Union und SPD im Diesel-Clinch
Verkehrsminister Dobrindt will eine Software-Nachrüstung von Diesel-Fahrzeugen, Umweltministerin Hendricks will auch Motoren umbauen lassen. SPD und Grüne setzen Dobrindt unter Druck.
BERLIN Union und SPD streiten vor dem Treffen führender Vertreter von Politik und Autoindustrie über das Ausmaß der Konsequenzen des Diesel-Skandals. Während Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) die Hersteller lediglich auf Software-Updates von Dieselautos verpflichten will, die die zulässigen EU-Grenzwerte für Stickoxide überschreiten, pocht Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) auf wirksamere Maßnahmen. Die Industrie müsse im zweiten Schritt auch Motoren-Teile auswechseln, forderte sie. Zudem lehnt Hendricks neue staatlich finanzierte Kaufanreize für modernste Diesel-Fahrzeuge mit der Euro-6D-Norm ab. Diese wollen Dobrindt sowie Bayern, Niedersachsen und der Verband der Automobilindustrie durchsetzen.
Dobrindt und Hendricks haben die Chefs der Autokonzerne sowie die Ministerpräsidenten von neun Ländern für morgen zum Gipfel geladen. Dabei sollen Maßnahmen zur Reduzierung gesundheitsschädli- cher Stickoxid-Emissionen beschlossen werden, die weit überwiegend von Diesel-Fahrzeugen verursacht werden. Das Verkehrsministerium erklärte, die Regierung werde mit einer einheitlichen Position in den Gipfel gehen. Am Freitag hatte das Stuttgarter Verwaltungsgericht einer Klage der Deutschen Umwelthilfe (DUH) stattgegeben. Der Luftreinhalteplan Baden-Württembergs für Stuttgart sei nicht ausreichend, so das Urteil, das für viele größere Städte Signalwirkung haben könnte.
Auch die grün-schwarze Landesregierung in Stuttgart setzt auf Software-Updates und will so ein Fahrverbot vermeiden. Die DUH forderte einen verpflichtenden Rückruf und Hardware-Nachrüstungen für alle Diesel der Abgasnormen Euro 5 und 6. Das würde die Branche 13,5 Milliarden Euro kosten. Betroffen wären rund neun Millionen Pkw.
Damit Verbraucher Entschädigungen besser durchsetzen können, fordern SPD und Grüne die Einführung von Sammelklagen. Dabei könnten sich Betroffene Schadenersatzklagen von Verbänden anschließen. „Wir brauchen endlich ein In- strument, mit dem Kunden sich gegen große Konzerne, die massenhaft Schaden verursachen, gemeinsam zur Wehr setzen können, ohne ein großes Kostenrisiko einzugehen“, sagte Justizminister Heiko Maas (SPD). „Alles, was erschüttertes Vertrauen jetzt festigt und Glaubwürdigkeit in die Autoindustrie wiederherstellt, sichert auch Arbeitsplätze.“Die Union hatte den Plan von Maas im Dezember blockiert. Nun sprach sich CSU-Chef Horst Seehofer jedoch dafür aus.
Für Wirbel sorgte ein Bericht der „Bild“-Zeitung, das Kraftfahrtbundesamt (KBA), das Dobrindt untersteht, habe Prüfberichte über Abgas-Manipulationen im Interesse der Industrie geschönt. Dobrindts Ministerium wies den Bericht zurück. SPD und Grüne forderten eine konkretere Entkräftung. „Fahrverbotsminister Dobrindt sollte nicht nur von der ,verdammten Verantwortung’ der Autoindustrie sprechen, sondern auch von seiner eigenen“, sagte Grünen-Chef Cem Özdemir. Ex-Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne) forderte Dobrindts Rücktritt. Der Minister sei der „oberste Vertuscher von Dieselgate. Und deshalb muss er zurücktreten.“SPDChef Martin Schulz forderte, dem KBA Aufgaben zu entziehen und die Zuständigkeiten für Typgenehmigungen und Kontrollen zu trennen. Leitartikel Seite A2 Wirtschaft Seite B 1