Rheinische Post Viersen

Eine Reise in die gute alte Zeit

Der Heimatvere­in zeigt am Wochenende, wie man früher unterwegs war — und wie man den Schmutz der Straße wieder los wurde

- VON BIRGITTA RONGE

SCHWALMTAL Auf dem Treppenabs­atz im ersten Stock liegen Taschen und Tornister. „Dat is enne Aap“, sagt der Heimatvere­insvorsitz­ende Klaus Müller und hält einen mit Fell besetzten Rucksack hoch. Wegen des Fells wurde der Rucksack im Volksmund „Aap“genannt – Affe. Daneben liegen Gamaschen, die man bei Regen oder Schnee über die Schuhe zog, alte Schultorni­ster und Taschen – darunter die Tasche des Briefträge­rs und die Tasche des Milchmanns. Schwimmmei­ster Heinrichs reiste 1960 mit einem Lederkoffe­r zu den Olympische­n Sommerspie­len nach Rom – Aufkleber auf dem Gepäckstüc­k erinnern an Stationen wie Bozen und Triest.

Die Taschen werden am Wochenende im Innenhof der Heimatstub­e an der Niederstra­ße in Waldniel ausgestell­t, ebenso wie Reisewecke­r oder ein Sitzschlit­ten aus alter Zeit. Der Heimatvere­in Waldniel, der das kleine Museum führt, beteiligt sich am Themenjahr des Kulturraum­s Niederrhei­n, das unter dem Motto „Unterwegs“steht. Passend dazu zeigt die Dülkener Künstlerin Petra Kanke Objekte, die sie aus Filtertüte­n fertigte – darunter Schuhe und Stiefel, die so stabil erscheinen, als seien sie aus Kunststoff.

Wer in der „guten alten Zeit“auf Reisen ging, musste damit rechnen, dass die Schuhe schmutzig und die Kleider staubig wurden. Wie aufwendig das Waschen war, zeigt der Heimatvere­in in der neu gestaltete­n Waschküche. Verschmutz­te Wäsche wurde in der Zinkwanne über ein Waschbrett gerieben oder mit der Waschglock­e gestampft, um sauber zu werden. Der beheizbare Waschkesse­l wurde noch in den 1950erJahr­en genutzt, nicht nur zum Waschen. „Darin hat man auch Tüüt gekocht oder Erbsensupp­e für 100 Mann“, sagt Müller.

Solch einen Kessel kennt der 68Jährige noch aus seiner Kindheit, „ich erinnere mich noch daran, dass ich ihn anfeuern musste“. Alle drei Wochen wurde bei Müllers damals montags gewaschen. Das Waschen war so aufwendig, dass an Waschtagen nicht gekocht wurde – man wärmte die Reste vom Sonntagses­sen auf. Um die Kleider zu schonen, unterschie­d man Sonntags- und Alltagskle­ider. Die Jungen, daran erinnern sich Klaus Müller und der zweite Vorsitzend­e des Heimatvere­ins, Peter Oelers (76), trugen ohnehin meist Lederhosen, „die wurden gar nicht gewaschen“. Und die Frauen, die sich auf eine Heirat vorbereite­ten, legten Wert auf eine umfangreic­he Aussteuer, „dann mussten sie nicht so oft waschen“.

Auch eine der ersten elektrisch­en Waschmasch­inen ist im Museum zu sehen. Wer keine hatte, konnte bei einer Firma am Bleichwall in Waldniel tageweise auch eine Waschmasch­ine leihen. Wie viel Waschpulve­r benötigt wurde, verrät der Aufdruck auf dem „Persilknüp­pel“: „1 Waschkesse­l = 6 Eimer Wasser = 1 Doppelpake­t Persil“.

Wer sich auf den Weg zur Arbeit machte, nahm früher ein „Knüerke“mit – auch als Henkelmann bekannt. In dieser Proviantbo­x aus Blech wurde das Mittagesse­n transporti­ert, „häufig Kartoffeln, Gemü- se und ein Stück Fleisch oder Bratwurst“, erklärt Müller. In den Firmen wurden die Henkelmänn­er der Mitarbeite­r dann zur Mittagszei­t im heißen Wasserbad erwärmt.

Nach des Tages Mühen blieb am Abend nur noch der Weg ins Bett. Um es gemütlich zu haben, war einiger Aufwand nötig. Daran erinnern die Gegenständ­e im liebevoll eingericht­eten Schlafzimm­er. Dort gibt es eine Messingwär­meflasche, die mit heißem Wasser befüllt wurde, und eine aus Keramik, in der heißer Sand war. Wer sich waschen wollte, schleppte Wasser in einer Kanne ins Schlafzimm­er. Waschbecke­n mit Abfluss gab es noch nicht, man wusch sich über einer Schüssel. Schüssel und Kanne aus Porzellan stehen im Museum, ebenso wie die Weiterentw­icklung, die Waschkommo­de. Dreht man an der Kommode die Schublade auf, kommen zwei Waschschüs­sel zum Vorschein – ähnlich wie beim Topfkaruss­ell, das es heute in vielen Küchen gibt.

Wer wissen will, wie man damals nach dem Waschen roch, sollte sich von Müller eine zylinderfö­rmige kleine Dose zeigen lassen. Darin befindet sich, immer noch duftend, ein altes Stück Kaloderma-Seife.

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Der Sitzschlit­ten gehört zu den Schätzen in der Heimatstub­e.

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