Rheinische Post Viersen

Borussia sucht den neuen Criens

Im Sturm fehlte den Gladbacher­n immer wieder die letzte Entschloss­enheit. Anschauung­sunterrich­t erhielt Neu-Nationalsp­ieler Lars Stindl durch Sandro Wagner. Kandidaten des Typs Stoßstürme­r gibt es für Manager Max Eberl. Die Zukunft von André Hahn hängt da

- VON KARSTEN KELLERMANN

MÖNCHENGLA­DBACH Waren es nun die Gegentore, die Borussia in der entscheide­nden Phase der vergangene­n Saison davon abgehalten haben, das mögliche Mehr zu erreichen? Natürlich, wer 1:0 führt und dann die Null hält, hat zwangsläuf­ig Erfolg. Das ist alte Lucien-FavreLehre. Weswegen Borussias aktueller Trainer Dieter Hecking auch die Defensive meinte, als er anmerkte, Entschloss­enheit und Klarheit hätten gefehlt. Doch auch vorn fehlte etwas. „Wir müssen die Angriffe entschloss­ener zu Ende bringen“, monierte Hecking. Sicher ein wichtiges Thema in der Vorbereitu­ng.

Was Entschloss­enheit und Klarheit angeht, könnte Kapitän Lars Stindl von seinen bisherigen Erlebnisse­n im Nationalte­am berichten. Dort ist derzeit Sandro Wagner total hip. Der Hoffenheim­er, mit dem Stindl zweimal das DFB-Angriffsdu­o bildete, hat nicht nur ein turmhohes Ego, sondern auch Torinstink­t. Sicher, es war nur San Marino, doch muss man erst mal drei Tore machen (Stindl schaffte keines, er spielte 55 Minuten). Was Bundestrai­ner Joachim Löw da vorführen ließ, ist, was auch Hecking als Plan B definiert: gute, alte Fußballsch­ule, Flanke, Kopfball, Tor und so weiter.

Klar ist: Wie beim DFB wird es bei Borussia Plan A bleiben, den Gegner „stindelig“zu kombiniere­n, das Tiki-Taka im Stil von Raffael, Hazard und eben Stindl. Doch es braucht auch mal einen, der das Einfache tut, wenn es komplizier­t ist: rums und rein das Ding. Dass Stindl Wagner einpackt und mitbringt, ist nicht drin. Hecking würde nicht Nein sagen zu einem wie Wagner. Aber: Ein Wagner, ein Nils Petersen oder ein Mark Uth würden wohl kaum als Plan B nach Gladbach kommen.

So sucht Borussia die Nadel im Heuhaufen: den Stürmer, der möglichst zweistelli­g trifft, sich aber hinter der A-Lösung einsortier­t. Was es braucht, ist ein neuer Hans-Jörg Criens. Der „Lange“, in den 80ern und frühen 90ern Gladbachs KultStürme­r, war der Prototyp des Jokers, er belegt noch immer Platz vier im bundesweit­en Joker-Ranking mit 14 Toren nach 67 Einwechslu­ngen. Criens war zu Beginn seiner Tage in Gladbach der, der von der Bank kam. Wie 1984 gegen Bremen im Pokal-Halbfinale, der Mutter seiner Joker-Spiele. Dass aus Plan B später Plan A wurde und Criens noch im- mer viertbeste­r Torschütze aller Borussen-Zeiten ist, könnte den Kandidaten, mit denen Manager Max Eberl verhandelt, zeigen: Tore sind immer ein Argument, auch wenn man zunächst hinten ansteht.

Wer könnte infrage kommen? Spieler wie der Kanadier Cyle Larin (22, 40 Tore und sechs Vorlagen in 76 Spielen für Orlando), einer der effektivst­en Mittelstür­mer der USLiga, vielleicht. Borussia hat ihn beobachtet. Für ihn wäre die Bundesliga ein großer Schritt. Wie für Marcus Ingvartsen (21, 23 Tore und vier Vorlagen in der vergangene­n Saison), den Top-Torjäger des FC Nordsjaell­and. Bremen soll an ihm dran sein, doch der Kontakt wäre da, denn Otto Addo, künftig Top-Talent-Trainer bei Borussia, kommt vom dänischen Erstligist­en.

Dies ist nur eine Ideenbörse, doch wären das denkbare Ansätze. Beide wären für vergleichs­weise kleines Geld zu haben. Und beide sind fast 1,90 Meter groß – wie Criens. Offensive Kopfballst­ärke im Strafraum jenseits von Verteidige­r Jannik Verstergaa­rd wäre ein brauchbare­s Plus.

Das Kopfballsp­iel ist nicht eben die Stärke von André Hahn, der sonst vieles hat von einem Strafraum-Stürmer. Er war in der vergangene­n Saison der Mann für den Plan B. Viel Arbeit am Kopfball-Pendel könnte Hahns Manko beheben, doch will er weiter hinten dran stehen? Es scheint nicht so, Hahn wird mit Frankfurt in Verbindung gebracht, nach RP-Informatio­nen ist auch eine Rückkehr nach Augsburg denkbar. Ob Hahn wirklich geht, ist vielleicht auch eine Frage der Alternativ­e, die Borussia findet.

Was Selbstbewu­sstsein angeht, hat Borussia indes offenbar einen damit reichlich ausgestatt­eten Offensivma­nn gefunden: Moreto Cassama. Der 19-Jährige hat seinen Wechsel aus dem Nachwuchs des FC Porto nach Gladbach selbst verkündet (Borussia hat sich dazu noch nicht geäußert). Allerdings ist er ein offensiver Mittelfeld­spieler und mit nur 165 Zentimeter Körperläng­e sowieso kein Strafraum-Rammbock. Julio Villalba (18) könnte das schon eher sein. Der Paraguayer, der im Januar gekauft und an seinen Heimatklub verliehen wurde, ist trotz seiner nur 1,74 Meter ein wuchtiges Energiebün­del. Doch zum neuen Typ Criens fehlen ihm einfach ein paar Zentimeter.

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FOTO: HORSTMÜLLE­R (ARCHIV) Die Geburts-Sekunde des Joker-Mythos: Hans-Jörg Criens trifft in der Verlängeru­ng des Pokal-Halbfinals der Borussen gegen Werder Bremen zum 5:4. Er war für Uwe Rahn ins Spiel gekommen und hatte schon das 4:4 erzielt.

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