Rheinische Post Viersen

Wie frei die Presse wirklich ist

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Nach der Pressekonf­erenz von US-Präsident Donald Trump und Bundeskanz­lerin Angela Merkel in Washington feierten die amerikanis­chen Kollegen zwei deutsche Journalist­en: Kristina Dunz von der Nachrichte­nagentur dpa und Ansgar Graw von der „Welt“. Sie hatten Trump kritische Fragen gestellt, auf die der Präsident ausweichen­d oder nicht antwortete, was umso entlarvend­er war.

Können die US-Journalist­en das nicht? Trauen die sich nicht mehr? Das Problem ist anders gelagert. Die Spielregel­n internatio­naler Pressekonf­erenz legen den Journalist­en mitunter ein enges Korsett an. Von vornherein war klar, dass es bei dieser Pressekonf­erenz nur vier Fragen geben darf – zwei von amerikanis­cher und zwei von deutscher Seite. Der Vorteil für die deutschen Journalist­en: Sie dürfen sich untereinan­der einigen, wer die Frage stellt. Meistens diskutiert man auch noch

Die Spielregel­n im internatio­nalen Journalism­us sind komplizier­t. Bei der Pressekonf­erenz mit Trump und Merkel kamen die US-Kollegen nicht richtig zum Zug, weil Trump sie nicht ließ.

miteinande­r, womit man die Staatsund Regierungs­chefs konfrontie­rt. Unsere Wahl fiel auf den US-Korrespond­enten der Welt und die unerschroc­kene dpa-Kollegin. Für deutsche Journalist­en ist es selbstvers­tändlich, dass wir jede kritische Frage stellen können, auch wenn wir mit Merkel im Flieger gemeinsam anreisen. Schließlic­h sind wir von der Bundesregi­erung nicht eingeladen – Flugkosten und Hotel zahlen die Verlage für ihre Redakteure.

Um an dieser Stelle mit weiteren Vorurteile­n aufzuräume­n: Die Mitreise verleitet auch nicht zur Hofbericht­erstattung. Auf den Flügen bietet sich aber meistens die Gelegenhei­t, etwas fundierter miteinande­r zu reden, als dies bei Pressekonf­erenzen möglich ist. Danach wägt jeder Berichters­tatter für sich ab, wie er im Lichte der Erklärunge­n der Kanzlerin die Dinge bewertet. Das heißt, wir sind nicht nur frei, die Regierung zu kritisiere­n. Wir sind auch frei, die Politik richtig zu finden, wenn uns Argumente überzeugen.

Die Bundeskanz­lerin wiederum gehört zu jenen Politikern, die Pressefrei­heit achten. Auch wenn es für sie unangenehm wird, versucht sie nicht, Fragen zu unterbinde­n. Die US-Kollegen konnten ihrem Präsidente­n keine kritischen Fragen stellen, da Trump die Fragestell­er auswählte. Er entschied sich für Leute, deren Fragen für ihn mit Leichtigke­it zu parieren waren.

Umso erboster zeigte er sich von dem direkten Vorgehen der deutschen Kollegen. Kristina Dunz schleudert­e er am Ende entgegen, er wisse nicht, welche Zeitungen mit „Fakenews“sie lese. Für die Kollegin war das ein Ritterschl­ag. Ab dem 1. Oktober wird sie übrigens zum Team der Rheinische­n Post in Berlin gehören. Ihre Meinung? Schreiben Sie unserer Autorin: kolumne@rheinische-post.de

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