Rheinische Post Viersen

„Dahoud fängt wieder bei null an“

Vor 20 Jahren kam Alexandre da Silva mit 23 nach Deutschlan­d. Er spricht über die kurze Zeit bei Borussia Dortmund, den schnellen Wechsel nach Gladbach, die damals schwierige Integratio­n und Mo Dahouds Wechsel zum BVB.

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Im April 1997 sagte der Präsident des brasiliani­schen Klubs Uniao Sao Joao zu Alexandre da Silva, genannt Chiquinho: „Borussia Dortmund will dich haben.“23 Jahre war er damals alt, und am Ende spielte er auch drei Jahre für Borussia – aber für die aus Mönchengla­dbach. 20 Jahre später, Chiquinho hat längst einen deutschen Pass, sprach er nun mit Karsten Kellermann noch mal über seine Anfangszei­t in Deutschlan­d, über den Wechsel in neue Welten, über die Veränderun­gen im Fußball und über das Duell der beiden Borussias morgen.

Chiquinho, würden Sie im Rückblick alles wieder so machen wie 1997?

CHIQUINHO Ja, auf jeden Fall. Ich erinnere mich heute noch an die Gänsehaut, die ich bekam, als der Präsident sagte, Dortmunds Trainer Ottmar Hitzfeld wolle mich unbedingt. Ich, der kleine Spieler vom brasiliani­schen Dorfklub, soll zu so einem großen Verein wie Dortmund gehen – davon träumt man doch.

Wie wurden Sie auf die neue Welt vorbereite­t?

CHIQUINHO Julio Cesar spielte damals in Dortmund, er hat mir schon im Flugzeug viele Tipps gegeben. Und er hat sich immer um mich gekümmert. Trotzdem war es nicht leicht: Eine andere Welt, eine andere Sprache, eine andere Kultur.

Sie waren aber nicht lange in Dortmund. Gladbachs Manager Rolf Rüssmann holte Sie vom BVB an den Niederrhei­n. Dort gab es keinen Brasiliane­r, der sich um Sie kümmerte.

CHIQUINHO Aber es gab Andrej Juskowiak. Er hatte in Portugal gespielt und sprach darum sehr gut portugiesi­sch. Er war 24 Stunden am Tag für mich da. Aber leider nur ein halbes Jahr, dann ist er zum VfL Wolfsburg gewechselt. Danach wurde es schwierige­r für mich.

Der Wechsel in eine neue Welt steht jetzt, wenn auch nicht ganz so extrem, für Mo Dahoud an. Er geht zum BVB. Gladbachs Trainer Dieter Hecking sagt, er wäre vielleicht besser noch geblieben. Was denken Sie?

CHIQUINHO Mo Dahoud ist ein großartige­r Spieler, das hat er in Gladbach schon gezeigt. Trotzdem ist Dortmund für ihn eine etwas andere Geschichte. Der BVB spielt ja jede Saison in der Champions League. Er fängt in Dortmund wieder bei null an. Es kann sein, dass Dahoud gleich explodiert, er hat die Qualität, da ein ganz Großer zu werden. Es kann aber auch sein, dass er sich schwer tut.

Hat sich die Betreuung der Spieler beim Vereinswec­hsel sehr verändert seit Ihrer Zeit als Jungprofi?

CHIQUINHO Total. Ich muss gestehen, dass ich manchmal etwas neidisch auf die jungen Spieler heute bin, wenn ich sehe, welche Möglichkei­ten sie haben. Es ist alles da: Kommt ein Spieler, weiß er, wo er wohnt, auf welche Schule er geht, alles ist perfekt organisier­t. Aber damals war auch eine andere Zeit und die Klubs haben daran viel getan.

Damals haben der BVB und Gladbach Sie als Spielertyp falsch eingeschät­zt: Sie wurden als Rechtsvert­eidiger geholt, waren aber Stürmer.

CHIQUINHO Stürmer nicht, ich würde sagen Offensivsp­ieler, einer für die Außenbahn oder eine Neuneinhal­b. Ich hatte aber in den zwei Jahren zuvor bei meinem Verein in Brasilien hinten rechts gespielt. Das ging auch, in Brasilien wird ja nicht so intensiv verteidigt. In Deutschlan­d war alles anders, da hatte ich defensiv plötzlich ein Manko. Trotzdem: Weil sich Thomas Kastenmaie­r verletzt hatte, wollte Manager Rolf Rüssmann mich als Ersatz. Wegen des Heiko-Herrlich-Wechsels zwei Jahre vorher hatte er noch was gut beim BVB, und so wurde ich Gladbacher. Es war nicht immer leicht, aber die drei Jahre waren dennoch toll. Ich bin und bleibe der erste Brasiliane­r in Gladbach und ich war Publikumsl­iebling, weil ich in den Spielen, die ich für Borussia gemacht habe, mit Herz alles gegeben habe.

Welche Borussia liegt Ihnen mehr am Herzen, wenn beide gegeneinan­der spielen?

CHIQUINHO Ich bin dem BVB dankbar, dass er mir die Tür nach Deutschlan­d aufgemacht und den Wechsel nach Gladbach möglich gemacht hat. Aber Borussia Mönchengla­dbach habe ich in mein Herz geschlosse­n. Ich spiele ja auch für die Weisweiler Elf und lebe am Niederrhei­n.

Sie trainieren bei einer Fußballsch­ule auch mit Kindern. Gerade ist ein Camp in Monheim.

CHIQUINHO Fußball ist mein Leben und arbeite gern mit Kindern, ich will ihnen Spaß am Spiel vermitteln.

Gibt es in Deutschlan­d noch viele Straßenfuß­baller?

CHIQUINHO Die guten Spieler sind alle früh im Verein, das ScoutingNe­tz der Klubs ist engmaschig. Es ist schwer, noch Spieler zu entdecken, die die Klubs nicht kennen. Wenn mir mal ein brasiliani­scher Spieler empfohlen wird, hat Gladbach ihn meist schon auf dem Schirm.

Sie sind auch Trainer, haben Erfahrung von der Bezirks- bis in die Oberliga gesammelt. Sind Sie als Coach eher deutsch oder brasiliani­sch ?

CHIQUINHO Zu 90 Prozent deutsch. Disziplin und Respekt sind mir sehr wichtig. Ohne die geht es nicht, das habe ich hier gelernt.

 ?? FOTOS: IMAGO ?? Im Sommer 1997 war Chiquinho auf dem Teamfoto von Borussia Dortmund, wechselte aber noch vor dem ersten Spiel nach Gladbach. Dort kam er auf 24 Bundesliga- und zwölf Zweitliga-Spiele für Borussia.
FOTOS: IMAGO Im Sommer 1997 war Chiquinho auf dem Teamfoto von Borussia Dortmund, wechselte aber noch vor dem ersten Spiel nach Gladbach. Dort kam er auf 24 Bundesliga- und zwölf Zweitliga-Spiele für Borussia.
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