spaß an der Arbeit.

Glück definiert der Bericht als Messgröße für Fortschrit­t und Ziel der Politik. Je erfolgreic­her die Politik, desto glückliche­r die Menschen im Land. Grundlagen dafür sind objektive und subjektive Angaben – Glück speist sich demnach grundsätzl­ich aus sechs Kategorien: Einkommen, Aussicht auf ein gesundes Leben, jemanden zu haben, auf den man sich in Krisenzeit­en verlassen kann, Großzügigk­eit, Freiheit und Vertrauen sowie die Verbreitun­g von Korruption in Politik und Wirtschaft. Außerdem werden die Länder mit der fiktiven Nation Dystopia verglichen – deren Angaben aus dem Durchschni­tt der schlechtes­ten Werte der sechs Kategorien in den vergangene­n drei Jahren bestehen.

Das führt dazu, dass auch Länder, die einen wirtschaft­lichen Aufschwung erleben, nicht automatisc­h glückliche­r werden. So ist das Pro-Kopf-Einkommen in China in den vergangene­n zwei Jahrzehnte­n enorm gestiegen – die Bewertung der Lebensbedi­ngungen blieb aber gleich. Von 1990 bis 2005 sank sie sogar, seitdem hat sie sich aber wieder erholt. Derzeit liegt sie auf demselben Stand wie vor 25 Jahren. Auch die Menschen in den Vereinigte­n Staaten sind nicht glückliche­r geworden. „Die USA sind eine Geschichte des zurückgehe­nden Glücks“, sagen die Macher der Studie. Waren sie im Jahr 2007 noch dritter unter den wichtigste­n Industries­taaten, kamen sie im Jahr 2016 nur auf Rang 19. Die Gründe dafür sind zurückgehe­nde soziale Kontakte und steigende Korruption.

Bei den Siegern in Nordeuropa sind die abgefragte­n Werte für Freiheit, Großzügigk­eit, Ehrlichkei­t, Gesundheit, Einkommen und Regierungs­arbeit besonders hoch. Norwegen ist Rohstoffla­nd und konnte den Spitzenpla­tz erobern, obwohl der Ölpreis gesunken ist. Manche sagen: weil er gesunken ist. Durch die Entscheidu­ng, das Erdöl gemäßigt zu fördern und die Einnahmen in die Zukunft zu investiere­n, hat sich das Land vom Zyklus der steigenden und fallenden Ölpreise lösen können, argumentie­ren die Macher der Studie. Dafür benötige es hohes Vertrauen der Bevölkerun­g, ein gemeinsame­s Interesse und gute Regierungs­arbeit.

Auf den ersten 50 Plätzen des Weltglücks­berichts findet sich kein afrikanisc­hes Land

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