Air Berlin hat tiefe Risse
Schwere Zeiten für Deutschlands zweitgrößte Airline: Großaktionär Etihad verliert die Geduld, das geplante Bündnis mit dem Ferienflieger Tuifly ist geplatzt. Die Bürgschafts-Voranfrage zeigt, wie ernst die Lage für das Unternehmen ist.
DÜSSELDORF Air Berlin war mal ein stolzer Ferienflieger, mit einem täglichen Mallorca-Shuttle von Berlin, Düsseldorf und Paderborn, mit Verbindungen in europäische Großstädte, mit etlichen Zukäufen, mit Börsennotierung – Gründer Joachim Hunold war sehr stolz. Doch die große Zeit ist längst vorbei. Seit gestern ist klar, dass Air Berlin als unabhängige zweite große deutsche Airline kaum eine Chance hat. Das Unternehmen hat wegen Staatshilfe in NRW und Berlin eine Voranfrage gestellt – Düsseldorf und Berlin sind die zwei mit Abstand wichtigsten Flughäfen des Unternehmens. Und ein entscheidender Teil eines schon vor anderthalb Jahren eingeleiteten Rettungsplanes ist gescheitert: Großaktionär Etihad hat die Verhandungen über ein Joint-Venture von Tuifly mit dem Ethihad-Ableger Niki aus Östereich scheitern lassen – damit müssen die zwei Schwesterunternehmen Air Berlin und Niki ihr Ferienfluggeschäft wieder alleine managen.
Für Air Berlin gibt es damit möglicherweise nur noch die Flucht in die Arme der Deutschen Lufthansa. 38 Jets von Air Berlin fliegen als „Wet-Lease“bereits für den Lufthansa-Ableger Eurowings. Dies bedeutet, dass die Crews zwar von Air Berlin kommen, doch die Tickets verkauft Eurowings. Und die früher von Air Berlin gecharterten Jets hat Lufthansa schon zu großen Teilen selber gekauft oder gechartert. „Damit haben wir uns gegen eine denkbare Pleite von Air Berlin abgesichert“, sagt ein Lufthansa-Manager.
Jetzt könnte alles Schlag auf Schlag gehen. Gerade für den Flug- hafen Düsseldorf hängt davon viel ab. Keine Airline bietet mehr Langstreckenflüge ab der NRW-Landeshauptstadt an als Air Berlin – Lufthansa scheint bereit, beispielsweise eine Reihe an Direktflügen in die USA zumindest für einige Jahre zu übernehmen. Außerdem sind Air Berlin und Lufthansa/ Eurowings die zwei entscheidenden Airlines am Flughafen Düsseldorf – bei einer Fusion müssten also einige Strecken abgegeben werden, damit es zu keinem Preisdiktat kommt. „Wir würden uns die Strecken einzeln anschauen“heißt es dazu aus dem Bundeskartellamt, „und dann entsprechende Auflagen machen.“
Die Berliner Politik würde eine ganze oder weitgehende Integration von Air Berlin bei Lufthansa/Eurowings unterstützen. Noch im April hatte Lufthansa-Chef Carsten Spohr Bundeskanzlerin Angela Merkel nach Abu Dhabi begleitet, um da auch für eine weitere Annäherung von Etihad und Lufthansa zu werben. Allerdings beharrt Spohr bisher darauf, dass Etihad die bei mehr als einer Milliarde Euro liegenden Schulden von Air Berlin übernimmt, bevor Lufthansa den Konkurrenten schluckt. Solche Garantie könnten nun in Teilen stattdessen die Landesregierungen in Berlin und Düsseldorf geben. Was ist das Grundproblem von Air Berlin? Man habe sich über viele Jahre zur „eierlegenden Wollmilchsau“entwickelt, spottete jüngst Thomas Winkelmann, der von Lufthansa kommende neue Chef von Air Berlin. Gemeint ist, dass das Unternehmen mit den Übernahmen von LTU, der Deutschen BA und einer Reihe anderer Firmen einerseits wichtigster Ferienflieger der Republik sein wollte. Andererseits wollte Air Berlin auf Strecken, die vielfach von Geschäftsleuten genutzt werden (Zürich, Berlin, Wien) vorne liegen. „Damit verzettelten die über Jahre ihre Kräfte“sagt der Hamburger Airline-Experte Gerald Wessel, „während Billigflieger wie Ryanair und Easyjet das Preisniveau auf vielen Strecken immer weiter nach unten drückten.“Nach Milliardenverlusten in den vergangenen Jahren ist die Strategie jedenfalls gescheitert. Der 2006 an die Börse gegangene Konzern ist nur noch lächerliche 100 Millionen Euro wert – gestern ging es weiter bergab. Die Schulden liegen bei mehr als einer Milliarde Euro. Pro Kopf der verbliebenen 8500 Mitarbeiter schrieb Air Berlin im vergan- genen Jahr rund 100.000 Euro Verlust.
Das Scheitern der geplanten großen europäischen Ferienfluggesellschaft von Tui und Ehihad ist ein weiterer Rückschlag. Nach eineinhalb Jahren Verhandlungen über die Details des Geschäftes ist der Deal abgesagt worden. Tuifly wird die eigenen Flüge also weiter unabhängig vermarkten, ebenso Air Berlin und Niki, die Ferienflüge seit dem Sommerflugplan quasi gemeinsam abwickeln.
Was bedeutet das Scheitern des Zusammenschlusses für Air Berlin? Die schwer angeschlagene Airline muss einerseits weiterhin 14 Boeing 737 von Tuifly unter sehr teuren Bedingungen inklusive Crew nutzen. Konzernchef Winkelmann hatte damit gerechnet, dass er mit der Gründung des gemeinsamen Ferienfliegers diesen Vertrag los werden würde. Außerdem hatte Air Berlin darauf gesetzt, die niedrigen Margen im Ferienfliegergeschäft durch die Kooperation steigern zu können – so kontrollieren die beiden Unternehmen ab Düsseldorf rund 60 Prozent der Verbindungen nach Palma de Mallorca. „Mit ihrer Marktmacht wollte die neue Gemeinschaftsfirma schon die Ticketpreise hochdrücken“, sagt dazu Heinrich Großbongardt, Airline-Experte aus Hamburg. Alles geplatzte Träume.