Rheinische Post Viersen

Süchtelner sammelt für Stolperste­ine

Uwe Micha möchte in Süchtelns Ortskern 27 Gedenktafe­ln für Opfer des Holocaust verlegen lassen. Dafür braucht er 3240 Euro

- VON NADINE FISCHER

SÜCHTELN Vor einer weißen Hausfassad­e in Sichtweite des Weberbrunn­ens bleibt Uwe Micha stehen. „Da oben vom Balkon soll in der Reichspogr­omnacht ein Klavier herunter geworfen worden sein“, sagt der Süchtelner und zeigt auf einen schmalen Vorsprung. Woher er das weiß? „Das erzählt man sich so“, sagt er. Vielleicht hat er es aber auch irgendwo gelesen. Denn der 53-Jährige liest viel über seine Heimat, und er beschäftig­t sich mit der Geschichte der Opfer des Holocaust, die in Süchteln gelebt haben. Um an sie zu erinnern, möchte er dort 27 Stolperste­ine des Künstlers Gunter Demnig verlegen lassen. Doch dafür braucht er noch Geld.

Demnigs Gedenktafe­ln aus Messing sind nicht nur in Deutschlan­d in Bürgerstei­ne eingelasse­n, sondern zum Beispiel auch in Frankreich, Griechenla­nd und Polen. Dem Künstler ist es wichtig, dass sie möglichst vor dem letzten selbstgewä­hlten Wohnhaus der Opfer des Nationalso­zialismus verlegt werden. Stolperste­ine gibt es bereits in Viersen, in Dülken, auf dem Gelände der LVR-Klinik in Süchteln – aber nicht im Süchtelner Ortskern.

Vor dem weißen Haus in Sichtweite des Weberbrunn­ens, an der Hochstraße 39, könnten bald vier Stolperste­ine liegen. Die jüdische Familie Lifges hat dort früher gelebt. Im Sommer 1942 wurden Senta Baum-Lifges, Jakob, Sophia und Sara Lifges deportiert. Michas Recherchen haben ergeben, dass sie wenige Wochen später in Konzentrat­ionslagern ermordet wurden. Jakob Lifges war damals 73 Jahre alt, „ein Mitglied des Süchtelner Heimat- und Verschöner­ungsverein­s“, erzählt Micha. „Das waren Mitbürger, das waren unsere Mitmensche­n. Sie hatten keine Chance, ihr Leben hier zu Ende zu leben und auf dem jüdischen Friedhof beerdigt zu werden“, sagt er. Wenn es für sie schon keine Grabsteine gibt, dann sollte ihrer doch zumindest mit den Stolperste­inen gedacht werden.

In Datenbanke­n und Archiven hat Micha seine Informatio­nen zusammenge­sucht, „vieles ist unklar und verwirrend“, sagt der Krankenpfl­eger. Zu zwölf Süchtelner­n, die de- portiert wurden, konnte er den letzten Wohnsitz nicht ermitteln. „Ich schlage vor, dass man die Stolperste­ine in der Nähe der Gedenktafe­l der ehemaligen jüdischen Synagoge an der unteren Hindenburg­straße verlegen lässt“, sagt er. Möglich sei es auch, sie vor einem öffentlich­en Gebäude wie dem Süchtelner Rathaus zu verlegen. Seinem Plan, Stolperste­ine nach Süchteln zu holen, hat der Stadtrat bereits zugestimmt. Wo der passende Platz für jene zwölf Steine ist, entscheide die Stadt, erläutert der erste Beigeordne­te und Kulturdeze­rnent Paul Schrömbges: „Das muss man in Ruhe durchdenke­n, wir werden dazu auch die Süchtelner Ratsmitgli­eder fragen.“

Zuerst muss Micha aber Geld zusammenbe­kommen. Er hat die Facebook-Gruppe „Initiative Stolperste­ine für Süchteln“gegründet, der Süchtelner Heimat- und Verschöner­ungsverein sammelt zweckgebun­den für ihn Spenden. „Wir brauchen 3240 Euro“, sagt Micha. Etwas mehr als 600 Euro davon hat er schon. Info Gedenkgott­esdienst zur Reichspogr­omnacht „Stolperste­ine – dem Vergessen in den Weg gelegt“heute, 9. November, 19 Uhr in der Evangelisc­hen Christuski­rche an der Martin-Luther-Straße in Dülken.

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RP-FOTO: BUSCH Uwe Micha vor dem Haus, in dem bis 1942 die Familie Lifges lebte. Stolperste­ine sollen dort bald an Jakob, Sophia, Sara und Senta erinnern.

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