Der Zug fährt ein, die Tür bleibt zu
Rentner Manfred Kirschall stand am Bahnhof Viersen vor verschlossenen Türen und hätte beinahe seinen Zug verpasst
VIERSEN Es ist früh am Samstagmorgen, 4 Uhr. Im Taxi fahren Manfred Kirschall und seine Frau am Vordereingang des Viersener Bahnhofs vor. Sie steigen aus, möchten eine der Türen zur Bahnhofshalle öffnen – doch die ist verschlossen. Noch ist Kirschall ruhig. Der Zug nach Kiel soll ja erst um 4.45 Uhr abfahren, die Türen werden sicher gleich entriegelt, denkt er sich. „Aber es tat sich nichts“, sagt der 77-Jährige. Wenige Minuten vor der geplanten Zugankunft seien seine Frau und er zum hinteren Eingang, der direkt zu den Gleisen führt, gehetzt. Fünf bis sieben Minuten habe das gedauert. Den Zug hätten sie gerade noch so erwischt. „Vorne hängt kein Hinweis, kein Schild mit Öffnungszeiten. Das geht doch nicht.“
Sie seien nicht die einzigen Bahnkunden gewesen, die an jenem Samstag am Vordereingang – wo Taxen und Busse halten – an verschlossenen Türen gerüttelt hätten, erzählt Kirschall. „Der Taxifahrer hatte uns um 4 Uhr gesagt, da komme gleich jemand von der Bäckerei und schließt auf. Aber da kam keiner.“In der Bahnhofshalle befindet sich ein Backshop, eine Mitarbeiterin bestätigt, dass die Angestellten um 4 Uhr die Vordereingänge auf- schließen – montags bis freitags. Am Samstag erst um 5 Uhr. „Es kann nicht sein, dass die Türen noch zu sind, wenn der Bahnverkehr schon läuft“, sagt Kirschall. Ein Blick in den Online-Fahrplan der Deutschen Bahn für heute, 19. August, zeigt: Es gibt eine Verbindung von Viersen zum Hauptbahnhof Kiel, Abfahrt 4.45 Uhr. Hätten seine Frau und er ihren Zug nach Kiel verpasst, „wären Tausende Euro flöten gewesen“, sagt der Rentner: „Wir hatten eine Kreuzfahrt nach Norwegen gebucht, und so ein Kreuzfahrtschiff wartet nicht auf Gäste, die spät dran sind.“
Seit wenigen Wochen ist nur noch der Viersener Kaufmann Horst Dannreuther Eigentümer der Bahnhofshalle, vorher hatte er einen Geschäftspartner. Er möchte die Halle „beleben“, umbauen, Ideen umsetzen: „Was machbar ist, möchte ich machen“, betont der 58-Jährige. Ein Hausmeister schließe gegen Mitternacht die Türen ab, sagt er. Das sei nötig, „weil es in der Vergangenheit nachts zu Vandalismus gekommen ist“. Außerhalb der Fahrzeiten der Bahn sei die Halle zu. Ob es tatsächlich vorkommt, dass etwa samstags die Türen während der Fahrzeiten geschlossen sind, „muss ich abklären“. Aber: „Wir können auf jeden Fall ein Schild anbringen mit dem Hinweis, dass der Bahnhof vorne außerhalb der Fahrzeiten geschlossen ist“, sagt Dannreuther.
Manfred Kirschall begrüßt, dass der Bahnhofseigentümer auf seine Forderung nach einem Schild „so positiv“reagiert. Doch er bleibt dabei: „Der Haupteingang war zu, obwohl Züge verkehrten – und das darf einfach nicht sein.“