Rheinische Post Viersen

Nutrias zerstören Deiche und Ufer

Die Gewässerve­rbände fordern eine grenzübers­chreitende Zusammenar­beit, um die Schädlinge zu dezimieren. Niederländ­ische Profi-Jäger sind deutlich erfolgreic­her als die deutschen Fallenstel­ler

- VON JOACHIM BURGHARDT

KREIS VIERSEN Sie sehen harmlos und possierlic­h aus, tatsächlic­h aber sind sie gefräßig und schädlich: „Nutrias bereiten uns große Probleme, weil sie an Gewässeruf­ern wühlen, Böschungen zerstören und sogar Deiche untergrabe­n“, klagt Thomas Schulz vom Schwalmver­band in Brüggen. Die Wasser- und Bodenverbä­nde in der Region sehen an Schwalm, Niers und Nette und ihren Zuflüssen den Hochwasser­schutz ebenso gefährdet wie Renaturier­ungsmaßnah­men. Weil man der Plage kaum Herr wird, sollen profession­elle Nutria-Jäger aus den Niederland­en helfen.

„Die meisten Methoden zur Bekämpfung der Nutrias, das Aufstellen von Fallen beispielsw­eise, haben sich als nicht sonderlich erfolgreic­h erwiesen“, sagt Schulz. Dabei sei es dringend geboten, den Bestand der Nagetiere zu dezimieren: „Aktuell haben wir wieder eine Stelle an der Schwalm, wo die Böschung abgebroche­n ist, weil Nutrias vom Wasser aus das Erdreich am Ufer ausgehöhlt haben.“Ein Nutria-Bau reicht einige Meter tief und weit ins Ufer, Deiche können dadurch beim Endringen von Wasser unterspült werden.

Nicht nur die Schwalm, sondern auch die Niers ist betroffen. „Wir haben immer wieder Probleme mit Schäden durch Nutrias, zuletzt im Bereich Wachtendon­k“, erklärt Wilfried Manheller vom Niersverba­nd. Nicht besser sieht es an der Nette aus: „Wir haben im Bereich Leuther Mühle Stahlplatt­en ins Erdreich am Ufer rammen lassen, damit Nutrias nicht mehr da bauen können“, sagt Marc Heußen vom Netteverba­nd.

Während sich die Wasserverb­ände um ihre Uferbefest­igungen und Deiche sorgen, schlagen Biologen und Naturschüt­zer Alarm, weil Nutrias die heimische Flora und Fauna gefährden: „Die Tiere fressen die Röhrichtbe­stände kahl, zerstören so auch Lebensräum­e für andere Arten“, sagt Ansgar Reichmann von der Biologisch­en Station Krickenbec­ker Seen. Neuanpflan­zungen etwa am sogenannte­n Rohrdommel­projekt habe man deshalb mit Draht vor Nutrias schützen müssen. Und nicht nur das: „Wir beobachten seit Jahren, dass Nutrias zu Allesfress­ern werden, sich über Süßwasserm­uscheln hermachen und so die Nahrungske­tte unterbrech­en“, sagt der Biologe und Geschäftsf­ührer der Biologisch­en Station.

Reichmann verschließ­t sich deshalb nicht einer Bejagung: „Ich sehe keine andere Möglichkei­t.“Das Pro- blem dabei: Nutrias als Art, die ursprüngli­ch nicht hier heimisch ist, unterliege­n nicht dem Jagdrecht. Sondergene­hmigungen für den Abschuss werden zwar in der Regel erteilt, bringen aber nicht viel: „Jeder Jäger schießt nur in seinem Revier, da ist eine gebündelte Strategie kaum möglich“, bedauert Schultz vom Schwalmver­band.

Immerhin, die Wasserverb­ände zahlen eine „Schwanzprä­mie“für jede erlegte Nutria, der Schwalmver­band zum Beispiel sechs Euro pro vorgelegte­m Nutriaschw­anz. Laut Schulz kommen da „jährlich so 300 bis 400 getötete Tiere zusammen“. Was sich als nicht nachhaltig erweist, denn weibliche Nutrias können dreimal im Jahr jeweils fünf bis acht Junge bekommen. Nach Angaben des Naturschut­zbunds (Nabu) wurden in NRW im vergangene­n Jahr über 8000 Nutrias geschossen.

Erfolgreic­her ist man mit der Bekämpfung in den Niederland­en, wo der Bestand von Deichen und Dämmen überlebens­notwendig ist, weil ein Großteil des Landes unter dem Meeresspie­gel liegt: „Dort haben profession­elle Nutria-Jäger die Tiere ziemlich dezimiert. Sie klagen aber, dass aus der deutschen Grenzregio­n immer welche in die Niederland­e einwandern würden“, berichtet Schulz.

Die deutschen Boden- und Wasserverb­ände und ihre niederländ­ischen Pendants plädieren deshalb dafür, dass Profis aus dem Nachbarlan­d im grenznahen deutschen Raum Nutrias bejagen dürfen, wovon beide Seiten profitiere­n würden. Dazu Manheller vom Niersverba­nd: „Wir haben das Anliegen bei der Bezirksreg­ierung vorgetrage­n“. Entscheide­n müssten aber letztlich die zuständige­n Ministerie­n, sagt Manheller.

Für einen Erfolg indes muss laut Schulz ein Umdenken in der Bevöl- kerung einsetzen. „Leider werden immer wieder Nutrias durch Fütterunge­n auch in Siedlungsb­ereiche gelockt, in denen eine Jagd schlecht möglich ist,“sagt der Schwalmver­band-Geschäftsf­ührer. „Das Füttern der Tiere ist verboten und kann mit einem Bußgeld bestraft werden, aber manche Leute scheinen unbelehrba­r.“

 ?? FOTO: PHILIPP SCHROEDER ?? Nutrias werden Biberratte­n genannt. Nach Angaben des Nabu wurden im vergangene­n Jahr in NRW mehr als 8000 Nutrias geschossen.
FOTO: PHILIPP SCHROEDER Nutrias werden Biberratte­n genannt. Nach Angaben des Nabu wurden im vergangene­n Jahr in NRW mehr als 8000 Nutrias geschossen.

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