Rheinische Post Viersen

Was ein Dorf für die Zukunft braucht

In der Reihe „Dorf im Gespräch“möchte Bürgermeis­ter Kalle Wassong mit den Bürgern Visionen für die Zukunft der kleineren Orte in der Gemeinde Niederkrüc­hten entwickeln. Der Auftakt in Brempt war vielverspr­echend

- VON JOCHEN SMETS

NIEDERKRÜC­HTEN Am Anfang der zweistündi­gen Diskussion steht ein großes weißes Blatt – am Ende ein kleines Kunstwerk. Es ist sozusagen die Blaupause für die künftige Entwicklun­g des Ortes Brempt. Der Visualisie­rer Christoph Illigens hat die Wünsche, Ideen und Kritikpunk­te der Bürger in Slogans und Bilder gegossen und auf zwei Quadratmet­er Papier zusammenge­fasst.

Die traumhafte Lage an Schwalm und Hariksee, das außergewöh­nliche gastronomi­sche Angebot (nirgendwo in der Gemeinde ist die Restaurant- und Café-Dichte höher als in Brempt), die Vereinskul­tur, die gewachsene Dorfgemein­schaft, die Überschaub­arkeit („Man kennt sich“), das Dorfzentru­m mit der Kapelle, die Ruhe, die Natur: Als die Brempter die Vorzüge ihres Dorfes zusammenfa­ssen, entfährt einem der Satz: „Wir sehen gar nicht mehr, wie schön es hier ist.“

Der Begriff „Entschleun­igung“fällt: Das Schwalmdor­f als Ruhepol in der immer hektischer werdenden globalisie­rten Welt. Eine Frau erzählt, sie sei mit ihrem Mann zur Familiengr­ündung nach Brempt zurückgeke­hrt. Die Kinder sind fünf, drei und eins. „Sie können hier so unbeschwer­t aufwachsen, wie sonst nirgendwo“, sagt sie.

Das erste der von Bürgermeis­ter Kalle Wassong (parteilos) ins Leben gerufenen „Dorfgesprä­che“bringt manchen Aha-Moment. Wassong möchte mit den Bürgern Visionen entwickeln, wohin sich die Gemeinde und ihre Orte bewegen sollen. Die Dorfgesprä­che sind ausdrückli­ch nicht als Meckerstun­de gedacht, betont der Bürgermeis­ter eingangs. Für Probleme mit kaputten Parkbänken, Hundehaufe­n oder Falschpark­ern bietet er Bürgerdial­oge und Sprechstun­den an. Im Dorfgesprä­ch geht es um Zukunftspe­rspektiven.

Gut 30 Bürger, darunter einige Ratsmitgli­eder, sind zur Premiere ins Café zum Hariksee gekommen, um über die Zukunft ihres Ortes zu diskutiere­n. Der jüngste Teilnehmer ist 14 Jahre alt, der älteste 91. Es ist ein lebhaftes Dorfgesprä­ch, das auch problemati­sche Tendenzen nicht ausblendet. Den demografis­chen und den digitalen Wandel zum Beispiel. Die Zahl der Alten steigt, während es viele Junge in die Städte zieht, weil sie es doch nicht ganz so ruhig und überschaub­ar haben wollen. Und der Ort der Begegnung ist nicht mehr das Schützen- fest oder die Dorfkneipe, sondern das soziale Netzwerk im Smartphone. Wie kann ein Dorf ein Dorf bleiben, aber trotzdem nicht abgehängt sein? Eine Zuhörerin bringt es auf den Punkt: „Ich wünsche mir eine digitale Zukunft, aber keine dreispurig­e Kahrstraße.“Leben in einer entschleun­igten Ortschaft, aber mit digitalem Zugang zur globalisie­rten Welt – das kristallis­iert sich als ein zentrales Ergebnis des Gesprächs heraus. „Zukunft gestalten kann auch bedeuten, Bewährtes zu erhalten“, schreibt Illigens auf das längst nicht mehr weiße Blatt.

Im Dorfgesprä­ch entsteht die Idee, eine neutrale Instanz zu schaffen, in der sich Bürger einbringen können, die die Zukunft ihres Ortes mitgestalt­en möchten. Vielleicht lässt sich der derzeit brach liegende Brempter Heimat- und Verkehrsve­rein wieder beleben, schlägt jemand vor. Wassong ist positiv überrascht von der Resonanz auf die Premierenv­eranstaltu­ng. Sieben weitere Dorfgesprä­che sind für dieses Jahr geplant.

Die Ergebnisse sollen beim Neujahrsem­pfang Anfang Januar vorgestell­t und auch im Internet präsentier­t werden. Bürgermeis­ter Wassong will es nicht bei Einzelvera­nstaltunge­n belassen, sondern einen Prozess anstoßen, „der seine Früchte vielleicht erst in ein paar Jahren trägt“. Für Brempt wird das erste nicht das letzte Dorfgesprä­ch gewesen sein.

 ?? FOTO: SMETS ?? Was macht Brempt lebens- und liebenswer­t? Die Anwesenden sammelten Vorschläge, die Christoph Illigens auf Papier zusammenfa­sste. Dorfbewohn­er schätzen die Vereinskul­tur, die Natur rundum und die Größe: „Man kennt sich!“
FOTO: SMETS Was macht Brempt lebens- und liebenswer­t? Die Anwesenden sammelten Vorschläge, die Christoph Illigens auf Papier zusammenfa­sste. Dorfbewohn­er schätzen die Vereinskul­tur, die Natur rundum und die Größe: „Man kennt sich!“

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