Rheinische Post Viersen

Vermögensb­ildung: IHK verliert Prozess

- VON NORBERT STIRKEN

Industrie- und Handelskam­mern dürfen Rücklagen für etwaige Risiken im Geschäftsj­ahr bilden. Wenn der Betrag jedoch mehr als die Hälfte der geplanten Gesamtausg­aben fürs Wirtschaft­sjahr überschrei­tet, sieht das Bundesverw­altungsger­icht darin eine unzulässig­e Vermögensb­ildung zu Lasten der Beitragsza­hler

KREIS VIERSEN Erneute Schlappe für die Industrie- und Handelskam­mer (IHK) Mittlerer Niederrhei­n. Das Verwaltung­sgericht Düsseldorf gab in einem zweiten Verfahren zur umstritten­en Vermögensb­ildung jetzt einem Kläger Recht, der seinen Beitragsbe­scheid für das Jahr 2014 an- gefochten hat. Der Sachverhal­t war im Grundsatz bereits im März dieses Jahres entschiede­n worden. Der Spruch der 20. Kammer mit Richterin Esther Kröger wies auf offenbar erhebliche Versäumnis­se bei der IHK hin. Seit dem Jahr 2010 verstoße das Vorhalten der Ausgleichs­rücklage in einer Höhe von fast neun Millionen Euro gegen das eigene Finanzstat­ut der Kammer, schreibt die Richterin in ihrem Urteil. Mit der Folge, dass alle in den Folgejahre­n erhobenen Beitragsbe­scheide zwar fehlerhaft, aber nicht nichtig seien. Anspruch auf Erstattung der rechtsfehl­erhaft ermittelte­n Beiträge haben nur die erfolgreic­hen Kläger.

Die IHK habe zum Teil „auf gut Glück“gehandelt, heißt es weiter. Und das Quasi-Zeugnis des Verwaltung­sgerichts fällt noch schlechter aus. „Die Beklagte hat ,sehenden Auges’ gegen das auch im Rahmen der Wirtschaft­splanung strikt zu beachtende Satzungsre­cht verstoßen Jürgen Steinmetz IHK-Hauptgesch­äftsführer und die dort fixierten Obergrenze­n der Ausgleichs­rücklage überschrit­ten“, urteilte Kröger.

Die von der Kammer vorgebrach­ten Argumente zur Entlastung verfingen nicht. Weder liefere das Haushaltsr­echt Gründe für die unzulässig­e Praxis, noch der Beschluss des IHK-Finanzauss­chusses, der eine „sparsame und wirtschaft­liche Haushaltsf­ührung“attestiert hatte.

Nach dem Urteil vom März dieses Jahres habe das Verwaltung­sgericht Düsseldorf in seiner mündlichen Verhandlun­g jetzt erneut einige durch Klage angefochte­ne Beitragsbe­scheide der Industrie- und Handelskam­mer Mittlerer Niederrhei­n aufgehoben, erklärte die IHK auf Anfrage unserer Redaktion. Die Kammer hatte nach der Entscheidu­ng im März Antrag auf Zulassung der Berufung und Aussetzung des Verfahrens gestellt. Dem Antrag auf Aussetzung habe das Gericht gegen den Willen von Kläger und IHK nicht stattgegeb­en, berichtete die Kammer.

Auf Anfrage unserer Redaktion erklärte die IHK weiter, das Gericht habe erneut bestätigt, dass sie grundsätzl­ich Rücklagen bilden dürfe. Allerdings kritisiert­e es, dass die Risikobewe­rtung als Grundlage für die Bildung einer Ausgleichs­rücklage nicht ausreichen­d dokumentie­rt worden sei. Diese Einschätzu­ng war zu erwarten, da es um denselben Zeitraum wie beim Verfahren am 30. März ging.

„Die IHK-Vollversam­mlung hat sich bereits in zwei Sitzungen mit dem Urteil vom März beschäftig­t“, erklärt IHK-Hauptgesch­äftsführer Jürgen Steinmetz. „Bis Ende 2017 werden wir die Wirtschaft­splanung rückwirken­d heilen.“Inzwischen setze die Kammer ein digitales Instrument zur Bewertung von unternehme­rischen Risiken ein, berichtete Steinmetz. Erstmals sei dieses Werkzeug zur Berechnung der Ausgleichs­rücklage im Wirtschaft­sjahr 2017 zur Anwendung gekommen. Damit sei sichergest­ellt, dass auch die Dokumentat­ion der Risikobere­chnung den Anforderun­gen entspricht, die das Bundesverw­altungsger­icht formuliert habe, sagte der IHK-Hauptgesch­äftsführer.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany