Rheinische Post Viersen

Drmic und sein 70-Minuten-Lichtblick

Der Stürmer hält sich mit Comeback-Prognosen zurück. Seine Leistung beim 4:1 gegen Bielefeld war zweifellos ein wichtiger Schritt.

- VON JANNIK SORGATZ

Fast noch beeindruck­ender als sein Comeback geriet der Auftritt von Josip Drmic im Interview nach dem Spiel. Zum 4:1 Borussias im Testspiel gegen Arminia Bielefeld hatte der Schweizer zwei Tore und zwei Vorlagen in 70 Minuten beigesteue­rt. Und was machte er? Kontrollie­rte seine Gesichtsmu­skeln auf schier unglaublic­he Weise. „Ich bin stolz auf mich und die harte Arbeit, die ich hinter mir habe. Heute wurde ich ein bisschen belohnt“, sagte er mit gesenktem Kopf in den Kragen seiner Daunenjack­e hinein. Zumindest verbale Freude gönnte er sich also, schob jedoch direkt hinterher: „Es gab aber auch viele Sachen, die ich besser machen kann. Ich bin noch nicht da, wo ich hin möchte.“

Dass das die Bundesliga ist, der Pflichtspi­elbetrieb der Profis, so viel ist klar nach mehr als 200 Tagen Abstinenz. Zwischenze­itlich war die Gefahr thematisie­rt worden, dass Drmic gar nicht mehr wiederkomm­en könnte nach seinem erneuten Knorpelsch­aden im Knie. Insofern war allein die Tatsache, dass der 25Jährige gegen Bielefeld wieder auf dem Rasen stand, bemerkensw­ert.

„Das war der nächste Schritt für ihn“, sagte Trainer Dieter Hecking. „Dass er dann zum spielentsc­heidenden Mann wird, ist eine schöne Geschichte.“Elf Tage zuvor hatte Drmic in der Regionalli­ga West beim 0:3 gegen den SC Verl schon 52 Minuten für die U 23 gespielt. Da hatte noch mehr die Symbolik im Vordergrun­d gestanden, 24 Tage nach seiner Rückkehr ins Mannschaft­straining.

Mit öffentlich­en Prognosen hält sich Drmic genauso zurück wie alle anderen im Verein. „Ich habe einfach meine Arbeit zu erledigen, damit ich von Spiel zu Spiel und von Training zu Training weiterkomm­e. Alles andere kann ich jetzt nicht beurteilen“, sagte er gestern. Die wahrste aller Antworten lautet wohl: So richtig weiß noch keiner, wie das Knie reagieren wird, wenn Drmic zu 100 Prozent in den Profimodus zurückkehr­t. „Mir war es einfach wichtig, dass meine Beine Minuten bekommen und ich ein bisschen in der Mannschaft ankomme“, sagte der Angreifer.

Natürlich war es ein Testspiel gegen einen Zweitligis­ten, der nicht die erste Elf aufgeboten hatte. Nichtsdest­otrotz verdiente Drmics Leistung allergrößt­en Respekt. In der 35. Minute setzte er Vincenzo Grifo mit einem Außenristp­ass in Szene, der Italiener knallte den Ball aus der Distanz ins Tor. Nach der Pause spielte Drmic einen schönen Doppelpass mit Aaron Herzog aus der U23, der frei vor dem Bielefelde­r Keeper die Nerven behielt. Und dann kehrte Drmic in der 62. und in der 68. Minute zur Essenz seines Berufs zurück: Zuerst brachte er eine Grifo-Ecke per Kopf im Tor unter, anschließe­nd staubte er nach Patrick Herrmanns Hereingabe so ab, wie das von einem Mittelstür­mer verlangt wird. Und ohne Daunenjack­e zum Einmümmeln ließ Drmic auf dem Platz die Freude auch raus und fiel Grifo um den Hals.

Am 21. November könnte er die nächste Chance bekommen, dann gastiert das mittlerwei­le bewährte Mischteam aus Rekonvales­zenten, Perspektiv­spielern und Reserveleu­ten bei Ajax Amsterdam. „Es gab einige Situatione­n, die man nicht im Training simulieren kann. Ich muss möglichst viele Spiele machen, um mich wieder reinzufind­en“, sagte Drmic.

„Ich denke, das gibt ihm den Motivation­sschub, um den letzten Schritt zu gehen, damit er wieder eine Alternativ­e für die Bundesliga ist“, sagte Hecking, der ihm alle „Zeit der Welt“gibt. Anfang November schon eine Idee für ein Weihnachts­geschenk zu haben, kann jedoch nie verkehrt sein. Und selbst wenn sich bei Borussia alle sehr bedeckt halten, dürfte niemand abstreiten: Ein Bundesliga-Comeback für Drmic vor der Winterpaus­e wäre die perfekte Weihnachts­geschichte.

 ?? FOTO: DIETER WIECHMANN ?? Kurzer Ausbruch aus dem Demuts-Modus:_ Josip Drmic freut sich über eines seiner beiden Tore beim 4:1-Testspiels­ieg gegen Arminia Bielefeld. Mehr als 200 Tage war er nicht mehr für die Profis aufgelaufe­n.
FOTO: DIETER WIECHMANN Kurzer Ausbruch aus dem Demuts-Modus:_ Josip Drmic freut sich über eines seiner beiden Tore beim 4:1-Testspiels­ieg gegen Arminia Bielefeld. Mehr als 200 Tage war er nicht mehr für die Profis aufgelaufe­n.

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